„Ein würdevoller Tod ist für jeden möglich“

von Redaktion

Bayerns Hospiz- und Palliativverband will Todkranken ihre Ängste nehmen – der Vorsitzende Willy Knödlseder hofft auf ein neues Gesetz

München – Willy Knödlseder ist Vorsitzender des bayerischen Hospiz- und Palliativverbandes. Er erklärt, warum er die Möglichkeit zum assistierten Suizid kritisch sieht. Und er betont: Auch Menschen mit starken Schmerzen kann die Palliativmedizin einen würdevollen Tod ermöglichen.

Durch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts ist der Freitod nun ohne Einschränkungen erlaubt. Können der assistierte Suizid und die Palliativ- und Hospizversorgung nebeneinander existieren?

Unser Verband war über das Urteil erstaunt. Im Vordergrund stand dabei der freie Wille, den das Grundgesetz garantiert. Wir möchten schwer kranken Menschen aber aufzeigen, dass es Alternativen zum Suizid gibt. Die moderne Palliativmedizin macht es möglich, auch Menschen mit schweren Symptomen zu helfen. Dazu gehören nicht nur Schmerzen, sondern auch Atemnot oder die psychische Belastung. Auch die Einsamkeit ist für Schwerkranke ein großes Thema. Aus unserer Sicht wäre ein Suizid-Präventionsgesetz sehr wichtig, es würde einen Ausbau der Hospiz- und Palliativversorgung bedeuten. Bisher ist es nicht durch den Bundestag gekommen.

Woran scheitert es?

Bisher waren immer andere Themen drängender. Dann war das Gesetz eigentlich fertig und die Koalition ist geplatzt. Nun muss die neue Bundesregierung von vorne anfangen. Natürlich geht es auch um finanzielle Fragen, die Kassen haben kein Geld. Aber es dürfen bei Schwerkranken am Lebensende keine Abstriche gemacht werden, die Würde muss bis zuletzt gewahrt werden.

Tod und Sterben waren lang Tabuthemen. Hat das Gerichtsurteil daran etwas geändert?

Der assistierte Suizid wird seitdem stark diskutiert. Das hat schon etwas verändert. Wir versuchen, das Sterben als Teil des Lebens darzustellen. Der Tod betrifft schließlich jeden – und nicht nur alte Menschen. Wie geht man damit um? Wo bekommt man Hilfe? Damit beschäftigen sich nun mehr Menschen. Viele Menschen, die Mitglied in einem Sterbehilfeverein sind, sagen uns, letztlich geht es ihnen um Selbstbestimmtheit. Sie wollen die Wahl haben. Es gibt aber auch viele, die sich anders entscheiden, wenn sie merken, was die Palliativmedizin heutzutage kann.

Wie sehr kann sie bei starken Schmerzen helfen? Ist ein würdevoller Tod wirklich für jeden möglich?

Ja, es gibt viele Möglichkeiten, bis hin zur palliativen Sedierung. Damit versetzt man einen Menschen in einen zeitlich begrenzten Tiefschlaf, um ihm Schmerzen zu ersparen. Wir können Schwerstkranke wirklich gut unterstützen.

Erkundigen sich bei Ihnen seit 2020 mehr Menschen nach den Möglichkeiten, sich das Leben zu nehmen?

Nein. Die Zahl ist nicht massiv angestiegen. Natürlich haben die Sterbehilfevereine heute mehr Mitglieder. Früher sind mehr Menschen für das Sterben in die Schweiz gefahren. Ich hoffe, dass es auch wegen unserer guten Aufklärung und dem niedrigschwelligen Beratungsangebot keinen massiven Anstieg gegeben hat. Vor allem ist uns wichtig, dass nicht von außen Druck auf Menschen ausgeübt wird. Dass sich Senioren für den assistierten Suizid entscheiden, weil sie Angst haben, eine Belastung für ihre Familie zu sein oder dass das Erbe für die Pflege draufgeht.

Der freie Wille ist eine Voraussetzung für den assistierten Suizid. Ist er wirklich zweifelsfrei feststellbar?

Die Beratungsgespräche der Sterbehilfevereine sind sehr intensiv. Nicht jeder wird aufgenommen, Menschen mit psychischen Erkrankungen zum Beispiel nicht. Ich glaube schon, dass sehr genau hingeschaut wird. Aber zu 100 Prozent prüfen kann man den freien Willen nicht.

Wie gehen Sie damit um, wenn ein Patient den Wunsch äußert, sich das Leben zu nehmen?

Das steht ihm frei. Hospizvereine brechen die Begleitung dann nicht ab, aber wir beraten auch nicht aktiv zum assistierten Suizid. Wir möchten, dass Menschen bis zuletzt eine Wahlmöglichkeit haben und über die Alternativen informiert sind. Wir versuchen, ihnen die Angst vor dem Sterben oder vor Schmerzen zu nehmen.

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