Prien – Es war der vierte Bürgerentscheid in Prien und zum vierten Mal haben die Priener das Vorhaben, das zur Debatte stand, abgelehnt. 1999 fiel eine Seebühne in Stock durch, Jahre später eine Chiemsee-Sauna eines Privatinvestors im Prienavera-Strandbadgelände. 2011 lehnten die Bürger mehrheitlich ein Blockheizkraftwerk ab, das die Gemeinde an der Straße nach Hoherting bauen und damit sowohl Privathaushalte als auch Unternehmen mit Fernwärme versorgen wollte.
Im Vorfeld der Bürgerentscheide über den Neubau einer Jugendherberge an der Osternacher Straße hatte die Kommunalpolitik mit einer Satzung erstmals die Möglichkeit zur Briefwahl eröffnet und die Unterlagen vor gut drei Wochen an alle knapp 8900 Wahlberechtigten verschickt.
Zwar war die Wahlbeteiligung am Sonntag mit 52,2 Prozent (4629 Wähler) so hoch wie noch nie bei einem Bürgerentscheid in der Marktgemeinde. Besonders die Initiatoren des Ratsbegehrens pro Jugendherberge hatten sich aber wohl eine größere Beteiligung erhofft. Auch die hohe Zahl von 60 ungültigen Stimmen lässt vermuten, dass die Konstellation mit drei Abstimmungen (Bürgerbegehren, Ratsbegehren und Stichfrage) nicht ganz leicht zu durchschauen war.
Christoph Bach, Fraktionsvorsitzender der Bürger für Prien (BfP), die das Bürgerbegehren angestoßen hatten, wertete das Abstimmungsergebnis in einer ersten Reaktion unter anderem als Beleg dafür, dass die Mehrheit der Bürger sich eine kritischere Position in den Verhandlungen mit dem Deutschen Jugendherbergswerk (DJH) erwartet hätte. Das DJH hatte den Standort Osternacher Straße, wo die Organisation eine 6500 Quadratmeter große Wiese für einen Neubau kaufen wollte, als „alternativlos“ bezeichnet und einen Neubau am alten Standort Carl-Braun-Straße aus „rechtlichen, wirtschaftlichen und pädagogischen Gründen“ ausgeschlossen. „Alternativlosigkeit ist nichts, was sich ein Gemeinderat bieten lassen sollte“, verwies er auf die 54 Prozent, die dies mit ihrem Votum ausgedrückt hätten. Auch die anderen fünf Fraktionen (CSU, SPD, ÜWG, Grüne und Freie Priener, zusammen 20 Sitze) hatten zuletzt auf Plakaten mit Bildern von der Osternacher Straße eine Alternative ausgeschlossen („Hier oder nie“).
Wie gereizt die Stimmung in den beiden Lagern der Priener Kommunalpolitik ist, wurde unter anderem deutlich, als sich Bürgermeister Jürgen Seifert bei der Bekanntgabe des Ergebnisses bei DJH-Vorstand Michael Gößl für „fünf Jahre vertrauensvolle Zusammenarbeit“ (seit Schließung der alten Jugendherberge) bedankte und Bach bemerkte: „Und wir haben erst im September davon erfahren.“ Bach erklärte auch seine Verärgerung, dass Seifert Gößl Rederecht einräumte, damit, dass „54 Prozent nicht ernst genommen werden“.
Der DJH-Vorstand sprach von einer „vertanen Chance für Prien“ und untermauerte, dass für sein Haus die Standortsuche in Prien damit beendet sei. Die „Destination Chiemgau“ sei für das DJH aber weiter interessant, deshalb „werden wir uns zeitnah nach einem anderen Standort in einer anderen Gemeinde umschauen“.
Für Bach ist das Thema mit dem Ergebnis des Bürgerentscheids dagegen noch nicht erledigt. Im Gespräch mit der Chiemgau-Zeitung bekräftigte er auf Nachfrage, dass man auf kreative, andere Lösungen setze und nannte, wie schon in einer der BfP-Infoveranstaltungen, die großen Parkplätze in Stock als alternative Möglichkeit für eine neue Jugendherberge.
Die anderen Fraktionen sehen die BfP nun in der Bringschuld, wenn auch in den ersten Reaktionen am Sonntagabend in der Enttäuschung über die Niederlage auch Sarkasmus mitschwang. „Jetzt sind die BfP gefragt“, sagte unter anderem CSU-Fraktionsvorsitzender Michael Anner. Er sei enttäuscht, Prien habe eine große Chance vertan. Ihm persönlich „stinkt der Stil mit Halbwahrheiten und Fehlinformationen“, mit dem von der Gegenseite Stimmung gemacht worden sei.
„Das Schöne ist, dass er jetzt liefern darf, der Herr Bach“, nahm auch ÜWG-Fraktionschef Peter Fischer die Gegenseite in die Pflicht. Auch er kritisierte den Wahlkampf der Gegner: „Heute wird mit Fehlinformationen mehr Stimmung gemacht als mit Wahrheiten.“
Enttäuscht äußerte sich auch SPD-Fraktionssprecher Thomas Ganter, weil sich die Priener wie schon beim BHKW und der Sauna „gegen einen Aufbruch, gegen das ,Neue‘“ ausgesprochen hätten. „Die Betreiber des Bürgerbegehrens müssen jetzt liefern“.
Angela Kind von den Grünen sah es genauso: „Die Bürger für Prien haben jetzt die Verantwortung übernommen“. Sie sei in erster Linie traurig über das Ergebnis.
Auch Martin Aufenanger (Freie Priener) war „enttäuscht. Herr Bach wird jetzt liefern müssen“. Als Gemeinderat sei er „frustriert“, machte er auf Nachfrage kein Hehl daraus, dass eine solche Niederlage für die ehrenamtliche kommunalpolitische Arbeit ein herber Rückschlag ist.
Wie sich die Bürgerentscheide auf das Klima im Marktgemeinderat auswirken werden, das in den vergangenen Monaten schon frostiger geworden war, wird sich vielleicht erstmals schon morgen Abend in der öffentlichen Sitzung zeigen, die um 18 Uhr im Rathaus beginnt.