Zeitvertreib Smartphone: 37 Stunden pro Woche schauen Jugendliche ins Handy. © KNA
München – Sollen Kinder ein Smartphone haben – und wenn ja, wann? Wie viel Verantwortung kann man Künstlicher Intelligenz überlassen? Wirtschaftsinformatikerin und Ethik-Expertin Sarah Spiekermann hat zusammen mit anderen Fachleuten zehn Regeln für den digitalen Alltag entwickelt. Sie sollen helfen, bewusster mit Technik umzugehen und dabei Freiräume für das Menschliche zu bewahren, wie sie im Interview der „Süddeutschen Zeitung“ betont.
Immer mehr Filterblasen und eine zunehmende algorithmische Steuerung von Inhalten hätten den demokratischen Diskurs geschwächt, warnt die Expertin. Zudem verbrächten Jugendliche inzwischen im Schnitt 37 Stunden pro Woche am Handy, „doch echte Begegnungen, gemeinsames Spielen oder Diskutieren treten in den Hintergrund. Das führt zu Vereinsamung und sozialer Verarmung“.
Außerdem verändere sich die Arbeitswelt radikal: „Menschen verlieren ihren Job durch Automatisierung. Das alles erzeugt Verunsicherung.“ In der Summe seien die negativen Effekte heute für viele spürbarer als die positiven.
Doch Spiekermann betont auch: „Wir sind nicht ohnmächtig!“ Ihre Stiftung Future Foundation wolle jedem ermöglichen, digitale Entscheidungen selbstbestimmt zu treffen – im Familienleben, im Job und im Umgang mit KI.
Die zehn Regeln seien bewusst einfach formuliert, ähnlich wie die Zehn Gebote der Bibel, so die Expertin. Sie lauten: 1. Erhebt digitale Technik nicht zum Selbstzweck, 2. Schreibt Maschinen keine Menschlichkeit zu, 3. Schafft Raum für Muße und analoge Begegnung, 4. Garantiert den Erhalt sozialer und demokratischer Kompetenzen, 5. Zerstört nicht die Natur für den technischen Fortschritt, 6. Behandelt Menschen nicht als bloße Datenobjekte, 7. Lasst euch nicht eurer menschlichen Potenziale berauben, 8. Verleugnet nicht die Grenzen der Technik, 9. Nutzt Maschinen nicht, um die Freiheit Anderer zu untergraben, 10. Verhindert Machtkonzentration und garantiert Teilhabe.
Die zehn Regeln seien als Hilfen zur Orientierung gedacht und nicht als starre Vorschriften. Mit ihrer Hilfe könne man konkrete Situationen durchspielen: Eltern könnten sie zum Beispiel nutzen, um zu entscheiden, wann ihr Kind ein Smartphone bekommt. Berufstätige könnten prüfen, ob ständige Erreichbarkeit wirklich produktiv mache. Und Unternehmen könnten prüfen, wie weit sie mit KI Routinearbeiten automatisieren sollten.
Die Regeln sollten immer „verständlich und handlungsnah bleiben“, ergänzte Spiekermann. Sie seien „ein ethisches Rahmenwerk, kein moralisches Urteil“ und keineswegs unfehlbar: „Wir spielen nicht Gott, sondern wir wollen Orientierung geben.“KNA