Der Bayer und die Prinzessin von Wales: Sebastian Roloff (li.) plaudert mit Kate, daneben Bundespräsident Steinmeier, König Charles und Außenminister Wadephul. © Carlos Jasso/AFP
Claudia Schiffer spricht mit Bundesaußenminister Johann Wadephul. © Chown/dpa
Allein fünf Gläser hat jeder Gast – und jedes hat seine Funktion. © Aaron Chown/AFP
45 Meter Perfektion: Die mächtige Tafel im Schloss Windsor einzudecken, ist eine Herausforderung. Vor jedem Bankett wird der Tisch auf Hochglanz gewienert. © Von Jutrczenka/dpa
Hoher Besuch im Königshaus: Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und seine Gattin Elke Büdenbender (li.) mit König Charles III. und Königin Camilla auf dem Weg in den Festsaal. © Carlos Jasso/AFP
Windsor – Britisches Understatement sieht eigentlich nicht so aus wie die Nordmanntanne am Kopfende der St. George’s Hall. 20 Fuß hoch ist der Weihnachtsbaum im Festsaal des Schlosses Windsor, mehr als sechs Meter. Da passt eine Menge Schmuck dran, die Tanne ist ein Fest in Gold, die größte Kugel so groß wie ein Medizinball. Auch 15 000 Lampen seien am Baum, informiert ein Palastoffizieller. „Die Queen stand vorhin noch auf der Leiter“, sagt er im Scherz.
Es ist knapp zwei Stunden vor dem Staatsbankett zu Ehren von Frank-Walter Steinmeier, der als erster Bundespräsident seit 27 Jahren in Windsor zu Gast ist. Während der Reden von König Charles III. und Steinmeier soll nichts nach außen dringen. Um trotzdem etwas zu bieten, lädt der Hof vorher zur Begehung des Festsaals, zum „State Banquet table preview“. Elektronische Geräte sind verboten, Selfies sowieso, nichts auf der langen Tafel darf berührt werden.
Schloss Windsor ist nicht einfach nur die Residenz des britischen Monarchen, die Royals sind nicht einfach nur eine königliche Familie. Die stoische Queen, der ewige Kronprinz und späte König Charles, das schwarze Schaf Harry, die hinreißende Kate, der verstoßene Andrew – die Familie schreibt bessere Geschichten als jede Seifenoper. Der beispiellose Pomp ist hier ganz normal, der Skandal stets süffiger als in jedem anderen Palast. Nicht jeder mag das, aber jeder schaut hin.
Am Mittag treffen Charles, Königin Camilla und ihre Gäste mit der Kutsche im gewaltigen Innenhof ein, Minuten zuvor wurde der komplette Kiesweg noch einmal geharkt. Ein Zeremonienmeister schreitet das Musikkorps ab, das in elf Reihen zentimetergenau nebeneinander ausgerichtet ist. Unordnung gibt es hier nicht. Am Abend ist die Choreografie noch perfekter. 152 Gäste – das bedeutet 760 Gläser auf dem Tisch, fünf für jeden. Eines für Wasser, zwei für Wein, eins zum Dessert – und eins nur zum Anstoßen, wenn ein Toast gesprochen wird. Serviert werden Törtchen von geräucherter Forelle mit Wachteleiern, Rebhuhn im Blätterteig, dazu Chateau La Fleur-Pétrus aus dem Jahr 1995. In diesem Jahr haben Steinmeier und Elke Büdenbender geheiratet. Der Hof achtet auf so etwas. Und darauf, dass sich das herumspricht.
Im Palast weist man darauf hin, dass Steinmeiers Reise schon der dritte Staatsbesuch in diesem Jahr ist nach den Präsidenten von Frankreich und den USA. Dermaßen dicht gedrängt sei das Programm zuletzt 1988 gewesen. Ganz freiwillig waren die Royals allerdings nicht so gastfreundlich. Der Besuch von Donald Trump im Sommer war ein Fall von Staatsräson. Die Einladung sollte den Präsidenten milde stimmen. Eine Fehleinschätzung, wie man heute weiß, und auch sonst lief der Besuch nicht ganz rund. Dass Melania Trump beim Bankett ein knallgelbes, schulterfreies Kleid wählte, wurde von Beobachtern als empfindlicher Verstoß gegen die Etikette bewertet. Bei Steinmeiers Gattin Elke Büdenbender fällt hingegen nicht weiter auf, dass sie in der Kutsche keinen Hut trägt, anders als Camilla und Kate.
Die wuchtige Tafel im Festsaal besteht aus 13 Elementen mit einer Gesamtlänge von 45 Metern. Als der Hof den Tisch im Jahr 1846 bei der Firma Dowbiggin & Son im Londoner Stadtteil Mayfair in Auftrag gab, betrug der Preis 378 Pfund und 14 Schilling. Eine lohnende Anschaffung, das Mobiliar sieht heute noch aus wie neu. Vor jedem Bankett steigt ein Bediensteter auf den Tisch und wienert die Oberfläche, bis sie so glänzt, dass sich die Decke der St. George’s Hall darin spiegelt. Der Saal mit seinen 55,5 Metern Länge wirkt fast so imposant wie die Sixtinische Kapelle im Vatikan. Nur dass an der Decke nicht die weltberühmten Malereien von Michelangelo zu sehen sind, sondern die Wappen sämtlicher Mitglieder des Hosenbandordens seit 1348, immerhin der älteste und bedeutendste Ritterorden des Königreichs.
Aber wer schaut an so einem Abend, in so einer Gesellschaft schon nach oben? Die Runde ist erlesen – und die deutsche Delegation genießt Bestplatzierung. Außenminister Johann Wadephul hat den König zu seiner Rechten, links von ihm sitzt laut Tischkärtchen „Lady Vaughn“, besser bekannt als Claudia Schiffer. Den Titel trägt das Topmodel (55), seit ihr Ehemann, der britische Filmemacher Matthew Vaughn (54), vergangenes Jahr zum Ritter geschlagen wurde. Der Kinderbuchautor Axel Scheffler („Der Grüffelo“) ist eingeladen, die Geigerin Anne-Sophie Mutter, Lords und Ladys, ranghohe Politiker. Genau gegenüber von Charles ist Elke Büdenbender platziert, allerdings kann er sie kaum sehen. Vor ihm steht ein mächtiger Tischschmuck, der den Nationalheiligen George zeigt, wie er gerade einen Drachen ersticht. Solange die Kameras laufen, rühmt der König die Ingenieurskunst der Deutschen, die tollen Autos.
Besonders glücklich war Bayerns SPD-Chef Sebastian Roloff, der als Vorsitzender der deutsch-britischen Parlamentariergruppe mit auf Schloss Windsor war. Mittags speiste er neben der Königin, abends hatte er Prinzessin Kate als Tischnachbarin. Die Royals zu treffen, sei schon etwas Besonderes, sagte er unserer Zeitung „Mit einer Königin zu reden, das setzt einen ja schon unter Druck.“ Die Gespräche seien aber entspannt gewesen. „Erst haben wir nur über Unverfängliches wie das Wetter und Sport geredet, aber dann auch über Ernsteres wie die Populisten, die überall in Europa stärker werden“, erzählt Roloff. Das Gespräch mit Kate verlief derart angenehm, dass sie nach dem zweistündigen Essen Roloff beim anschließenden Stehempfang noch ihren Gatten Prinz William vorstellte. „Der Prinz“, erzählte Roloff, „ist Präsident der Football Association und großer Aston-Villa-Fan – er wollte von mir alles über Harry Kane in München wissen.“