Frau Hübner, Sie sind Unternehmenschefin, Buchautorin, Managerin und gelten als echte Service-Expertin. Wie haben Sie das Thema für sich entdeckt?
Mir wurde Service schon in die Wiege gelegt. Meine Mama führte ein kleines Familienhotel im Salzkammergut und meine Oma half jeden Sommer mit. Sie war im tiefsten Herzen mehr als eine „Vermieterin“, sie war eine gute Fee. Es war die urwüchsige Gastfreundschaft meiner Familie, die meine Leidenschaft für das Thema Service zündete.
Oft wird von der Servicewüste Deutschland gesprochen. Ist es in anderen Ländern besser?
Für mich sind Teile Asiens sehr besonders. Thailänder leben eine persönliche Servicehaltung aus ihrem in-nersten Herzen heraus, nie-mals devot und immer auf Augenhöhe.
Ihrer Aussage nach wird das Serviceanliegen erst dann perfekt umgesetzt, wenn es zu einer inneren Haltung wird. Warum?
Weil Servicebereitschaft dann an keine Bedingung oder Erwartung geknüpft ist. Es macht einen selbst am glücklichsten, wenn man seine eigene Haltung leben kann. Haltung gibt Halt. Ja, und Haltung zeigen braucht auch Mut und Kraft. Aber es ist gerade die Haltung, die unsere Identität ausmacht: Servicehaltung verwandelt jede einzelne Mitarbeiterin in eine Servicefee und jeden einzelnen Mitarbeiter in einen Servicehelden! Jeder kann eine Haltung entwickeln, die ihm selbst Halt gibt und wertvolle Begegnungen von Mensch zu Mensch überhaupt erst möglich macht. In Unternehmen be-deutet eine eigene Service-DNA einen echten Vorsprung: Haltung ist nicht kopierbar.
Haben die von Ihnen sogenannten „Servicehelden“ in der digitalisierten Welt mehr Erfolg?
Die digitale Welt bringt mehr Kontakte mit Unternehmen, allerdings weniger Kontakte von Angesicht zu Angesicht mit sich. Müssen wir persönliche Überraschungsmomente und Empathie deshalb aufgeben? Meiner Meinung nach ist genau das Gegenteil der Fall. „Magic Moments“, Empathie und großartige Service-Erlebnisse werden sogar deutlich wichtiger, um uns zu differenzieren.
Die Digitalisierung hilft uns dabei, Kunden besser kennenzulernen und die genau richtigen Serviceglücksmomente aus dem Köcher zu ziehen.
Wenn es Unternehmen gelingt, die digitale Welt mit der Welt der persönlichen Kundenkontakte exzellent zu verschmelzen, kann technische Kommunikation sehr begeistern. Das ist Service 4.0! Wir werden mit einer besonderen Begegnungsqualität einen echten Unterschied machen können.
Ein Geheimnis für guten Service liegt offensichtlich im Einfühlungsvermögen für das Gegenüber und einer besonderen Begegnungsqualität. Was ist dabei entscheidend?
Empathie ist die Fähigkeit, sich in andere Menschen einzufühlen, und das ist nicht das Gleiche wie Mitgefühl oder gar Mitleid. Sie berührt uns im Moment, und wir denken oft noch Jahre später an ein empathisches Erlebnis zurück. Dabei ist Empathie niemals nur selbstlos, es ist kein Rosarote-Wolken-Thema.
Im Gegenteil: Empathie tut dem gut, der empathisch ist. Denn anderen einfühlsam und freundlich zu begegnen, macht das eigene Leben schöner. Das Schöne ist: Empathie lässt sich lernen. Die vier Schritte, die zu mehr Empathie führen, sind Konzentration, Wahrnehmung, Kreativität und Mut. Bewusst eingesetzt kann Empathie unser Leben sehr bereichern. Wer anderen eine Freude macht, wird dadurch selbst glücklicher. Man könnte sagen: Wer mitfühlt, gewinnt.
Wie könnte die Gastronomie im Chiemgau von neuen Serviceangeboten profitieren?
Urlaubsgebiete und Hotels in ähnlich aufgestellten Regionen sind heute sehr vergleichbar. Das Produkt ist kein Engpass mehr: Es gibt Hotelbetten und Restaurants zuhauf. Der Engpass von heute und morgen sind neue Serviceangebote, die für den Gast relevant sind. Das bedeutet nicht, immer mehr Services anzubieten, sondern die genau richtigen. Und die Leistungen, für die man sich entscheidet, in einer exzellenten Qualität zu erbringen.
Neue Serviceangebote ziehen Gäste an, sie stärken einen Standort und machen ihn für Unternehmen aller Branchen und bei möglichen Mitarbeitern attraktiv.
Wie lässt sich die besondere Bedeutung der Servicekultur beim Nachwuchs in Gastronomie und Unternehmen verinnerlichen?
Wir brauchen von allen Seiten mehr Wertschätzung für ordentliche Dienstleistung. Wir müssen klar machen und verinnerlichen, dass der exzellente Dienstleister nicht „klein“, sondern in Wirklichkeit „groß“ ist. Service gibt einem Mitarbeiter ein Gesicht.
Interview: Axel Effner