Integrationspreis für Verein „Integer“

von Redaktion

Der Verein „Integer“ setzt sich in Grassau für Bildung und Integration ein. Jetzt wird das ehrenamtliche Engagement gewürdigt: Der Verein ist einer von sechs Preisträgern, die am Dienstag den Integrationspreis für den Regierungsbezirk Oberbayern bekommen.

Grassau – „Der Preis ist ein Zeichen, dass man uns sieht“, freut sich Sybille Bregenzer, die Leiterin des „Grassauer Kleiderschranks“. Auch wenn es bei der ehrenamtlichen Arbeit um die Menschen geht, nicht um einen Preis, ist dieser eine schöne Sache, von der sich Vorsitzende Uta Grabmüller „auch einen kleinen politischen Hebel“ verspricht, wenn es darum geht, Dinge zu erreichen.

Zusammen mit Bregenzer, Zweiter Vorsitzender Edith Klein-Nöldner und Bürgermeister Rudi Jantke fährt sie am Dienstag zur Preisverleihung mit Innenminister Joachim Herrmann. Dass sie neben sechs „richtigen“ Preisträgern „nur“ den mit 500 Euro dotierten Sonderpreis erhalten, tut der Freude keinen Abbruch. 43 Bewerber gab es insgesamt. „So ein Preis wertet auf. Wichtig ist, dass wir in Grassau bekannter und anerkannter werden“, findet Klein-Nöldner.

Offiziell gibt es den Verein „Integer“ erst sei Juni 2016, doch der Helferkreis, aus dem er hervorging, kümmert sich seit gut 15 Jahren um die Menschen in der örtlichen Gemeinschaftsunterkunft. Uta Grabmüller hatte die Vereinsgründung angeregt, und sie ist seither die einzige Konstante in der Vorstandschaft. „Es ist eine harte Sache. Viele fühlen sich überfordert mit der Fülle der Aufgaben und den Schicksalen, mit denen sie konfrontiert werden“, weiß sie.

Leicht ist die Aufgabe nicht, daran lassen die drei Frauen keinen Zweifel. Schon, weil ständig Flexibilität gefordert ist. Das fängt beim Deutschunterricht an, der dreimal die Woche angeboten wird. „Es gibt Lehrbücher, aber die kann man nicht 1:1 durchziehen“, ist Grabmüllers Erfahrung. „Ich kann zu Hause sonst was vorbereiten, aber dann muss ich doch wieder improvisieren, weil andere Teilnehmer da sind als das letzte Mal.“ Die fehlende Beständigkeit war für Klein-Nöldner, von Beruf Lehrerin, anfangs sehr ungewohnt.

In den Kursen sitzen Menschen, die zuvor Analphabeten waren, neben Akademikern. Im März startet zusätzlich ein intensiver Sprachkurs auf A1-Level, den sich drei junge Männer und eine alleinstehende Mutter aus dem Kongo dringend wünschen. „Sie sind französischsprachig und können sich bei uns kaum mit jemandem unterhalten“, so Grabmüller.

Sprachprüfung

das Ziel

Während die anderen Flüchtlinge Englisch sprechen und „schon irgendwie durchkommen“, sei die Motivation dieser vier, Deutsch zu lernen, ungleich größer. Ihr ehrgeiziges Ziel: Innerhalb von ein bis zwei Monaten die Sprachprüfung schaffen.

Stolz sind die Frauen darauf, wie sich der „Grassauer Kleiderschrank“ entwickelt hat. Während der zweistündigen Öffnungszeit kommen im Schnitt 15 bis 20 Menschen, denen es nicht immer darum geht, günstig gebrauchte Kleidung zu erstehen.

„Das ist oft die erste Adresse im Ort, wo sich Menschen aus der Unterkunft hintrauen“, hat Grabmüller beobachtet. Zu einem beliebten Treffpunkt ist die Einrichtung geworden – mit Spielecke für die Kinder und Ratsch-Tisch für die Männer.

In der Anfangszeit im kleinen, dunklen Keller ohne Fluchtweg hätte sich das keiner vorstellen können. Möglich wurde dies erst durch den Umzug im März 2017 ins helle Obergeschoss des BRK-Gebäudes, das die Gemeinde zur Verfügung stellte. Die Hälfte derer, die hier einkaufen, sind Geflüchtete, die andere Hälfte sind Bedürftige aus der Umgebung. Den Frauen ist es wichtig, für alle da zu sein: „Man darf bei der Integration ja die Einheimischen nicht vergessen.“

Auch das Sprach- und Info-Café wurde erst in den neuen Räumen möglich. Jeden Monat lockt es bei Kaffee und Kuchen und wechselndem Thema rund 20 Interessierte an. Das nächste Mal dreht sich am Samstag, 23. Februar, alles um den Fasching, für den März bereitet ein Zahnarzt, der mit seiner fünfköpfigen Familie aus dem Jemen geflohen ist, einen Vortrag über sein Heimatland vor – auf Deutsch wohlgemerkt.

Seit Januar 2017 gibt es die Radl-Garage. „100 gebrauchte Fahrräder wurden uns schon gespendet“, freut sich Uta Grabmüller über die Großzügigkeit. Freiwillige machen diese in der Garage hinter dem Jugendtreff wieder verkehrssicher, dann können sich Bedürftige für kleines Geld ein zuverlässiges Fortbewegungsmittel kaufen.

Stolz sind die Ehrenamtlichen auf viele „ihrer“ Flüchtlinge. Zum Beispiel auf eine achtköpfige Familie aus dem Iran, die vergangenes Jahr eine eigene Wohnung im Ort bezogen hat und wo der Vater eine gute Arbeitsstelle gefunden hat.

Oder auf einen Afghanen mit vielen Talenten: Die beeindruckenden Landschaftsfotos, die die Wände des „Kleiderschranks“ zieren, hat er aufgenommen.

Der junge Mann hat im Chiemgau auch seine Leidenschaft für die Berge kennengelernt. Im Frühjahr möchte er über „Integer“ eine Wandergruppe ins Leben rufen.

Und an der Nähmaschine ist er zudem geschickt: In der Nähstube, die in die „Kleiderkammer“ integriert ist, fertigt er aus gespendeten Stoffen Taschen und Schürzen, die der Verein auf den örtlichen Märkten verkauft, um mit dem Geld weitere Aktionen zu fördern.

In Planung ist ein Nähkurs für Interessierte aus dem ganzen Achental, denen er sein Können gerne beibringen würde.

„Die Leute haben viel Potenzial, das anderen nutzen könnte, und es fehlt ihnen an einer Aufgabe“, erklärt Grabmüller. Gerne würde sie eine Art Tauschbörse einrichten, in die, wer mag, sein Können und Wissen einbringt.

„So ist das mit der Uta. Die hat immer neue Ideen“, wirft ihre Mitstreiterin Edith Klein-Nöldner ein. „Damit werdet ihr wohl leben müssen“, schmunzelt Grabmüller. „Ich gebe ja zu, dass das eine Vision ist. Aber der Verein war auch einmal nicht mehr als eine Vision.“

Die Angebote des Vereins

Grassauer Kleiderschrank: Montag, 9 bis 11 Uhr, und Mittwoch, 15 bis 17 Uhr, im Dachgeschoss des BRK-Hauses

Radlgarage: Jeden zweiten Samstag von 10 bis 12 Uhr, Birkenweg 15, hinter dem Jugendtreff

Sprach- und Info-Cafe: Jeden letzten Samstag im Monat von 15 bis 17 Uhr im „Kleiderschrank“

Deutschlotsen: Deutschunterricht für Alltag und Arbeit

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