Aubenhausen – Stolz blickt er aus seiner neuen Paddockbox auf das Alpenpanorama. Der Altersruhesitz scheint zu gefallen. Von dort aus hat Unee fast alles im Blick, was sich auf dem Hof tut. Wer kommt. Wer geht. Schließlich gehört sich das auch für den „König von Aubenhausen“. „Das ist er. Unee hat immer, egal wie spät wir von einem Turnier heimkamen, lautstark gewiehert und damit erklärt, er, der Boss, ist wieder zu Hause“, beschreibt Dressurreiterin und Team-Weltmeisterin, Jessica von Bredow-Werndl, ihren „Champi“.
Aus dem Stall der aktiven Turnierpferde musste der Hengst, ein Gribaldi-Sohn, ausziehen – „er hat sich zu sehr aufgeregt, dass die anderen fortfuhren, er aber zu Hause bleiben musste“. Auch wollte er exklusive Aufmerksamkeit. Zusammen mit ihrem eineinhalbjährigen Sohn Moritz gibt es tägliche Besuche bei Unee. „Die beiden verstehen sich besonders gut“, so Jessica von Bredow-Werndl. Denn nur auf Unee würde ihr Sohn alleine sitzen bleiben, auf alle anderen Pferde müsse die Mama mit hinauf.
Koppel, Laufband
und Reitspaß
Der vierbeinige Profisportler ist nach wie vor ein Athlet, wie er im Buche steht. Von wegen faule Haut, heißt es bei ihm. Zweimal pro Woche geht es noch aufs Laufband, vier bis fünfmal wird er geritten. „Er geht täglich auf die Weide. Aber das alleine wäre nichts für ihn. Er braucht das Training und soll möglichst lange fit bleiben“, so die Reiterin. Sie genießt nach wie vor Zeit mit ihrem Kumpel und Turnierpartner. Schmusen, spielerisches Necken, Grasen an der Longe gehört zum Verwöhnprogramm der Hoheit.
Vor sieben Jahren bezog Unee seine Box in der Gemeinde Tuntenhausen. Eine Erfolgsgeschichte mit Jessica von Bredow-Werndl begann. Denn mit ihm schaffte sie ihren Durchbruch im internationalen Dressursport. Sie wuchsen zu einer „tanzenden Einheit“ zusammen. „Das war für mich zunächst eine Umstellung. Ich kam aus der Ausbildung mit jungen Pferden, die von Anfang an an meine Hilfen gewöhnt waren, zu einem Pferd, mit dem ich erst zusammenwachsen musste“, beschreibt Jessica von Bredow-Werndl die Anfänge.
Die Erfolge geben dem ganzheitlichen Ansatz – inklusive jeder Menge Spaßfaktor für Ross und Reiter – recht: Denn wenn einer der beiden nicht gut drauf war, ging es ins Gelände. „Arbeiten macht dann keinen Sinn. Es klappt nichts“, so die Reiterin. Ausflüge in den „Springsport“ über Cavalettis gehören zur Vielfalt ebenso, wie sattelloses Reiten und, und, und. „Ich möchte, dass Unee und meine anderen Pferde motiviert bleiben. Einheiten auf dem Außenplatz oder der Galoppbahn gehören ebenfalls dazu. Gymnastizierende Übungen stehen vor Lektionen“, lautet die Devise.
Denn gerade am Anfang der Zusammenarbeit mit dem Hengst sei für Jessica von Bredow-Werndl und ihren Trainer Jonny Hilberath eines wichtig gewesen: „Wir mussten ihm vermitteln, dass er stolz auf sich und seine Leistung ist.“ Dieser Ansatz ist voll und ganz aufgegangen. Das Reisen und das Sich-Präsentieren-Können sind ganz in Unees Sinn. Der Hengst sei im Laufe der Jahre über sich hinausgewachsen, wollte immer lernen und „gab mir das Gefühl, alles für mich tun zu wollen“.
