INTERVIEW

„Am liebsten würden wir allen helfen“

von Redaktion

Natalie Schmid, Geschäftsführerin von „Sternstunden“, erklärt, wie der Verein auch Kindern in der Ukraine hilft

Natalie Schmid hilft mit dem Verein Sternstunden Kindern in aller Welt. © Max Wochinger

Kiew – Auch der Verein „Sternstunden“ ist in der Ukraine aktiv. Er unterstützt Kinderhilfsprojekte vor allem in Bayern, aber auch weltweit. Ein Gespräch mit Geschäftsführerin Natalie Schmid über schwierige Entscheidungen und dringende Hilfe für die Ukraine.

Sternstunden sammelt pro Jahr rund 30 Millionen Euro. Wohin fließt das Geld?

Wir helfen ausschließlich Kindern und Jugendlichen in Not. In Bayern, Deutschland, in der ganzen Welt. Der Großteil der Spenden bleibt in Bayern, knapp ein Drittel fließt ins Ausland. Wir wählen Projekte aus, die dringend Geld benötigen und die mit unseren Spenden nachhaltige Verbesserungen für die Kinder ermöglichen. Ein besonderes Augenmerk liegt auf Krisengebieten.

Wie wird ausgewählt?

Uns erreichen sehr, sehr viele Anfragen. Allein in diesem Jahr konnten wir 162 Projekte fördern. Wer von uns Unterstützung will, muss einige Voraussetzungen erfüllen: So muss der Projektträger seinen Sitz in Deutschland, am besten in Bayern haben. Wir entscheiden dann gemeinsam bei Sternstunden darüber. Einige unserer Mitarbeiter sind seit über 15 Jahren in der Projektabteilung tätig, die Projekte müssen nachhaltig wirken und werden sehr sorgfältig ausgewählt.

En Projekt ablehnen heißt, Kindern Hilfe zu verwehren. Wie schwer ist das?

Ganz, ganz schwer. Am liebsten würden wir allen helfen. Aber wir müssen abwägen: Wo wird das Geld am dringendsten gebraucht? Werden die Spenden nachhaltig und vertrauensvoll eingesetzt? Oft dreht der Staat einfach den Geldhahn für Hilfsprojekte zu und verlässt sich auf internationale Geldgeber. So war das beim Bau einer Schule in Äthiopien. Da steckt man dann in einem Dilemma. Man möchte natürlich den Kindern helfen, gleichzeitig würde man aber den Regierungsverantwortlichen in die Karten spielen. Genau das wollen die ja. Wir mussten das Projekt in Äthiopien nach vielen Gesprächen ablehnen. Aber nachts, bevor man einschläft, denkt man schon darüber nach, wie man nur den Kindern die Hilfe verweigern konnte.

Viele Hilfsvereine klagen über Spendenmüdigkeit.

Wir können uns nicht beklagen, die Bereitschaft ist vergleichbar mit der im Vorjahr. Das liegt wohl daran, dass bei uns 100 Prozent in die Projekte gehen und die Menschen uns vertrauen. Wir wissen aber auch, dass der Spendenmarkt grundsätzlich an Volumen verliert. Das ist ein großes Problem, auf das auch wir uns einstellen müssen. Die Herausforderungen in der Welt und die Notwendigkeit von Spenden werden immer größer. Besonders Auslandsprojekte, aber auch viele Einrichtungen in Bayern sind auf Spenden angewiesen. Viele unserer Spender freut es, dass wir so viele Projekte in Bayern unterstützen. Andere sagen, das Geld sollte lieber ins Ausland gehen, da es dort den Kindern oft schlechter geht. Es ist toll, dass wir beides tun können.

Welche Projekte unterstützen Sie in der Ukraine?

Wir helfen dort auf verschiedene Weise: von der ärztlichen Versorgung bis hin zur psychosozialen Betreuung traumatisierter Kriegskinder. Über die „Brücke nach Kyiv” unterstützen wir zudem seit 2013 Kinder mit Behinderungen. Bisher haben wir den Münchner Verein mit insgesamt 625 000 Euro unterstützt.

Auch für die Ukraine wird aber weniger gespendet.

Am Anfang einer Krise ist die Hilfsbereitschaft immer groß. Wenn das Konsumieren der Berichterstattung über den Krieg zur Routine wird, nimmt bei vielen die Bereitschaft zum Spenden ab. Das sehen wir auch beim Ukraine-Krieg: Der dauert schon so lange und eine Einigung ist auch nicht in Sicht. Hinzu kommen neue Kriege und Naturkatastrophen.

Warum ist es wichtig, weiter für die Ukraine zu spenden?

Weil das der einzige Weg ist, die Projekte am Laufen zu halten. Die staatlichen Hilfen in der Ukraine reichen nicht aus. Die Ukrainer brauchen Frieden, den können wir ihnen aber nicht geben. Wir können jedoch mit unseren Projekten Hoffnung spenden und bessere Lebensbedingungen schaffen – und versuchen, die Sorgen der Kinder ein Stück weit zu nehmen.

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