Gefährlicher Trend: Die Tabelle zeigt, wie die Zahl der Demenz-Erkrankungen in verschiedenen Städten und Landkreisen steigen wird.
Brennpunkt Gehirn: Demenz entsteht, wenn Nervenzellen im Gehirn absterben. © Smarterpix
Einsamkeit im Alter: Davon sind viele Senioren betroffen. Doch Einsamkeit ist nicht nur eine leidvolle Empfindung, sie kann auch das Risiko für Demenz erhöhen. © smarterpix, Hartmann
Die Zahl der Demenzerkrankungen wird in den kommenden Jahren durch den positiven Effekt, dass wir alle älter werden, drastisch steigen. Denn Alter ist das Hauptrisiko für Alzheimer. „Unser Gehirn ist ein sozialer Muskel. Wenn er nicht benutzt wird, verfällt er“, sagt Dr. Jens Benninghoff, Chefarzt des Zentrums für Altersmedizin und Entwicklungsstörungen am kbo-Klinikum München-Ost. Hat ein Mensch keinerlei soziale Beziehungen mehr und entwickelt ungesunde Lebensgewohnheiten, kann das laut Experten zu Herz-Kreislauf-Problemen, Bluthochdruck oder Diabetes führen.
„Anhaltende Einsamkeit führt auch zu erhöhtem Stress und innerer Unruhe sowie zu negativen Gedankenmustern nach dem Motto ,Niemand interessiert sich für mich‘“, erklärt der Sprecher der Europäischen Gerontopsychiater weiter. „Einsamkeit mit einhergehender Depression kann das Risiko, dement zu werden, deutlich erhöhen.“
Drei Formen
Demenz (aus dem Lateinischen „Weg vom Geist“ oder „ohne Geist“) entsteht, wenn Nervenzellen im Gehirn absterben, meist verursacht durch krankhafte Eiweißablagerungen oder Durchblutungsstörungen. Drei wesentliche Demenz-Formen gibt es: Zwischen 60 und 70 Prozent der Erkrankten haben Alzheimer, die vaskuläre Demenz macht 20 Prozent aus. Selten (3 bis 9 Prozent) tritt die frontotemporale Demenz auf, an der US-Star Bruce Willis leidet. Daneben gibt es Mischformen und mit Parkinson in Verbindung stehende Demenzen.
Anstieg der Fälle
Aufgrund der steigenden Lebenserwartung werden Demenz-Erkrankungen erheblich zunehmen, wie Studien zeigen. In der Stadt Rosenheim soll, wie die Tabelle zeigt, die Zahl der Erkrankungen bis 2032 auf 1600 Fälle steigen, im Landkreis Rosenheim auf 7600 Fälle. „In den Landkreisen gibt es häufig weniger Zuzug als in der Stadt, das Durchschnittsalter der Bevölkerung ist höher“, erklärt Dr. Benninghoff. Mit dem demografischen Wandel steigt auch die Gefahr der Einsamkeit. Dr. Benninghoff unterscheidet zwischen der emotionalen Einsamkeit, die durch den Verlust oder das Fehlen einer engen Bindung entsteht. „Typisch nach einer Trennung oder dem Tod des Partners.“ Der Stress, den dieser Verlust mit sich bringt, kann auch zu einer plötzlich auftretenden Herzmuskelschwäche, dem Broken-Heart-Syndrom führen, wie die Deutsche Herzstiftung mitteilt.
Bei der sozialen Einsamkeit fehlt die Einbindung in ein soziales Netzwerk. Dr. Benninghoff: „Dazu kann es kommen, wenn man in Rente geht oder umzieht.“ Auch die finanzielle Situation spielt eine Rolle: Laut Malteser Hilfsdienst sind mehr als vier Millionen Menschen ab 65 Jahren in Deutschland von Altersarmut betroffen, was Freizeitaktivitäten oft erschwert.
Einsamkeit kann im Alltag dramatische Folgen haben: „Bei großer Hitze bleiben gerade Senioren zu Hause. Wenn sich niemand kümmert, ist die Gefahr, zu dehydrieren, groß.“ Mit der Einsamkeit werden auch die Mitarbeiter seiner Klinik immer öfter konfrontiert: „Liegt ein Patient palliativ auf Station, fragen wir, ob es Angehörige gibt. Das ist immer häufiger nicht der Fall. Wir versuchen dennoch, einen Abschied in Würde zu ermöglichen.“
Vorbeugen
Was kann man tun gegen die Einsamkeit? „Wichtig ist, dass man sich eine Aufgabe sucht oder ein Hobby neu aufleben lässt“, erklärt der Gehirnexperte (Tipps unten). „Es sollte zum Beispiel mehr Generationenspielplätze geben, auf denen Kinder und ältere Menschen zusammenkommen können.“ Extra für Demenz-Erkrankte gibt es im kbo-Klinikum München-Ost einen Chor. „Menschen mit Demenz erinnern sich gut an die Musik ihrer Jugend. Im Chor zusammen zu singen, macht mehr Spaß“, sagt Dr. Benninghoff. „Man ist nicht mehr einsam, sondern Teil einer Gemeinschaft.“