Jugendschutz für Online-Plattformen ist EU-Sache

von Redaktion

Medienrechtler Stephan Dreyer hält nationalen Alleingang juristisch für schwierig – Sozialverband Deutschland ist gegen Verbote

München – Braucht es eine Altersbeschränkung von Social-Media-Plattformen, um unsere Kinder zu schützen? Die Debatte läuft spätestens seit Juni, als Bundesbildungsministerin Karin Prien (CDU) so ein Gesetz gefordert hat. Das Mindestalter könne „bei 14 oder 16 liegen, darüber werden wir sprechen müssen“, sagte sie. Auf Bundesebene sprachen sich Digitalminister Karsten Wildberger (CDU), Justizministerin Stefanie Hubig (SPD) und Unions-Fraktionschef Jens Spahn bereits für ein Mindestalter aus. Hendrik Streeck (CDU), Sucht- und Drogenbeauftragter des Bundes, forderte „strikt abgestufte Altersvorgaben für Soziale Medien“, um den hohen Medienkonsum junger Menschen begrenzen zu können.

Auf EU-Ebene gibt es Bewegung. Das Europäische Parlament hat Ende November mit deutlicher Mehrheit eine Resolution zu Online-Gefahren für Kinder verabschiedet und ein EU-weites Mindestalter von 16 für den Zugang zu Sozialen Medien gefordert (wir berichteten). Jugendliche zwischen 13 und 16 sollen die Dienste nur mit Zustimmung der Eltern nutzen dürfen, jüngere gar nicht. „Eure Dienste sind nicht für Kinder gemacht. Und dieses Experiment endet hier“, sagte Christel Schaldemose von den dänischen Sozialdemokraten. Unterstützt wird auch die Entwicklung einer EU-weiten App zur Altersüberprüfung.

Dass die EU aktiv wird, ist laut Stephan Dreyer, Medienrechtler beim Leibniz-Institut in Hamburg unumgänglich. „Der Jugendschutz auf Online-Plattformen ist voll auf EU-Ebene geregelt. Das bedeutet, dass einzelne Staaten keine eigenen Regelungen treffen können“, sagte er unserer Zeitung. In der Vergangenheit hatte es Vorstöße von Frankreich, Belgien und Dänemark gegeben. „Wenn Deutschland sich einer solchen länderübergreifenden Initiative anschließt und auch für eine Altersbeschränkung wirbt, wird eine gesetzliche Regelung durchaus realistischer.“

Der jetzige EU-Plan deckt sich zum Teil mit einem Papier der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina. Auch die Wissenschaftler empfehlen ein Social-Media-Verbot für unter 13-Jährige. Für 13- bis 17-Jährige schlagen sie unter anderem ein Verbot personalisierter Werbung vor. Außerdem setzen sie für die Alterskontrolle auf eine EU-Lösung, eine Art digitalen Pass.

Einen Vorstoß wagt Australien. Seit vergangenem Mittwoch verwehrt ein Gesetz unter 16-Jährigen den Zugang zu TikTok, Instagram und Co. Für ein ähnliches Vorgehen in der EU sieht Dreyer jedoch Hürden. „Pauschale Verbote dürften juristisch schwer umsetzbar sein. Denn im Gegensatz zu Alkohol und Zigaretten handelt es sich hier um Informationsdienste, die auch eine positive Funktion haben können: Kontakt mit Gleichaltrigen, kreative Produktion von eigenen Inhalten.“ Technisch möglich sei eine altersgemäße Gestaltung: manche Inhalte erst ab einem gewissen Alter, Zugang nur zu bestimmten Uhrzeiten, Beschränkungen der Nutzungsdauer.

Der Sozialverband Deutschland ist gegen Verbote. „Ein Mindestalter mag sinnvoll klingen, ist aber kein respektvoller Umgang mit Jugendlichen“, sagte die Vorsitzende Michaela Engelmeier dem RND. Stattdessen brauche es Vorbilder für gesunden Konsum sowie Medienbildung an Schulen. Der Präsident des Deutschen Lehrerverbands, Stefan Düll, bezweifelt die Durchschlagskraft eines Verbots für Jugendliche: „Der Staat bringt es seit Jahren nicht fertig, sicherzustellen, dass Nutzer von Pornoplattformen mindestens 18 Jahre alt sind. Also erwarte ich auch nicht, dass er in der Lage ist, ein Social-Media-Verbot bis 14 oder 16 umzusetzen.“L. SCHERFIG

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