Bonn/München – „Sei freundlich, wann immer es möglich ist. Es ist immer möglich.“ Was schon der inzwischen 90 Jahre alte Dalai Lama sagte, ist durch Studien belegt. Freundlichkeit ist mehr als Harmonie, sie ist ein Booster für die eigene Gesundheit – und löst einen positiven Welleneffekt aus, bei dem sich Freundlichkeit in der Gesellschaft verbreitet.
Der heutige Welttag der Freundlichkeit (World Kindness Day) ist noch relativ jung. 1998 wurde er von der internationalen „World Kindness Movement“ ins Leben gerufen, um das Bewusstsein für freundliches Handeln global zu fördern. Die Bewegung hat ihre Wurzeln in Japan und zielt darauf ab, Empathie und Mitgefühl als zentrale gesellschaftliche Werte zu etablieren.
Freundlichkeit ist tatsächlich ein messbarer Gesundheitsfaktor. Forscher der Harvard Medical School sprechen von einem „biologischen Dominoeffekt“: Wer freundlich handelt, aktiviert das Belohnungssystem im Gehirn, schüttet Dopamin, Serotonin und Oxytocin aus. Diese Hormone mindern Stress und steigern das Wohlbefinden. Weniger Stress bedeutet eine geringere Ausschüttung von Cortisol – einem Stresshormon, das das Immunsystem schwächt. Bereits wenige Tage bewusster Freundlichkeit genügen, um die Stimmung merklich zu verbessern.
■ Schon kleine Taten machen glücklicher
Eine Studie an der University of Oxford kam 2019 zu dem Ergebnis, dass Personen, die innerhalb einer Woche regelmäßig kleine freundliche Taten ausführten, sich deutlich glücklicher fühlten als die Vergleichsgruppe. Freundlichkeit fördert demnach positive Gefühle, Selbstwertgefühl und Sinnempfinden. Sie hilft, negative Gedanken und Gefühle wie Groll oder Wut zu reduzieren. Und sie wirkt sich auf soziale Beziehungen aus: In Familie, Freundschaften und Nachbarschaften entstehen durch gegenseitige Unterstützung stabile Netzwerke, die Rückhalt geben und dazu beitragen, die Gesundheit zu stärken.
So senkt ehrenamtliche Betätigung Studien zufolge das Risiko für körperliche und psychische Erkrankungen. Vor allem bei älteren Freiwilligen steigt die Lebenserwartung. Im Arbeitsumfeld hilft Freundlichkeit, einem Burnout und psychosomatischen Beschwerden vorzubeugen. Im Privaten ist Freundlichkeit ein Schlüssel zu innerer Stärke und Lebensglück. Denn wer freundlich anderen gegenüber ist, lädt andere ein, es gleichzutun. Manchmal sind es nur kleine Gesten wie ein Lächeln, ein Kompliment oder eine Umarmung, die Licht in den Alltag bringen.
Wie aber wird man freundlich? Und kann man immer freundlich sein? Nora Blum kennt sich aus. Sie ist Psychologin und Autorin des Buches „Radikale Freundlichkeit“ (Kailash Verlag). Sie sagt: „Jeder Mensch kann freundlich sein. Wir alle besitzen die Fähigkeit dazu.“ Menschen seien soziale Wesen, die auf ein freundliches Miteinander angewiesen sind. Natürlich klappt es nicht immer, freundlich zu sein. Die gute Nachricht ist aber: Man kann die Fähigkeit trainieren.
■ Komplimente fallen uns oft schwer
Wie das geht? Indem man sich in Impulskontrolle übt. Wer lerne, seine Impulse zu kontrollieren, könne in angespannten Situationen freundlicher reagieren, erklärt Blum. Etwa, wenn einen jemand unerwartet ruppig anredet. Oder in einer Streitsituation. Anstatt selbst pampig zu werden, könne man tief durchatmen und sich fragen, was das Gegenüber dazu bewegt, unfreundlich zu sein. „Wohlwollen üben“, nennt Blum das. Und Empathie.
Auch Ehrlichkeit ist wichtig. Ohne sie sei aufrichtige Freundlichkeit nicht möglich, sagt die Expertin. „Freundlich sein heißt nicht, zu allem ja zu sagen.“ Kommuniziert man ehrlich, was man denkt und fühlt, sei das freundlich, sagt Blum. Auch wenn das mal unangenehm sein kann. „Dann weiß unser Gegenüber genau, woran es ist.“ Das schaffe Sicherheit in der zwischenmenschlichen Beziehung. Grenzen zu setzen, nein zu sagen, auch das ist laut Blum freundlich – gegenüber einem selbst.
René Borbonus ist Kommunikationsexperte und Rhetorik-Coach. Er hat diverse Bücher zum Thema geschrieben, unter anderem „Über die Kunst, ein freundlicher Mensch zu sein“ (Econ Verlag). Er sagt: Freundlichkeit ist, sich wirklich mit seinem Gegenüber auseinanderzusetzen. Etwa, indem man jemandem ein ehrliches Kompliment macht – ohne Hintergedanken, ohne es auf das Aussehen zu beziehen. Es sei eine freundliche Geste, sich zu überlegen, was man an einer Person mag, was sie auszeichnet – und es ihr mitzuteilen. „Die Kunst, aufrichtige Komplimente zu machen, ist nicht wirklich in unserer Kommunikationskultur verankert“, sagt Borbonus. Das könne man also ruhig üben.
■ Richtig Zuhören will gelernt sein
Wer freundlich sein oder werden will, müsse außerdem lernen, zuzuhören. Klingt einfacher, als es ist. Nach Borbonus Erfahrung gibt es zwei Typen von Zuhörern: Jene, die auf das Gesagte ihres Gegenübers unterstützend reagieren und Nachfragen stellen. Und jene, die auf das Gehörte zwar antworten, aber das Gespräch sofort auf sich selbst und ihre Erfahrungen lenken. Das ist nicht besonders freundlich. Borbonus mahnt an, sich zu reflektieren, um Muster zu erkennen. Dann klappe es, eigene Unfreundlichkeiten zu erkennen und zu vermeiden.
„Freundlichkeit ist eine wunderbare Art, Beziehungen zu verbessern“, sagt der Coach. Trotzdem, bedauert er, leben wir in unfreundlichen Zeiten – vor allem, was den Umgang in den Sozialen Medien betrifft. „Leider profitieren viele Menschen von einem unfreundlichen Klima. Durch Hass und Wut kann man Menschen polarisieren und die Stimmung aufheizen – das wird von den politischen Rändern genutzt“.
Am Tag der Freundlichkeit sollte man sich auf die gute Nachricht stürzen: Freundlichkeit ist eine tolle Fähigkeit, die in jedem schlummert und von der wir und unsere Mitmenschen profitieren – psychisch wie physisch. In diesem Sinne wünscht die Redaktion allen Lesern einen besonders freundlichen Tag.