Gärreste: „Waschtag“ auf Wiesen

von Redaktion

Nach Anlagenstörung soll Maßnahmenkatalog helfen – Viele tote Fische

Bernau – Feuerwehrler spritzen Gärreste den Hang hinab. Unten wird die braune Brühe in einem ausgekofferten Graben aufgefangen. Noch immer sind die Schäden des Betriebsunfalls mit Gärresten in Hittenkirchen (Gemeinde Bernau) nicht genau zu beziffern: tagelanger Gestank, verdreckte Felder, tote Fische, Schafe zentimeterhoch im Gärresteschlamm und über 150 Kubikmeter ausgetretene Gülle halten Betroffene, Anwälte und Fachbehörden auf Trab.

Pumpe und defekter
Schlauch als Ursache

Mehrfach waren in den vergangenen Tagen Vertreter des Landratsamtes und des Wasserwirtschaftsamtes Rosenheim, von Versicherungen, dem Landwirtschaftsamt sowie Betroffene vor Ort. Zusammen mit der Gemeinde Bernau (agierte auch im Namen des Marktes Prien) und den Firmenvertretern von Finsterwalder Umwelttechnik GmbH & Co. KG wurden Lösungen gesucht. Denn das Ausmaß und die Schäden durch die Betriebsstörung sind nach wie vor nicht zu beziffern. Die Betroffenen fühlen sich teils von den Behörden im Stich gelassen.

Schuld an dem stundenlangen Austritt der Gärreste war ein defekter Schlauch im Bereich einer Pumpe. Neue Anlagen haben nach Angaben von Landratsamtssprecher Michael Fischer einen Störungsmelder. Diese Anlage von 1998 aber noch nicht. „Künftig soll die Pumpe aber eine Laufzeitbegrenzung haben, damit ein ähnlicher Vorfall nicht mehr vorkommt“, so Fischer.

Maßnahmenkatalog
soll greifen

Bei der jüngsten Besprechung im Bernauer Rathaus – unter der Moderation von Bürgermeister Philipp Bernhofer – wurde nun ein Maßnahmenkatalog erarbeitet: „Neben einer Entschuldigung vonseiten der Firma Finsterwalder haben wir versucht, für die Betroffenen individuelle Maßnahmen zu entwickeln.“ Außerdem soll es auf Wunsch eines betroffenen Landwirts eine Beprobung des ersten Grasschnitts geben, ob er frei von Schadstoffen ist, damit es nicht zu Auswirkungen bei der Milch seiner Kühe komme. Auch gehöre dazu: das Abspülen der landwirtschaftlichen Felder (circa 30 Prozent der Wiesen) samt Auffangen der Brühe in einem Behälter und Abtransport. „Dies soll sowohl Flurschäden verhindern, als auch den Gestank minimieren“, so Bernhofer. Sollten diese Aktionen nicht ausreichen, habe das Landwirtschaftsamt ein Zugeständnis gemacht, und billige dann sogar das sogenannte Einackern. „Dies ist aber ergebnisabhängig“, betonte Bernhofer. Er erwartet bis Ende der Woche Meldung durch die Firma zum Status quo der Spül- und Baggerarbeiten.

Denn: Die Zeit drängt. Die Maßnahmen könnten nur bei ungefrorenem Boden erfolgen. Ansonsten drohe erneuter Einfluss in die benachbarten Gewässer. Dem Vernehmen nach ist der Mühlbach frei von Belastungen. Jedoch gab es im Egerndorfer Bach ein Fischsterben durch die hohe Konzentration der Gärreste. Hintergrund ist eine biochemische Reaktion. Denn sobald Gärreste mit Sauerstoff in Kontakt kommen, entstehen Stickstoff und Phosphor. Fische und Kleinstlebewesen in den Gewässern ersticken dann. Beweis dafür: „Zahlreiche tote Regenwürmer im Bach zeugen von dem nicht kompensierbaren Gärrestegehalt. Genau gegen so etwas gibt es ja die Düngeverordnungen mit maximalen Ausbringungsgeboten“, beschwert sich Nachbar und Betroffener, Josef Bauer. Für ihn sind die Situation und auch die langsame Reaktion der Behörden „unbefriedigend“. Bei Bauer drohen Mieter mit Kündigung und Feriengäste mit Abreise aufgrund des Gestanks. Er will die Angelegenheit verwaltungsrechtlich prüfen lassen.

Der Sportfischereiverein Prien bestätigte gegenüber unserer Zeitung das Fischsterben im Egerndorfer Bach: Der Fischlaich im Kies von See- und Bachforelle sowie Esche sei zerstört. Bachforellen seien erstickt. „Folgeschäden sind noch nicht abschätzbar“, sagte Peter Steiger, Vorsitzender des Sportfischereivereins Prien. Ausgleichszahlungen sind hier in Aussicht gestellt, doch nur schwer oder erst im Herbst zu beziffern.

Auffallend: Seit dem Vorfall in der Biogäranlage tummeln sich im Mündungsbereich des Baches zum Chiemsee anstatt Hunderter Wasservögel derzeit keine oder nur vereinzelte Tiere. „Dies ist der Stand von vergangenem Freitag, aber die Vögel haben einen besseren Geruchssinn als der Mensch“, so Steiger. Ob dieses untypische Verhalten mit den Gärresten im Wasser zu tun habe, könne zwar nicht bewiesen werden, doch die Zeitnähe zum Vorfall sei bezeichnend.

Gülle und Gärreste – was ist was und wie ausbringen?

• Güllenährstoffe wirken pflanzenbaulich schneller als die Nährstoffe aus dem Stallmist, da sie schon teilweise im Wasser gelöst sind. Bei Rindergülle ist rund die Hälfte des enthaltenen Stickstoffs pflanzenverfügbarer Ammoniumstickstoff. Gülle ist nicht über längere Strecken transportierbar.

• Gärreste entsprechen in den Inhaltsstoffen den eingesetzten Substraten. Durch die Nutzung der Prozesswärme zur Separation und Trocknung erhöht sich die Transportierbarkeit und es entstehen neue Einsatzmöglichkeiten außerhalb der Landwirtschaft. Gärreste reagieren mit Sauerstoff und entwickeln Stickstoff und Phosphor. Das führt zu Sauerstoffentzug.

• Für beide Dünger gilt: gasförmige Ammoniakverluste vermeiden, daher bodennah ausbringen und unmittelbar einarbeiten. Düngeverordnung: Die Höchstmenge von maximal 40 Kilogramm pro Hektar Ammoniumstickstoff oder 80 Kilogramm pro Hektar Gesamtstickstoff darf nicht überschritten werden.

• Sperrfristen: Ackerland nach der Ernte der Hauptfrucht bis 31. Januar; Ausnahmen von der Sperrfrist auf Ackerland: Düngung bis 1. Oktober (bei Aussaat bis 15. September) zu Zwischenfrüchten, Winterraps, Feldfutter sowie (bei Aussaat bis 1. Oktober) zu Wintergerste; Grünland: 1. November bis 31. Januar; Verbot der Ausbringung von Festmist und Kompost vom 15. Dezember bis 15. Januar; Verschiebungen laut Behörden um bis zu vier Wochen möglich.

Artikel 9 von 11