Neun Bienenvölker hat Ditmar Unger derzeit. © as
Das alte Hofbrunnhaus: Hier wohnt Ditmar Unger. © as
Da ist er ja! Der Specht ist an der Futterstelle gelandet. © as
An dem Baum ist was geboten: Ditmar Unger hat jede Menge Nisthilfen für Vögel und Insekten aufgehängt. © A. Schmidt
Stolz wie Ditmar! Am Gartentor hat der Hausherr die Auszeichnungen als Naturgarten und vogelfreundlicher Garten angebracht. Neben ihm die Jurorinnen Elke Fritsch (links) und Silke Ladewig. © Achim Frank Schmidt
Pullach – „Der Specht kommt bestimmt, der ist mehrmals täglich hier, wir müssen nur ein bisschen warten“, sagt Ditmar Unger, während er in der Küche einen Kaffee kocht. Und tatsächlich, keine fünf Minuten später ist der Buntspecht an der Futterstelle – was die Finken dort weniger erfreut als den Hausherrn. „Na also“, sagt Unger. „Da ist er ja.“
Der 60-Jährige kennt seine Vögel. Er weiß über ihre Vorlieben ebenso Bescheid wie darüber, was es bedeutet, wenn die Meisen an das Fenster seines Arbeitszimmers picken. „Damit zeigen sie mir an, dass das Futter leer ist.“ Ditmar Unger klingt fast ein bisschen stolz ob dieser tierischen Quengelei.
Es geht hinaus auf die Terrasse, vorbei an Futterstellen für Vögel und Eichhörnchen, einige steile Treppenstufen hinunter. Die Wiese ist feucht, was auch daran liegt, dass die Isar quasi am Haus vorbeifließt. Das Haus, in dem Unger mit seiner Familie wohnt, ist das königliche Hofbrunnhaus, über das einst das Schloss Forstenried mit Wasser versorgt wurde.
Zu dem denkmalgeschützten Gebäude in Pullach im Kreis München gehört ein rund 4000 Quadratmeter großer Garten – Biotop wäre treffender. Ein kleiner Wald mit Weiden, Linden und Ulmen, dazwischen drei Tümpel, an denen im Sommer die Frösche quaken. Reisig-, Laub- und Totholzhaufen bieten Tieren Schutz – und dass es hier das ganze Jahr geblüht hat, sieht man an den vertrockneten Samenständen in Wiese und Beeten, die Unger „selbstverständlich nicht abgeschnitten“ hat, weil sie Insekten als Unterschlupf dienen, was auch die Vögel freut. Heuer wurde Ungers Garten als besonders vogelfreundlich ausgezeichnet. Die Plakette hat er an sein Gartentor geschraubt.
Seit 2022 gibt es die Aktion „Vogelfreundlicher Garten“ des Bayerischen Artenschutzzentrums am Landesamt für Umwelt und des Landesbundes für Vogel- und Naturschutz (LBV) in Bayern. Mehr als 7000 Gärten im Freistaat wurden schon als vogelfreundlich zertifiziert. Allein in diesem Jahr kamen fast 2000 neue Gärten dazu. „In Zeiten von Flächenversiegelung und Insektensterben sind vogelfreundliche Gärten wichtige Rückzugsräume, die Artenvielfalt fördern und Lebensräume vernetzen“, erklärt Maria Hußlein, Leiterin des Artenschutzzentrums. Ursprünglich war die Aktion auf drei Jahre angesetzt, wurde aber bis 2027 verlängert – so groß ist die Nachfrage. „Rund 1100 Gärten sind bereits länger angemeldet, konnten aber noch nicht bewertet werden“, sagt Carola Bria vom LBV. „Dazu kommen seit Oktober mehr als 130 Neuanmeldungen.“
Bewertet werden die Gärten immer von Zweier-Teams. Bei Ditmar Unger waren das im Sommer Silke Ladewig und Elke Fritsch. Beide sind heute dabei und stapfen mit durchs nasse Gras, während der Hausherr erzählt, dass in einem seiner Vogelhäuschen derzeit Zaunkönige Schutz vor der Kälte suchen. „Wie schön“, freut sich Ladewig. Dann fachsimpeln sie über den Gesang von Vögeln im Allgemeinen und den des Zaunkönigs im Besonderen.
