Aller Anfang ist schwer: Wido Pföst liefert eine Kiste Isar Mische bei einem Kioskbetreiber ab. © Max Wochinger
Russ und Radler in süß und sauer: Wido Pföst setzt eher auf junges Publikum und auf 0,33-Liter-Flaschen. © Wochinger
Unterwegs in eigener Mission: Wido Pföst fährt über die Isar, die seinem Bier den Namen gegeben hat. © Max Wochinger
München – Ein Russ in der Flasche? Den hat Bierfan Wido Pföst immer vermisst an seinen Lieblingskiosken. Zwar haben einige Brauereien das Weißbier-Zitronenlimo-Getränk im Programm, als Flaschenbier sieht man es aber selten. „Schon als Jugendlicher habe ich gerne einen Russ`n getrunken“, sagt Pföst. „Ich habe ihn immer selbst gemischt: Weißbier mit einem Schuss Zitrone.“ Irgendwann hatte er eine Idee: Warum nicht selbst einen Russ`n in der Flasche herausbringen? Genau das hat der 35-jährige Münchner im vergangenen Jahr gemacht.
„Isar Mische“ heißt sein Bier. Es wird im Verhältnis 70 zu 30 gemischt, der Großteil ist Weißbier. „Es scheint ein Naturgesetz zu sein, dass Biermischgetränke immer 50 zu 50 gemischt werden“, sagt Pföst. „50/50 ist 0815“, steht deshalb auf seiner Flasche.
„Kaltakquise“ mit dem Lastenradl
Bis das Bier in sein Leben tritt, führt Wido Pföst ein normales Leben: Angestellt als Wirtschaftspsychologe, Surf-Urlaube, am Wochenende Fußballspielen mit Freunden. Doch vergangenes Jahr macht er seinen Traum wahr. Er gründet ein Einzelunternehmen und geht zu einer Lohnbrauerei bei München, die für ihn ein Weißbier brauen soll. Für die genaue Mischung braucht es einige Testabende mit Freunden. Am Ende sind Zutaten und Zusammensetzung gefunden. Die erste Charge: 1000 Liter Isar Mische.
Mit seinem Lastenrad fährt Pföst zu Kiosken und Bars in München, um das neue Getränk zu bewerben. „Klassische Kaltakquise“, sagt er. „Ich fahre dorthin, wo ich denke, dass es gut ins Sortiment passen könnte, und stelle es den Chefs einfach vor.“ Die Kioske verkaufen sein Bier für rund 2,50 Euro. „Mich kostet die Herstellung mit allem drumherum genau einen Euro. Bisher kann ich so kostendeckend wirtschaften.“
Seine Isar Mische komme an und das Biermischgetränk laufe gut im Sortiment, so die Rückmeldung der Kioskbetreiber. Deshalb hat Pföst zwei weitere Sorten ins Sortiment aufgenommen: süßes und saures Bio-Radler. Er ist oft mit seinem Lastenrad an der Isar unterwegs – und fällt auf. „Die poppigen Flaschen kommen gut an. Und die Leute finden es gut, dass der Russ und das Radler nicht ganz so süß sind“, sagt der Münchner. Auch auf Gartenpartys, Festivals und Hochzeiten verkauft er seine Biere.
Der Traum vom Supermarkt-Regal
Noch hält sich der Absatz in Grenzen, die dritte Charge mit 3000 Litern wurde aber schon produziert. Dafür hat er einen fünfstelligen Betrag investiert. „Ich arbeite noch Teilzeit in meinem Beruf. Doch langfristig ist der Plan, vom Bierverkauf leben zu können“, sagt Pföst. Sein großer Traum ist ein eigener Verkaufsladen. Oder noch besser: Regalplätze in Supermärkten. „Wenn du es dort mit Gewinn verkaufen kannst, dann hast du es geschafft.“ Noch aber ist das Lastenrad sein Bierregal.
Isar Mische in Getränke- und Supermärkten. Das ist ein ambitioniertes Ziel – denn der Biermarkt ist hart umkämpft. Der Deutsche trinkt immer weniger Bier. 1994 erzeugten deutsche Brauereien noch mehr als 115 Millionen Hektoliter, 30 Jahre später sind es nur noch gut 82,5 Millionen Hektoliter, so die Zahlen des Bayerischen Brauerbunds. Der Gesamtabsatz ist auf ein neues Rekordtief gefallen. Und der Trend weist nach unten: „Der bundesweite Bierabsatz ist im ersten Halbjahr 2025 überdurchschnittlich um 6,2 Prozent gesunken“, teilte der Brauerbund in München mit. Ein Erdrutsch. Der Verband grübelt nun, ob das eine einmalige Delle ist „oder die neue Realität für die Braubranche darstellt”. Das Bierland Bayern kam 2024 auf knapp 24 Millionen Hektoliter Absatz. Bayern ist damit noch immer das absatzstärkste Bundesland.
Doch die Konsumzurückhaltung trifft auch den Freistaat. Weniger junge Konsumenten durch den demografischen Wandel, der Trend zu mehr Körperbewusstsein. Dem stehen für die Brauer hohe Kosten für Energie, Personal und Rohstoffe gegenüber. Der Preisdruck durch den Handel steige stetig, das belaste die Brauereien zunehmend, sagte Michael Möller Anfang des Jahres als Vizepräsident des Bayerischen Brauerbundes.
Alkoholfreies soll Pleitewelle brechen
Viele Brauereien halten nicht mehr stand, machen dicht. Zum Jahreswechsel zählte der Brauerbund mit 598 gewerblich betriebenen Braustätten erstmals weniger als 600 Betriebe in Bayern; vor 30 Jahren waren es noch mehr als 750. Die steigenden Kosten an die Kunden weiterzugeben, sei meist nur anteilig möglich, so ein Sprecher des Brauerbundes. Allein in den vergangenen sechs Jahren seien 56 bayerische Brauereien vom Markt gegangen. Möller spricht von einem Strukturwandel, der „einen unwiederbringlichen Verlust an regionaler Identität, handwerklicher Brautradition und wirtschaftlicher Struktur“ bedeute. Oettinger-Chef Stefan Blaschak prophezeite im Sommer eine Pleitewelle. „Die Brauereien werden wie Fliegen von der Wand fallen.“
Viele Brauereien reagieren mit alkoholfreien Bieren auf die Absatzkrise. Mit 2,25 Millionen Hektolitern machen Alkoholfreie inzwischen fast neun Prozent des bayerischen Gesamtbierabsatzes aus.
Auch Wido Pföst wittert da seine Chance. „Der Trend zu Getränken mit weniger Alkohol spielt mir in die Karten”, sagt der Isar-Mische-Gründer. „Die Leute leben eben bewusster.” Seine Mischgetränke haben nur 3,5 Prozent Alkohol. Damit habe er einen Nerv getroffen, glaubt Pföst. „Das haut dich nicht gleich weg, wenn du das in der Sonne trinkst. Und die kleinen 0,33-Liter-Flaschen kommen auch gut an.“ Also arbeitet er weiter unverdrossen daran, seinen Traum vom erfolgreichen Brauer-Leben wahrzumachen.