Unterwössen – „Wir sind alle gesund“, Erleichterung liegt deutlich hörbar in der Stimme von Ulrike Duda, der Leiterin der Inobhutnahmestelle Litzelau. Die Stimmung ist gut. Die Planungen für einen Corona-Fall in der Einrichtung stehen. Dann würde es aber heftig.
Die Oberwössner Inobhutnahmestelle in privater Trägerschaft ist viel beachtete und gelobte Anlaufstelle, wenn Kinder in Not oder zum eigenen Schutz aus dem gewohnten Umfeld genommen werden müssen. Dort finden sie Unterkunft, Hilfe und Unterstützung mit einer neuen Lebenssituation umzugehen. Notfälle und verzweifelte Situationen in ihrer Familie und dem Umfeld sind meist der Auslöser für die Aufnahme in Oberwössen. So etwas geht an keinem Kind spurlos vorbei. Und wie lässt sich das anders abfedern, als mit dem Trocknen von Tränen und einer liebevollen Umarmung von Kindern, die oft erst zwei, drei Jahre alt sind. In Zeiten des Coronavirus ist dieser enge Kontakt eine große Herausforderung für das Betreuungsteam aus zehn Mitarbeiterinnen – Vollzeit- und Teilzeitkräfte.
„Wir sind total isoliert“, beschreibt Ulrike Duda die Situation. „Das ist großes Glück. Wir haben viel Platz. Wir haben den Garten, den Wald, wir haben die Tiere, und bei schönem Wetter sind wir im Wald unterwegs.“ Die Kinder besuchen keine Spielplätze, sie gehen auch nicht mehr mit zum Einkaufen. „So merken sie wenig von der Krise“, findet Ulrike Duda. „Wir bleiben unter uns und sind viel draußen.“ Dennoch bleibt die Corona-Krise eine echte Herausforderung. „Deren erste Maßnahmen haben uns kalt erwischt, weil wir zu der Zeit einen hohen Krankenstand unter den Mitarbeiterinnen hatten,“ erzählt Duda. „Bisher ist niemand an Corona erkrankt, aber einige zeigten Erkältungssymptome oder hatten Kontakt zu einer Corona-Verdachtsperson. Alle Betroffenen blieben sofort daheim, bis die Test-Ergebnisse kamen.“
Von den zehn Mitarbeiterinnen fehlten sechs. Das Restpersonal erlebte anstrengende Wochen. Eine besondere Herausforderung sei das Home-Schooling gewesen, der Schulunterricht für die fünf schulpflichtigen Kinder unterschiedlicher Klassen. Tagsüber arbeiten zwei Mitarbeiterinnen in der Einrichtung. Eine betreute den Schulunterricht. Das erwies sich als echte Herausforderung. Von Haus aus haben die Kinder ohnehin erheblichen Nachholbedarf. Aber mit dem Beginn der Osterferien habe sich das normalisiert, empfindet Ulrike Duda.
„Zu Beginn der Corona-Krise erhielten wir einen Anruf der Regierung von Oberbayern, dass wir zusätzlich um drei Plätze aufstocken dürfen und sollen. Diese drei Plätze sind explizit für Kinder und Jugendliche aus dem Kreis Traunstein vorgesehen. Dahinter steht die Sorge, dass angesichts der schwierigen Situationen in den Familien vermehrt Bedarf auftritt. Während der Corona-Krise nehmen wir nur Kinder aus dem Landkreis Traunstein auf.“
„Ich denke, dass wir die nächsten drei, vier Tage Kinder auf die fehlenden drei Plätze eingewiesen bekommen. Drei Kinder mehr, das wird dann schon etwas Neues abseits des bisherigen Alltags sein.“
„Wir im Team sind etwas angespannt“, empfindet Duda. „Uns allen sitzt die Angst im Nacken, was passiert, wenn der erste Corona-Fall in der Einrichtung auftritt.“ Die Einrichtung hat einen Notfallplan. Das Arbeitsschutzgesetz ist da ausgehebelt. „Zur Not müssen wir eben 24-Stunden-Schichten leisten“, fürchtet Duda.
Der Notfallplan sieht vor, dass alle Mitarbeiterinnen daheim in häusliche Quarantäne gehen. „Nur zwei von uns bleiben dann mit den Kindern zusammen in Quarantäne in der Einrichtung. Für die würde das eine enorme Belastung“, fürchtet Duda.
An der aktuellen finanziellen Situation ist eines noch nicht geklärt. Während der Schulzeit reicht in der Morgenschicht eine Mitarbeiterin im Haus, die sich um die nicht schulpflichtigen Kinder kümmert. „Jetzt, da alle ganztägig da sind, müssen wir schon morgen zu zweit sein“, sagt Duda. Es sei noch ungeklärt, wer diese Mehrkosten durch die zweite Kraft am Morgen trägt.
„Wir gehen davon aus, dass wir nicht die einzigen in einer solchen Situation sind und gehen damit weiter davon aus, dass diese Frage vom Landkreis geklärt wird. Wir haben uns bisher noch nicht darum gekümmert, weil wir andere Dinge im Kopf haben.“Ludwig Flug