Schwer gezeichnet von der U-Haft

von Redaktion

Großes Medieninteresse: Journalisten schießen Fotos, die Justizwache schirmt Benko ab. © Eibner

Die Verteidiger: Norbert Wess (li.) und Thomas Pillichshammer. © Anna Szilagyi/EPA

Die Justizwache bringt ihn an seinen Platz. Benko trägt viele Akten, sagt aber wenig. © Eibner

Österreichs Mega-Pleitier: René Benko tritt im perfekten Manager-Look in den Gerichtssaal in Innsbruck. © Eibner-PresseFoto

Innsbruck – Um 9.02 Uhr betritt er den Verhandlungssaal des Innsbrucker Landesgerichts – umringt von einer Menschentraube. René Benko ist korrekt gekleidet. Anzug, rote Krawatte, das schwarze Haar gegelt. Schmal und fahl ist er geworden in den neun Monaten Untersuchungshaft. Fünf martialisch aussehende Kerle der Justizwache bilden einen Riegel um ihn. René Benko, Österreichs Mega-Immobilienunternehmer und Österreichs Maxi-Pleitier, steht vor Gericht. Die Vorsitzende Richterin Andrea Wegscheider fragt knapp die Personalien ab: 48 Jahre alt, derzeit kein Einkommen, vier Kinder. Keine Angaben zu Vermögen oder Schulden. Und auch sonst nichts. Benko verweist auf seinen Verteidiger.

Erstmals seit dem Konkurs seines Signa-Imperiums Anfang 2024 steht er vor Gericht. Das Interesse ist groß, mehr als 70 Journalisten sind da. Dabei ist der auf zwei Tage anberaumte Prozess nur ein kleiner Auftakt zur strafrechtlichen Aufarbeitung der größten Pleite in der österreichischen Geschichte. Benko soll 660 000 Euro abgezweigt haben. „Betrügerische Krida“ nennt man das hier, in Deutschland ist das ein Insolvenzvergehen – jemand bringt Geld zur Seite, obwohl er weiß, dass er pleite gehen wird.

In Benko’schen Dimensionen ist das ein Mini-Schaden, aber die Strategie der Wiener Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) ist: Benko soll regulär hinter Gitter und nicht länger in U-Haft bleiben, die immer wieder verlängert werden muss. Derweil wird weiter über die großen Brocken ermittelt, die Täuschung von Investoren etwa. Weitere Prozesse sollen folgen.

Heute geht es um 360 000 Euro, die Benko für Miet- und Nebenkosten seiner Villa auf dem Innsbrucker Hungerberg verwendet haben soll. Das Anwesen gehört rechtlich nicht ihm, sondern einer seiner Familienstiftungen, bei denen er de facto der Chef ist. Benko ist also sein eigener Vermieter. Weitere 300 000 Euro soll er einer Familienstiftung zugeschanzt haben – auch um nach einer Pleite flüssig zu sein. Seine Mutter Ingeborg ist als Chefin der Stiftungen eingesetzt, als Strohfrau, wie vermutet wird.

Benkos Verschiebungen von Geldern nennt die Anklage „Verschleierungen“. Er habe „Gelder beiseitegeschafft“, so die Staatsanwältin, die „zur Befriedigung der Gläubiger“ hätten verwendet werden müssen. Benko habe gewusst, dass ihm die Pleite bevorstand, er sei „mehr als knapp bei Kasse“ gewesen. Er habe „trotz des Konkurses den luxuriösen Lebensstil von sich und seiner Familie sichern“ wollen.

Verteidiger Norbert Wess zeichnet ein ganz anderes Bild. Die Anklage liege „völlig daneben“. Wess, der sich als Benkos „vielleicht letzten Mitstreiter“ bezeichnet, sieht seinen Mandanten als Macher, Kämpfer, als Visionär, der unermüdlich an seinen Projekten arbeitete. Doch im Herbst 2023 „war das Marktumfeld eine Katastrophe“, so der Anwalt. Die Corona-Krise, teure Baustoffe und Energie, bröckelnde Immobilienpreise. Benko habe „um sein Lebenswerk gekämpft, rund um die Uhr“, um den „Turnaround“ zu erreichen. Er habe mit Investoren und Geld jongliert. „Aber der Kampfgeist hat nichts gebracht.“

René Benko hat Berichten zufolge 27 Milliarden Euro versenkt, von denen seine Geldgeber nur wenig zurückbekommen dürften. Eine Insolvenz ist zuerst einmal nicht strafbar, hält sich ein Unternehmer an die Gesetze. Doch laut der WKStA tat dies Benko nicht immer und verursachte einen strafrechtlich relevanten Schaden von 300 Millionen Euro.

Er stammt aus einfachen Verhältnissen, wurde zum „Wunderwuzzi“ und reichsten Mann der Alpenrepublik. Sein Reichtum wurde nach der Insolvenz regelrecht ausgestellt. Das Büroinventar in Wien wurde versteigert, seine Villa in Sirmione am Gardasee öffentlich gezeigt. Auktions-Interessenten konnten sich vor Ort alles anschauen – große Lampen, alte Sessel, das Inventar der Küche. Alles musste raus. Benko hatte zwei Villen in Innsbruck, ein Chalet im Nobelskiort Lech am Arlberg, eine Penthouse-Wohnung in Wien, Hubschrauber und Yacht. Er gilt als prunksüchtig. Nun jagen die Insolvenzverwalter nach jedem Cent. Seine Frau hat ihn samt Kindern verlassen.

Wie konnte es dazu kommen? Wirtschaftsprofessor Leonhard Dobusch von der Uni Innsbruck sagt, das Benko-Modell sei „nicht nachhaltig“. Mit niedrigen Zinsen, boomender Nachfrage und steigenden Preisen seien Milliarden zu holen. Dreht sich der Wind, droht der Absturz. Benko wickelte nicht nur Banken und Versicherungen um den Finger, sondern auch sehr reiche Privatinvestoren. „Geldadel“ nennt Dobusch das. „Das alte Geld verachtet Aufsteiger wie Benko zwar“, sagt er, „die Renditen von acht oder mehr Prozent nahm man aber gerne.“ Verzückt waren Milliardäre wie Hans-Peter Haselsteiner, Ex-Chef des Baukonzerns Strabag. Oder Klaus-Michael Kühne, ein Hamburger Logistik-Unternehmer, der jetzt meinte: „Ich bin einem Ganoven ersten Ranges auf den Leim gegangen.“ Der von ihm selbst bezifferte Verlust: eine halbe Milliarde Euro.

Nach nur zwei Stunden ist der erste Prozesstag beendet, weil Benko sich nicht groß äußern will. Richterin Andrea Wegscheider gibt ihm mit, dass ein Geständnis strafmildernd wäre. Doch Benko meint: „unschuldig.“ Für heute sind acht Zeugen geladen. Schon am Abend könnte ein Urteil fallen.

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