Mucksmäuschenstill war die Frankfurter Festhalle bei der Abschiedsgala für eines der besten Dressurpferde in den vergangenen Jahren. Die Kür zog im pink- und lilafarbenen Scheinwerferlicht die Zuschauer in ihren Bann. Ein würdiger Schlussakkord. „Das war sehr emotional für mich und das ganze Team. Gleichzeitig freue ich mich, dass Unee in Aubenhausen bleiben darf und hier seine Rente genießen kann.“ Besitzerin Beatrice Bürchler-Keller, eine bekannte Dressurrichterin, macht dies möglich. Sie kaufte den Hengst 2009 und hat eine spezielle Beziehung zur Aubenhausener Reiterfamilie. „Seit vielen Jahren haben wir ein sehr freundschaftliches Verhältnis zu Beatrice. Sie reiste immer zu den Turnieren mit, bei denen Unee am Start war.“
Mit Unee nahm Jessica von Bredow-Werndl an vier Weltcupfinals teil. 2014 wurden sie Siebte in Lyon. Nach einem dritten Platz 2015 im Weltcup-Finale in Las Vegas wurde sie in die Mannschaft der Dressureiter bei der Europameisterschaft in Aachen berufen. Bronze im Team und Siebte im Einzel in der Kür waren herausragende Ergebnisse und unbeschreibliche Momente. Die Liste der erfolgreichen Turniere dieses Paares ist lang. Dazu gehören unter anderem Bronze 2015 im Grand Prix Spécial, Dritte bei der Grand Prix Kür 2014 und ebenso 2015.
„Noch so entfernte Transporte, auch im Flugzeug, sind für Unee kein Problem. Da ist er sehr entspannt. Er hat sogar das chlorhaltige Wasser in Amerika getrunken. Das machen nicht viele“, schätzt die Reiterin ihren Gefährten. 2016 gab es in Göteborg (Weltcupfinale) ebenfalls Bronze. Ein einziges Mal meldete sich der Hengst krank. Das war 2017 beim Weltcupfinale in Omaha (USA): „Da war ich mit Unee qualifiziert und auch schon vor Ort, als wir die Nachricht erhielten, dass er in Amsterdam am Flughafen eine leichte Kolik hat. Das hatte er bis dahin und seither nie mehr“, so die Reiterin. Kurzfristig wurde umdisponiert. Die Teilnahme abgesagt. Für Unee ging es zur raschen Genesung zurück nach Aubenhausen.
Erstmals auf sich aufmerksam gemacht hat Unee mit einem dritten Platz beim Nürnberger-Burgpokal-Finale. Damals, 2010, saß noch Jasmine Sanche-Burger im Sattel. Die Fachwelt war begeistert. Als Zucht- und Prämienhengst (eine Saison auf der Station Wadenspanner in Niederbayern) hat er einige Nachkommen mit vielversprechenden Anlagen gezeugt. Diese Zeit ist aber vorbei. Er geht nicht in die Zucht. Ruhestand ist Ruhestand.
Mit Bestnote
in den Ruhestand
Mit einer Bestnote von 83,725 Punkten war das Dressurpaar bei der Kür im Weltcup-Finale in Paris im vergangenen Jahr am Zenit – persönliche Bestleistung für beide Athleten. Und ausgerechnet dabei brachte sich Unee selbst als Dritter um seine Ehrenrunde. „Diese liebt er. Er genießt die Aufmerksamkeit und liebt das große Publikum. Im Galopp mit den Top Drei die Runde zu drehen, war immer seins. Bei der Trabtour für die folgenden Plätze war er mit sich unzufrieden“, gesteht sie. Aber was war passiert? Warum trat die Reiterin – selbst piaffierend und für Gelächter sorgend – allein die Ehrenrunde an? Schuld war Isabell Werths Stute „Weihegold“. Sie war rossig. „Unee stand voll auf sie und wollte nur noch eins mit ihr“, lacht Jessica von Bredow-Werndl noch heute über die Situation. Unee wurde sicherheitshalber in den Stall gebracht. Es blieb bei einem Flirt.
Nach dem öffentlichen Abschied in Frankfurt wird es – momentan auf absehbare Zeit – nur einen weiteren Auftritt geben. Bei der weltweit größten Pferdemesse „Equitana“ in Essen Anfang März wird Jessica von Bredow-Werndl zusammen mit Bruder Benjamin und mehreren Pferden, darunter Unee, anreisen. Im Rahmen des Ausbildungsabends stellen sie am 11. März die Einheit von Mensch und Pferd sowie ihre Ausbildungsphilosophie vor.