Totgesagte schweben länger

von Redaktion

Testfahrt in Chengdu: Markus Söder probierte die Technik 2024 bei seiner letzten China-Reise aus. Links: Firmenchef: Stefan Bögl.

Er gibt nicht auf: Bert Zamzow ist weiter von der Technologie überzeugt. © Mederer/Bögl

„Überlegene Technik allein reicht nicht“: Die Magnetschwebebahn könnte im Nahverkehr zum Einsatz kommen. © Bögl

Greißelbach – Es riecht nach herbstlichem Laub in der Oberpfalz. Der Ludwig-Donau-Main-Kanal liegt träge neben der B299. An den Hängen vor allem Kiefern, dazwischen einige bunte Buchen und Erlen. Man fährt weiter. Dann tauchen rechts Güterzugwagen mit Betonteilen für den Brennerbasistunnel auf, links der Baggersee. Davor: eine aufgeständerte Betonstrecke, auf der jetzt die Zukunft des Nahverkehrs heranschwebt. Jedenfalls, wenn es nach Bert Zamzow geht.

Offiziell ist er beim Bauunternehmen Max Bögl der Chef für TSB, das Transportsystem Max Bögl, mit dem die Bayern den Nahverkehr in Deutschland und gern auch der Welt aufmischen wollen. Das Besondere ist die Technologie dahinter. Das Fahrzeug fährt kontaktlos, hochgehalten und bewegt nur durch Magneten. Und deswegen ist Zamzow inoffiziell der Herr der Magnetschwebebahn in Deutschland, einer der letzten seiner Art. Aber er wirkt überhaupt nicht so, als sei seine Technologie am Ende.

Zamzow steigt neben der Wartungshalle in den zweiteiligen Zug, der innen grau und modern aussieht. Könnte so sofort in jeder deutschen Großstadt fahren. Warnendes Piepen, Tür zu, das Fahrzeug setzt sich etwas ruckelnd in Bewegung, beschleunigt und legt sich in die erste Kurve, immer sieben Millimeter über der Stromschiene links und rechts im Betonfahrweg.

Bei Magnetschwebebahn denken sehr viele Deutsche an den Transrapid (siehe unten). Die Idee zur Technologie ist mehr als 100 Jahre alt. ThyssenKrupp und Siemens trieben den Bau in den 80er und 90ern voran. Auch Max Bögl war beteiligt. In Lathen im Emsland testeten sie das Fahrzeug, bis es 2006 zu einem tödlichen Unfall kam. 2009 war dann endgültig Schluss – zu teuer, nicht zu verkaufen. Der Transrapid gilt seitdem als Beispiel für hervorragende deutsche Technik, die komplett am Markt vorbeiging.

Die Ingenieure bei Max Bögl hat die Technologie nicht losgelassen. Seit 2010 arbeiten sie daran, sie zu verbessern. „Wir wollten nicht den Transrapid nachbauen, sondern haben uns auf Nahverkehr konzentriert. Dort kommt es wegen der Fördermechanismen besonders auf attraktive Kosten an“, sagt Zamzow, während die Bahn am Ende der Strecke stoppt. „Niemand kauft eine Magnetschwebebahn allein um der Magnetschwebebahn willen.“ Beim Fernverkehrssystem Transrapid sei es immer um schneller und weiter gegangen. Dadurch sei es immer teurer geworden.

„Wir bei Max Bögl sind da pragmatisch und haben während der Entwicklung stets die Investitionskosten klassischer Systeme im Blick gehabt und diese auch erreicht.“ Günstig bauen, bedeutet das, um wettbewerbsfähig zu sein. „Beim Transrapid ist der Motor im Fahrweg eingebaut, was teuer ist“, erklärt Zamzow. „Wir haben den Motor im Zug, wodurch besonders die Infrastruktur einfacher und kostengünstig wird.“ Zudem sei alles komplett modular aufgebaut, die nötigen Teile für den Fahrweg könne Max Bögl günstig in großer Stückzahl industriell herstellen. Vor Ort wird dann nur noch zusammengesetzt.

Die Baukosten gibt der TSB-Chef mit 20 bis 30 Millionen Euro je Kilometer an. Zum Vergleich: Die Verlängerung der bestehenden Straßenbahn M10 in Berlin kostete 2023 rund 15 Millionen Euro pro Kilometer. Die zweiteiligen Bögl-Fahrzeuge sind 2,85 Meter breit, 3,2 Meter hoch und etwa 50 Meter lang. Sie können bis zu 254 Personen befördern. Es gibt auch eine Variante für Containertransport. „TSB ist im Prinzip ein Baukasten“, sagt Zamzow, während das Fahrzeug wieder anfährt.

