München – Die Täterkonstellation beim antisemitischen Terrorangriff in Australien gilt als ungewöhnlich. „Dass Vater und Sohn einen solchen Anschlag verüben, ist durchaus ein besonderes Merkmal“, sagt Terrorismus-Experte Hans-Jakob Schindler, Direktor beim Counter Extremism Project, im Gespräch mit unserer Zeitungsgruppe. Wenngleich auch kein Novum: Im vergangenen Jahr hatten ein Vater und sein Sohn im Namen des Islamischen Staats (IS) einen Anschlag im kanadischen Toronto geplant, die Polizei vereitelte die Ausführung.
In Australien indes konnten die Sicherheitsbehörden die Tat im Vorfeld nicht verhindern. „Dass Verwandte gemeinsam eine solche Tat begehen, erschwert es den Behörden“, so Schindler. Von außen seien Absprachen und die Planung der Tat kaum zu beobachten: „Die beiden mussten sich wohl nicht über Messengerdienste oder Telefon absprechen, sondern konnten das gegebenenfalls am Mittagstisch planen.“
Allerdings hatte der australische Geheimdienst Medienberichten zufolge vor sechs Jahren mögliche Verbindungen des heute 24-Jährigen zum IS überprüft. Der junge Mann soll Kontakt zu einem IS-Kämpfer gehabt haben, der 2019 verhaftet und in Australien wegen der Vorbereitung einer terroristischen Straftat verurteilt worden war. Vater und Sohn sollen dem IS einen Treueschwur geleistet haben, davon gehen die australischen Anti-Terror-Ermittler nun aus. Im Auto der beiden sollen zwei IS-Flaggen gefunden worden sein.
„Es passiert immer wieder, dass sich ganze Familien gemeinsam dem IS anschließen“, so Experte Hans-Jakob Schindler. Die Radikalisierung passiere anfangs oft über Soziale Medien – deren Betreiber meldeten Auffälligkeiten allerdings selten bis nie, beklagt Schindler. Die jüdische Gemeinde in Australien warnte unterdessen schon seit Jahren, dass die australische Regierung nicht genug Prävention leiste, um Anschläge zu verhindern. Nach dem Überfall der Terrororganisation Hamas auf Israel und dem Krieg in Gaza stieg das Radikalisierungspotenzial auch in Australien. Es habe zuletzt durchaus „eine Welle des Antisemitismus“ gegeben, so Schindler. Aber: „Das Land ist nicht an terroristische Anschläge gewohnt.“
Tatsächlich passieren Terrorattacken dort vergleichsweise selten. Nicht zuletzt wohl auch wegen Maßnahmen, die Australien nach dem sogenannten Massaker von Port Arthur ergriff. Damals erschoss der Amokläufer Martin Bryant 35 Menschen. Als Reaktion darauf führte die australische Regierung erheblich strengere Waffengesetze ein, der Besitz von Schusswaffen ist seitdem eingeschränkt.
Der 50-jährige Täter vom Bondi Beach allerdings besaß legal sechs Jagdwaffen. Für die Behörden offenbar kein Grund, genauer hinzuschauen. Die Attentäter hatten alle Waffen beim Anschlag am Bondi Beach benutzt. „Das zeigt, dass es durchaus Regulierungslücken gibt“, so Schindler. „Sechs Waffen für zwei Hände: Wer braucht das? So ausdifferenziert jagt doch niemand.“ Überdies würden Waffenbesitzer in Australien nur einmalig überprüft, so Schindler. Spätere Auffälligkeiten oder Radikalisierungsanzeichen fielen dann nicht mehr ins Gewicht.PETER SIEBEN