Ditmar Unger wohnt seit 2001 in dem ehemaligen Brunnhaus und es ist nicht so, dass er mit dem grünen Daumen geboren wurde. Erst nach und nach sei das Interesse erwacht, in seinem Garten mehr für Artenvielfalt zu sorgen, erzählt er. Der IT-Experte machte eine Imker-Ausbildung. Mit zwei Bienenvölkern fing er an, jetzt hat er neun. „Wer Bienen hat, muss sich um genügend Nahrung kümmern, also habe ich für ein entsprechendes Angebot gesorgt.“ Im frühen Frühjahr blühen Wildkrokusse und Winterlinge. Weiden, Kornellkirsche, Bärlauch, Rasselnuss, Wildrosen, offenblütige Dahlien, Astern und spät im Jahr der Efeu bieten den Bienen und anderen Insekten über das gesamte Jahr hinweg genügend Nahrung. „Wer einmal anfängt, kann nicht mehr aufhören“, bekennt Unger fröhlich. Weil es ihm Spaß macht, hat er Vogelnistkästen gebaut und aufgehängt, aber auch welche für Siebenschläfer und Fledermäuse. „Wer hier ist, darf sich auch wohlfühlen“, sagt der Gartler.
Ladewig und Fritsch lachen, als sie das hören. „Wir haben uns hier auch gleich wohlgefühlt“, sagen sie. Ein vogelfreundlicher Garten muss viele Kriterien erfüllen. Ausschlusskriterien sind der Einsatz von Pestiziden, Laubbläsern und Mährobotern, aber auch die flächige Verwendung von Kies und Rindenmulch. „Ein naturnaher, vogelfreundlicher Garten bedeutet, dass man wilde Ecken zulässt, in denen die Natur schalten und walten kann“, erklärt Ladewig. Es darf und es soll unaufgeräumt sein. „Strukturvielfalt“, erklärt Elke Fritsch. „Steinhaufen, Totholz, tierfreundliche Hecken, verschiedene Sträucher und auch Dornengebüsche, die die Katzen fernhalten.“ „Artenvielfalt“, ergänzt Silke Ladewig. „Möglichst viele unterschiedliche heimische Pflanzen, die zu unterschiedlichen Zeiten blühen.“ Dazu kommen Nistkästen, Futter- und Wasserstellen.
Kein Gartenbesitzer muss für die Plakette alle Kriterien zu 100 Prozent erfüllen. Die Grundlagen müssen aber stimmen, sagen die Jurorinnen. Die Größe des Gartens spielt keine Rolle. „Auch kleinere Gärten mit 20 Quadratmetern können ausgezeichnet werden, wenn sie vogelfreundliche Strukturen aufweisen“, betont Fritsch.
Unger zeigt auf einen Nistkasten. „Den habe ich eigentlich für Waldkauze gebaut“, sagt er. In Besitz genommen hat ihn ein Entenpaar, das hier regelmäßig brütet. Im Nistkasten für Fledermäuse haben es sich Waldbaumläufer, eine Vogelart, bequem gemacht. Ditmar Unger findet das prima. „Jeder macht hier, was er will – und genauso soll es sein.“
Stunde der Wintervögel
Vom 9. bis 11. Januar schlägt wieder die Stunde der Wintervögel. Ziel der bundesweiten Aktion von LBV und NABU ist es, herauszufinden, wie sich die Vogelpopulation verändert. Dafür zählen Bürger im Garten oder Park eine Stunde lang Vögel. 2025 beobachteten in Bayern 26 500 Teilnehmer fast 600 000 Vögel. Alle Infos: www.lbv.de/mitmachen/stunde-der-wintervoegel/