800 Meter lang ist die Strecke in Greißelbach, scharfe Kurven und zehn Prozent Steigung sind eingebaut, was normale Straßenbahnen nicht schaffen würden. Tempo 80 fahren sie hier, ferngesteuert aus einer Leitzentrale im Modulbürobau Marke Max Bögl neben der Wartungshalle. Höchstgeschwindigkeit ist 150. Das TSB kann aber auch schneller. Auf den 3,5 Kilometern der zweiten Teststrecke des Unternehmens im zentralchinesischen Chengdu schafften sie schon Tempo 181. Nichts im Vergleich zu den mehr als 400 Kilometern pro Stunde, die der Transrapid erreichte. Aber darum geht es ja auch nicht.

Die Firma heißt nach Max Bögl, der 1929 eine Maurerfirma mit einer Sandgrube, dem heutigen Baggersee, startete. Inzwischen hat sie sich zum Technologiekonzern mit mehr als 7000 Mitarbeitern, 40 Standorten weltweit und 2,6 Milliarden Euro Umsatz gewandelt. Die Oberpfälzer sind Spezialisten für Beton- und Stahlteile, die sie industriell in Serie fertigen. Das Unternehmen liefert die Betonsegmente für den Brennerbasistunnel, baut mit am Fehmarnbelttunnel unter der Ostsee zwischen Dänemark und Deutschland, fertigt Brücken etwa für die Bahnschnellstrecke Ulm–Stuttgart, besondere Gleise, Modulgebäude und Windkraftanlagen.

Und eben die Magnetschwebebahn. Zamzow steht gerade auf freier Strecke und versucht, gegen den Lärm der Bundesstraße hinter ihm etwas zu erklären. Die Bahn schwebt heran und ist auch schon wieder vorbei. Man spürt eher den Luftzug, als dass man sie hört. Dann fängt es an zu nieseln, also schnell einsteigen. „Ob es nass ist, Laub auf dem Fahrweg liegt oder Schnee, ist egal“, sagt der TSB-Chef. Und da ist schon wieder die Endstation an der Wartungshalle.

Trotz schlauen Konzepten, geringen Kosten und wenig Verschleiß hat Max Bögl bisher kein einziges TSB verkauft. Das Ende des Transrapid wiegt offenbar schwer. Auch, dass die einzige kommerzielle Strecke in Shanghai zum Flughafen nicht verlängert wurde. Wenn schon die Chinesen nicht investieren, wer dann? „Überlegene Technik allein reicht nicht, wir müssen sie auch bekannt machen“, sagt Zamzow. „Denn viele Menschen glauben, die Magnetschwebebahn sei tot.“

Möglicherweise haben sie hier in Greißelbach aber auch richtig gelegen, einen niedrigen dreistelligen Millionenbetrag zu investieren, durchzuhalten. Zumindest in Deutschland denken mehrere Städte und Gemeinden über Magnetschwebebahnen nach. Im nahen Nürnberg etwa, in Augsburg, in Hamburg. Auch in Baden-Württemberg könnte das TSB gebaut werden. Zwischen Herrenberg und Nagold sind normale Züge wegen engen Täler kaum einsetzbar. Zum Teil wird an Machbarkeitsstudien gearbeitet. Im November erteilte das Eisenbahn-Bundesamt dem Unternehmen als erstem in Europa die behördliche Genehmigung zum Betrieb.

„Der Bedarf im Nahverkehr ist hoch. Überall soll ausgebaut werden“, sagt Zamzow. „Wir wollen nicht bestehende Systeme ersetzen, sondern ergänzen.“ Ein Problem allerdings könnte das Tempo der öffentlichen Verwaltung sein. „Wir müssen die Planer in den Kommunen davon überzeugen, dass mehr Geschwindigkeit möglich ist“, erklärt der TSB-Chef. „Im Marktsegment Öffentlicher Personennahverkehr wird wegen der langen Planung in Jahrzehnten gedacht. In der Baubranche denken wir in Wochen, vielleicht in einem Jahr.“

Die Magnetschwebebahn braucht für die Teststrecke knapp über eine Minute.

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