Markus Söder im Interview mit (vl.) Christian Deutschländer, Georg Anastasiadis und Mike Schier. Hinten: Regierungssprecher Wolfgang Wittl.
„Kooperationen mit der AfD? Das würde die Union zerreißen“, sagt Markus Söder im Interview. © Marcus Schlaf
Stimmungstest für Markus Söder: Morgen beginnt der CSU-Parteitag – Grundsatzrede, Wiederwahl, Merz-Besuch in München. Das zweitägige Treffen in der Messe fällt in aufgeregte Zeiten. Die Regierung in Berlin ruckelt, in Bayern begleiten Sparbeschlüsse den ausgeglichenen Haushalt. Wir haben uns vorab mit Parteichef und Ministerpräsident zum ausführlichen Interview getroffen.
Die Koalition im Bund schlingert, die Umfragen sind mau. Was muss in Berlin besser werden? Und wer muss besser werden?
Wir leben in aufgeregten Zeiten, und es wird international noch stürmischer. Klar, die Umfragen sind nicht befriedigend. Wir müssen weiter liefern und in Berlin das Tempo noch beschleunigen. Und es schadet sicher nicht, wenn die Koalitionspartner weniger öffentlich diskutieren. Für die CSU habe ich versucht, den Stil dieser Lage anzupassen. Früher war es Standard und Folklore, dass der CSU-Vorsitzende mit großen Ankündigungen nach Berlin fährt. Meine Strategie ist eine andere: Statt im Vorfeld viele Forderungen in Interviews zu stellen, bringe ich lieber klare Beschlüsse wie bei der Abschaffung des Bürgergelds und dem Aus vom Verbrenner-Aus mit.
Wie sehen Sie Ihre Rolle in Berlin? Aufsichtsratschef? Sozi-Besänftiger? Ersatzkanzler?
Wir sind maximal konstruktiv in ernsthaften Zeiten. Dazu leiste ich meinen Beitrag: Natürlich wollen wir Bayerns Interessen und bürgerliche Politik durchsetzen, aber in der Koalition einen Stil pflegen, der Ergebnisse bringt und nicht Lager verhärtet. Keine Kumpanei, dafür offenes Visier – aber am Ende so, dass alle Partner beisammen bleiben.
Reicht das, um die CSU zufriedenzustellen?
Die Strategie dieses Jahres hat sich für Bayern und die CSU ausgezahlt. Wir haben alle wesentlichen Ziele erreicht. Wir haben in Berlin die richtigen Ministerien besetzt – Migration, Hightech, Landwirtschaft. Und wir haben inhaltlich genau unsere Forderungen durchgesetzt: Migration, Steuersenkung, Aus vom Verbrenner-Aus, Mütterrente, Gastrosteuer, Pendlerpauschale, Bürgergeld- und hoffentlich bald Heizgesetz-Aus. Dazu 15 Milliarden Euro Sonderinvestitionsmittel nur für Bayern. Arbeiten muss man aber am Gesamterscheinungsbild der Koalition.
Teil des Problems ist die Kanzler-Kommunikation. Schlecht bei der JU, zu wenig Gespräche in der Fraktion, Flapsiges vor Kameras. Braucht er bessere Berater? Oder mehr Rat von Ihnen?
Friedrich Merz und ich sind regelmäßig im Austausch. Ich schätze ihn sehr. Wir sprechen direkt miteinander und nicht über die Zeitung. Es ist ein Segen für unser Land, dass der Kanzler bei Donald Trump als einziger Europäer den richtigen Ton trifft. Nur er hat Deutschland wieder zu einem Leader in Europa gemacht.
Das Raunen über einen Koalitionsbruch gefällt Ihnen nicht?
Jede Alternative zu dieser Koalition ist eindeutig schlechter. Eine Allparteien-Regierung würde sich gegenseitig blockieren. Und eine Minderheitsregierung ist die Vorstufe zur AfD-Machtübernahme. Ich bin nicht bereit, Radikalen das Land zu überlassen.
Auch die SPD hat für Unruhe gesorgt. Die Jusos fordern, den Bürgergeld-Beschluss zu korrigieren. Sind Sie gesprächsbereit?
Das Aus des Bürgergelds ist beschlossen. Dabei bleibt es.
Dazu kamen die „Kampf“-Sätze von Bärbel Bas gegenüber den Arbeitgebern. Raten Sie ihr zu einer Entschuldigung?
Es wäre wichtig, dass die SPD ihr Verhältnis zur Wirtschaft wieder entkrampft. So wie wir als CSU auch ein ordentliches Verhältnis zu den Gewerkschaften pflegen – kein Honeymoon, aber konstruktive Gespräche. Die ökonomischen Probleme werden wir nicht mit Klassenkampf-Rhetorik lösen. Ich schlage vor: Wir brauchen ein großes Bündnis für Wirtschaft und Arbeit – mit Arbeitgebern, Gewerkschaften und Politik. So wie wir es in Bayern machen. Wir müssen in kurzer Zeit die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands dramatisch erhöhen und die Sozialgesetze verändern, um den Standort Deutschland zu sichern. Wenn es uns im nächsten Jahr gelingt, die Senkung der Unternehmensteuer vorzuziehen, Energiepreise zu senken und Bürokratie massiv abzubauen, würden wir unserer Wirtschaft einen echten Schub geben. Außerdem müssen wir Übersubventionierungen von nicht zukunftsfähigen Branchen beenden.
