Prien – Die Straße ist gerade, das Auto rollt mit 80 km/h längere Zeit geradeaus. Plötzlich kommt der Kreisverkehr schnell näher und eine Frau tritt von rechts auf den Zebrastreifen. Bevor der Autofahrer bremsen kann, hat er die Fußgängerin schon erfasst.
Eine Minute später kracht es schon wieder. Ein Auto durchquert ein Wohngebiet. Lange Zeit kommt kein Wagen entgegen, der Gehweg ist menschenleer. An der fünften Rechts-vor-links-Kreuzung huscht auf einmal ein Mädchen mit einem Roller von rechts hinter einer Hecke hervor und mitten in die Kreuzung. Der Fahrer kann nicht mehr rechtzeitig reagieren.
Es passieren ziemlich viele Unfälle an diesem Nachmittag im Schützenhaus im Eichental – zum Glück nur am Fahrsimulator der Verkehrswacht. Nach jeder brenzligen Situation erscheint eine grafische Auswertung auf dem Bildschirm und Franz Polland, Vorsitzender der Verkehrswacht Rosenheim, erklärt die Zusammenhänge von Reaktionszeit, Brems- und Anhalteweg.
Testpiloten sind über 50 ältere Prienerinnen und Priener. Trotz ihrer altersbedingten Erfahrung sind viele überrascht, wie viele Meter ein Auto noch zurücklegt, wenn der Fahrer vom Gas geht und auf die Bremse tritt. „Unfall, falsch reagiert“ steht häufig auf dem Bildschirm.
Die Organisatorinnen des Seniorenprogramms haben sich für dieses Sicherheitstraining mit Miriam Stark, der neuen Leiterin für die verkehrspolizeiliche Prävention im Präsidium, zusammengetan und die ist mit einem „Großaufgebot“ angerückt. Zehn Beamte beraten und betreuen die Gäste.
Robert Kopp, Präsident des Polizeipräsidiums Oberbayern-Süd, betont bei der Begrüßung den Stellenwert der Präventionsarbeit und schlägt einen Bogen zur zunehmenden Mobilität im Alter, indem er auf den „E-Bike-Boom“ verweist.
Aber nicht nur der Verkehr ist Thema. In einem Raum des Schützenhauses werden kurz darauf Spezialisten informieren, welche Abzock-Methoden gerade besonders verbreitet sind. Kopp nennt beispielhaft den „Enkeltrick“ und die „falschen Polizeibeamten“ und erzählt von der jüngsten Betrugswelle, bei der in der Einsatzzentrale über 400 Anrufe in wenigen Tagen eingegangen seien. Auf diese „ganz versierten Kriminellen mit perfiden Methoden“ fallen immer wieder leichtgläubige Bürger herein. Der abschließende Appell des Polizeichefs: „Lieber einmal zu viel die 110 anrufen als einmal zu wenig.“
Die Priener Senioren sind sich selbst bewusst, dass ihre Leistungsfähigkeit mit zunehmendem Alter individuell unterschiedlich mehr oder weniger schnell nachlässt, und im Gegenzug der Straßenverkehr aber immer komplexer wird. Eine Diskussion über eine Altersgrenze für den Führerschein oder regelmäßige Kontrollen der Fahrtüchtigkeit im Alter liegt aber auch der Polizei fern.
Der Hinweis auf Prinz Philipp sorgt lediglich für schmunzelnde Gesichter. Der Gatte der englischen Königin Elisabeth II. hatte im Januar einen Unfall mit zwei Verletzten verursacht. Nach massiver öffentlicher Kritik, auch in den britischen Medien, hatte der 97-Jährige Wochen später seinen Führerschein dann freiwillig abgegeben.
Ob sie geistig noch fit genug für den Straßenverkehr sind, können die Senioren auch bei einem Wahrnehmungstest mit Viviane Wagner von der Polizei Bad Aibling herausfinden. Die Aufgabe beseht darin, innerhalb von zwei Sekunden Situationen akustisch und visuell wahrzunehmen und in einem Auswertungsbogen zu dokumentieren.
Peter Steiger von der Verkehrspolizeiinspektion Rosenheim und Louis Reithinger von der Autobahnpolizeistation Holzkirchen informieren nebenan derweil über Fahrräder und E-Bikes. Im Bereich Kriminalprävention berät Thomas Schreiner, der nach über zwei Jahrzehnten als Ermittler bei der Kriminalpolizei kaum einen Trick nicht kennt. Bei dem ein oder anderen Abzock-Beispiel sind viele Zuhörer fassungslos.
Nach zwei Stunden verbucht die Polizei die Veranstaltung als vollen Erfolg. „Die Senioren konnten sowohl im Straßenverkehr, als auch in dem Bereich der Kriminalitätsvorbeugung sensibilisiert und ein Stück weit sicherer gemacht werden“, fasste Schreiner zusammen.