Die Truppenstärke der Bundeswehr liegt bei 183 000. Bis 2035 soll sie um rund 80 000 zunehmen. Die Zahl der Reservisten soll von 50 000 auf 200 000 steigen. © Gambarini/dpa
Wer muss künftig zur Musterung?
Alle volljährig gewordenen Männer, Jahrgang für Jahrgang. 2026 sollen die im Jahr 2008 Geborenen den Anfang machen, die Folgejahrgänge sollen ab 2027 stufenweise drankommen. Eingeladen werden sollen auch Frauen, für die die Musterung aber freiwillig ist. Das Interesse am Wehrdienst wird vorab per Fragebogen ermittelt. Männer müssen ihn ausfüllen, für Frauen ist auch das freiwillig. Insgesamt bekommen rund 700 000 Personen jährlich einen solchen Fragebogen.
Ist eine solche Zahl von Musterungen überhaupt zu stemmen?
Schwierig. Dafür braucht es vor allem Personal wie Ärzte sowie Räume, in denen die Musterungen stattfinden können. Nach der Aussetzung der Wehrpflicht 2011 wurden Kreiswehrersatzämter geschlossen und die ganze Infrastruktur dahinter abgebaut. Fachleute zweifeln daher seit Langem daran, dass eine hohe Zahl von Musterungen schnell erreicht werden kann. Die Bundeswehr müsste also ihre Kapazitäten rasch und erheblich ausbauen.
Was bedeutet die Einigung für Frauen?
Frauen und diversgeschlechtliche Menschen müssen nicht zur Musterung und wären auch von einer Wehrpflicht nicht betroffen. Um wie in Israel und einigen skandinavischen Ländern auch Frauen verpflichten zu können, wäre eine Grundgesetzänderung nötig. Dafür bräuchte es im Bundestag Stimmen der AfD oder der Linkspartei. Deren Zustimmung gilt aber als ausgeschlossen. Frauen, die Wehrdienst leisten wollen, können dies nach einer Musterung aber tun.
Was passiert nach der Musterung?
Für tauglich befundene Kandidaten sollen zum Dienst bei der Bundeswehr ermutigt werden. Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) setzt auf Attraktivität mit einem Bruttogehalt von 2600 Euro, Zuschüssen etwa zum Führerschein und vielfältigen Karriereoptionen. Der neue Wehrdienst sei ein „rundes, attraktives Paket“, sagte Pistorius am Donnerstag. Damit sollen auch ohne Pflicht genug Wehrdienstleistende gefunden werden. Der Dienst wird eine Mindestdauer von sechs Monaten haben, eine Verlängerung auf bis zu 23 Monate ist möglich.
Wie viele Soldatinnen und Soldaten wären nötig?
Genug, um die in der Nato vereinbarten Ziele erfüllen zu können, also bis 2035 etwa 260 000 aktive. Bisher liegt die Zahl bei 183 000. Nötig wären also zehntausende zusätzliche Soldatinnen und Soldaten innerhalb von zehn Jahren. Bis dahin soll es jährliche Zwischenziele geben. 2026 soll die Truppenstärke laut Planung um 20 000 Freiwillige wachsen – bei rund 300 000 zu musternden jungen Männern wäre das einer von 15. Parallel soll die Reserve schnell auf 70 000 bis 80 000 ansteigen, bis 2035 auf 200 000. Aktuell sind es rund 50 000.
Kommt die Wehrpflicht, wenn die Zwischenziele nicht erfüllt werden?
Das ist möglich – diese Entscheidung wurde mit der neuen Einigung aber zunächst vertagt. Experten zweifelten schon lange, dass die Zahlen mit Freiwilligkeit erreicht werden könnten. Auch innerhalb der Koalition war das umstritten. Die Union wollte daher einen Mechanismus hin zu einer Pflichtlösung im Gesetz verankern, die SPD sprach sich auf einem Parteitag klar gegen eine Pflicht aus. Das nun geeinte Gesetz sieht keine Pflicht vor, öffnet aber eine Tür zu einer sogenannten Bedarfswehrpflicht für den Fall, dass die Zahlen nicht erreicht werden. Dafür bräuchte es aber ein neues Gesetzgebungsverfahren im Bundestag, mit dem heftige Debatten einhergehen dürften.
Können Männer auch verweigern?
Ja, das wird aus Gewissensgründen möglich sein. Dann dürften Männer etwa in Krankenhäusern, im Katastrophenschutz oder auch bei der Bundeswehr eingesetzt werden, nicht aber direkt im Dienst an der Waffe. Außerdem soll es Befreiungsgründe geben – etwa für Männer, die bei der Polizei arbeiten oder schon zwei ältere Brüder bei der Bundeswehr haben. Beim Bundesfreiwilligendienst wird die Zahl der Stellen um 15 000 auf 100 000 aufgestockt
Ist das Losverfahren damit vom Tisch?
Erst mal ja. Die Union hatte diesen Zufallsmechanismus zuletzt für den Fall einer Nichterfüllung der Ziele favorisiert, zum Schluss der Beratungen mit der SPD aber nicht mehr darauf gepocht. Das Losverfahren könnte in Zukunft jedoch Bestandteil einer möglichen Pflichtlösung sein. afp/mb