Sydney trauert – und feiert seinen Helden

von Redaktion

Ein Held: Chris Minns, Premierminister von New South Wales, besucht Ahmed al Ahmed in der Klinik.

Ein erschreckendes Video dokumentiert die Tat von Vater und Sohn auf einer Brücke nahe dem Strand.

Fassungslosigkeit herrscht am tag danach am Bondi Beach. Es gibt viele Blumen und unzählige Tränen. © Saeed Khan/AFP (2)

München – Ahmed al Ahmed sieht eigentlich nicht aus wie ein Held. Zumindest nicht wie einer aus diesen Actionfilmen. Aber der 44-jährige zweifache Familienvater hat am Sonntag tatsächlich weltweite Berühmtheit als Held erlangt. Das Video, wie der Besitzer eines kleinen Obstladens einen der beiden Terroristen niederrang und ihm die Waffe entriss, ging um die Welt. Ein Muslim, der vielen Juden das Leben rettete. Al Ahmed selbst hat das teuer bezahlt. Denn der andere Angreifer eröffnete das Feuer auf ihn.

Am Morgen nach der Tat blickt das Land auf sein Krankenbett. „Er bereut seine Tat nicht. Er sagte, er würde es wieder tun. Aber die Schmerzen zehren an ihm“, zitiert der „Sydney Morning Herald“ Sam Issa, Ahmeds Anwalt für Migrationsrecht. Ahmed habe fünf Schusswunden an seinem linken Arm. Eine Kugel im linken Schulterblatt musste entfernt werden. Der Anwalt erinnert daran, wie schwierig es für seinen Mandanten gewesen sei, die australische Staatsbürgerschaft zu erlangen. „Nicht alle Einwanderer sind schlecht. Er ist ein hervorragender Bürger und hat sehr hart gearbeitet.“ Man habe seine Einbürgerung durch die Instanzen durchkämpfen müssen. Jetzt kann sich der Schwerverletzte vor Lobpreisungen kaum retten. Sogar US-Präsident Donald Trump erklärt: „Ich habe großen Respekt vor diesem Mann, der das getan hat.“

Al Ahmed hatte dem älteren der beiden Täter die Waffe entrissen. Es handle sich um einen 50-Jährigen, teilte die Polizei mit, der den Anschlag mit seinem 24 Jahre alten Sohn ausführte. Offiziell wurden die Namen nicht veröffentlicht, australische Medien nennen sie aber Sajid und Naveed Akram. Sie sollen aus Pakistan stammen, der Vater sechs legale Waffen besessen haben. Während der Vater von der Polizei erschossen wurde, erlitt sein Sohn schwerste Verletzungen. Der Sender ABC berichtete unter Berufung auf Fahnder, dass in dem Auto der Männer IS-Flaggen gefunden wurden. Der Sohn war bereits vor sechs Jahren ins Blickfeld von Terrorfahndern geraten. Offenbar glaubten sie aber nicht, dass von ihm noch eine Gefahr ausgehe. Ein Irrtum. Angeblich verbrachten die beiden zuletzt monatelang in einem Terrorcamp auf den Philippinen.

Die Tat der beiden Männer ist erschreckend detailliert dokumentiert. Es gibt ein Video, das 50 Meter von der Brücke entfernt aufgenommen wurde, von der aus die Angreifer während des größten Teils des Terroranschlags schossen. In weniger als sechs Minuten werden über 100 Schüsse abgefeuert. Der Film zeigt auch, wie der Vater die Brücke verlässt, wo ihm Ahmed al Ahmed dann die Waffe entreißt. Später werden Vater und Sohn auf der Brücke niedergeschossen, es folgen chaotische Szenen.

Australien trauert um die inzwischen 16 Opfer, unter denen sich der 41-jährige Rabbiner Eli Schlanger befindet, der die Feier zum jüdischen Lichterfest mitorganisiert hatte. „Er war ein Mensch, der jeden Tag mit der einfachen Mission aufstand, Gutes zu tun“, erklärt der Exekutivrat australischer Juden. Laut BBC wurde der „Bondi Rabbi“ in Großbritannien geboren und war fünffacher Familienvater.

Auch Alex Kleytman, ein aus der Ukraine stammender Holocaust-Überlebender, sei tödlich getroffen worden. „Er starb, als er seine Frau Larissa vor den Kugeln des Schützen schützte“, berichtet eine Organisation chassidischer Juden. Unter den Todesopfern ist laut Präsident Emmanuel Macron auch ein französischer Staatsbürger. Der junge IT-Experte Dan Elkayam war erst im vergangenen Jahr nach Australien gezogen.

Auch die kleine Mathilda starb, ein zehnjähriges Mädchen. Ihre Schwester überlebte. Die Tante sagte gegenüber ABC: „Sie waren wie Zwillinge – sie waren niemals getrennt.“

Der Anschlag sorgt auch für diplomatische Verwicklungen. Schon kurz nach der Tat erklärte Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu, er habe Australiens Premierminister Anthony Albanese vor vier Monaten in einem Brief gewarnt, „dass die Politik der australischen Regierung Antisemitismus in Australien fördert und ermutigt“. Australien und andere Staaten hatten unter dem Eindruck des Gaza-Kriegs den Staat Palästina formell anerkannt. Netanjahu warf Albanese vor, damit „Öl ins antisemitische Feuer“ gegossen zu haben. Die Anerkennung belohne Hamas-Terroristen. Sie bestärke „jene, die australische Juden bedrohen, und ermutigt den Judenhass, der nun in Ihren Straßen umgeht“. Aus der jüdischen Gemeinde in Australien kommen ähnliche Vorwürfe.

Albanese wies das am Montag zurück. „Dies waren außerordentlich traumatische 24 Stunden. Meine Aufgabe ist es, die jüdische Gemeinde zu unterstützen und deutlich zu machen, dass die Australier in dieser schwierigen Zeit überwältigend hinter ihr stehen.“MIK

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