Welche denn?
Von Otto Wiesheu habe ich gelernt: Man wirft nicht frisches Geld alten Ideen hinterher. Ein Beispiel: Wir haben viele Startups, die einen höheren Marktwert haben als etwa ThyssenKrupp. Wir müssen auf moderne Technologie setzen, alles andere hat keine Chance.
Was Sie nicht durchgesetzt haben: die Rückkehr zur Kernenergie. Abgehakt?
Es ist ein Privileg der Journalisten, das Haar in der Suppe zu suchen (lacht). Der Wiedereinstieg in die Kernenergie war mit diesem Koalitionspartner nicht zu machen. Aber wir haben die Bundesmittel zur Kernfusion-Forschung massiv erhöht. Wir wollen den ersten Demonstrationsreaktor für Kernfusion nach Bayern holen. Wir dürfen diese Zukunftsfelder nicht anderen Nationen überlassen.
Sie haben viele in Bayern, auch uns, mit dem ausgeglichenen Haushalt überrascht. Ist das die Ansage an alle Kollegen: Schluss mit der Schuldenorgie?
Eine Aufweichung der Schuldenbremse ist der falsche Weg. Der Staat hat genug Schulden gemacht. Wir müssen verstärkt sparen. Wir in Bayern tun das. Wir halten einen ausgeglichenen Haushalt, auch wenn das Einschränkungen bedeutet. Aber das ist verantwortungsvolle und generationengerechte Politik. Das erwarten wir jetzt besonders auch von Ländern, die vom Länderfinanzausgleich leben.
Das kommt nicht überall an. Das Land Berlin etwa will Bäume pflanzen für eine Milliarde. Dafür ist Geld da…
…oder für fast 25 Staatssekretäre. Natürlich ist das höchst ärgerlich. Unser Geld nehmen die anderen gerne, aber sobald ich sage, wie unfair der Länderfinanzausgleich geworden ist, schauen alle Ministerpräsidenten weg oder müssen plötzlich schnell zum Händewaschen. Deshalb läuft unsere Klage weiter – und wir werden 2030 den Finanzausgleich kündigen.
Sie streichen in Bayern das Familiengeld. Bei der Entscheidung bleiben Sie?
Ja. Das war eine schwierige, aber notwendige Entscheidung. Denn die Träger und Kommunen sind durch die hohen Betriebskosten am Limit. Uns ist nicht geholfen, wenn Kita-Plätze wegfallen und Eltern deshalb nicht mehr arbeiten können. Daher bringen wir uns als Freistaat finanziell massiv ein.
Freitagabend ist Ihre Wiederwahl. 96 Prozent letztes Mal, unter 90 Prozent in 2021 – wo liegt die Messlatte?
Es gibt keine Messlatte. 2023 ist schwer vergleichbar, das war direkt vor der Landtagswahl. Ich hoffe auf Rückendeckung für alle in unserem wirklich guten CSU-Team.
Anspannung?
Jeder CSU-Vorsitzende hat besonderen Respekt vor zwei Terminen im Jahr: Aschermittwoch in Passau und Parteitag. Aber ich mag beides.
Das Murren der Jungen Union neulich hat gezeigt: Es gibt doch wieder welche, die dem Söder was Kritisches ins Gesicht sagen. Gut so?
Ich nehme jede Kritik auf, kümmere mich um jedes Detail, bin intensiv an der Basis unterwegs. Die Rentendebatte hat uns allen gezeigt, wie wichtig dieses Anliegen für die Jüngeren in der Partei ist. Diese Sorgen nehmen wir ernst. Der ausgeglichene Haushalt ist ein wuchtiges Signal an die Jugend.
Viele Kommunalpolitiker fragen sich: Hey, was sollen wir machen, falls es bei uns lokal eine Mehrheit CSU mit AfD gibt? Erklären Sie uns konkret: Wie funktioniert die Brandmauer dann?
Unsere klare Linie: keine Kooperationen mit der AfD. Das würde die Union zerreißen. Denken Sie zurück an den Migrations-Antrag im Bundestag, der nur mit AfD-Stimmen durchkam – das hat uns Bürgerliche fast gespalten und linke Gruppen geeint.
„Ich werde arbeiten ziemlich bis zum Umfallen“, sagten Sie neulich. War das eine Kampfansage an alle, die sich vielleicht Hoffnungen machen?
Die Hoffnung vieler Menschen in Bayern ist, dass es in unruhigen Zeiten stabil und geordnet weitergeht. Das unterscheidet uns von anderen Ländern: Wir haben einen klaren Kurs, den wollen wir fortsetzen. Und so oft, wie mich Parteifreunde in ganz Deutschland um Auftritte bei ihnen bitten, scheine ich ein willkommener Gast zu sein.
An der Kandidatur 2028 führt kein Weg vorbei?
Wenn die Partei das will – sehr gerne.
Sie halten ja gern die Spannung hoch. Gibt‘s eine Kabinettsumbildung vor der Landtagswahl?
Unwahrscheinlich. Wir sind ein super Team mit großem Zusammenhalt.