Prien – Dort, wo sonst quirliges Leben herrscht, Kofferrollen zu hören sind und Urlauber Erholung finden, herrscht seit Wochen gähnende Leere und Stille. Die Hotelbetriebe in der Region sind eine der Hauptleidenden unter den Beschränkungen der Corona-Krise. Doch wie ist ein Betrieb überhaupt vorstellbar? Wie sieht Gastlichkeit in Zeiten von Corona-Richtlinien aus? Die Politik zermartert sich hierzu aktuell die Köpfe. Ein langsamer Start mit einem Drittel der Umsätze, Frühstücks-Schichten und ausschließlich deutschen Gästen wäre ein gangbarer Weg.
Einbuchen via Touchscreen als Rezeptionsersatz
Rolf Estermann, Hotelbetreiber in Prien arbeitet ebenfalls schon an Vorschlägen, wie sein Hotel möglichst kontaktlos wieder öffnen könnte. Sein Bayerischer Hof verfügt über 63 Zimmer.
70 Prozent davon müsste er von Beginn an nutzen und vermieten können, damit er nicht bei der Wiedereröffnung draufzahle. Estermann ist dabei findig und arbeitete eine kontaktlose Rezeption aus. „Diese wird dann via Touchscreen funktionieren“, erklärt er gegenüber den OVB-Heimatzeitungen.
Was ihm die Sorgenfalten ins Gesicht treibt, ist, dass es keine einheitliche Lösung in Deutschland gebe. „Es ist verständlich, das Hotels in anderen Bundesländern, die weniger betroffen sind, schon öffnen dürfen, aber es muss den Hoteliers auch ein Maß an Eigenverantwortung zugestanden werden“, findet er. Jeder Betrieb sei aber anders konzipiert, könne Bereiche abtrennen oder spezielle Vorkehrungen treffen. „Hotels und Gastronomie über einen Kamm zu scheren, ist nicht möglich“, betont er. Diesbezüglich hat Estermann sich auch an Landtagsabgeordneten Klaus Stöttner, der den Tourismusverband Oberbayern-München führt, gewandt. Er griff Estermanns Ideen auf.
Mehrere Brandbriefe – insbesondere von den Chiemgauer Betrieben – darunter auch von Andreas Neuer (Hotel „Neuer am See“) und Willi Mehlhart (Jägerhof) – erreichten die Politiker in München. Die Konzepte, die sie dem Landtag als Vorreiter für Hotels empfahlen, sahen unter anderem einen kontaktlosen Check-in vor. Neben Desinfektionsmittelspendern ist ein weiterer Baustein der Ablauf des Frühstücks. „Das Frühstück soll es nur im Hotelzimmer, zum Mitnehmen oder mit konkreten Zeitfenstern geben“, schildert Stöttner. Für die beiden Priener Hotelbetreiber Estermann und Neuer ist dies kein Problem. Jedes Zimmer wird bei Estermann mit einem Tablet ausgestattet. Darüber laufe die Information übers Haus, zu Ausflügen, die Fernsehbedienung sowie auch die Kommunikation mit dem Personal des Bayerischen Hofs.
„Via Tablet kann man sein Frühstück ordern oder eine Frühstückszeit buchen. Ist diese vollbelegt, bekommt der Gast eine entsprechende Information“, schildert der Hotelier. Eine Kaffee- sowie Teestation sei bereits standardmäßig auf den Zimmern vorhanden. Auch der Zimmerservice könne einfach – noch mehr als bisher – elektronisch informiert werden, ob Betten machen und Co erforderlich und, wenn ja, wann möglich ist. „Wir müssen hier den Spagat zwischen Vorschriften, Wirtschaftlichkeit und auch Kundenanspruch bewältigen“, so Estermann.
Die Kunden
schätzen
Regionalität
In seinem Haus nächtigen sowohl Geschäftsreisende als auch Urlauber. Estermann hatte bereits das Mittagsgeschäft eingestellt und konzentriert sich auf das Abendessen. „Das war wirtschaftlich eine gute Entscheidung, und die Bilanz hat Recht gegeben, wie wichtig dieser Schritt war. Noch mehr will er künftig auf frische saisonale Küche mit Produkten aus Orten unter 100 Kilometern Entfernung auf die Speisekarte setzen. Apropos Speisekarte. Ob diese laminiert werden muss oder man mit Tafeln im Raum arbeite, weiß der Gastronom noch nicht. Auch ob es Selbstabholung der Speisen an einer Ausgabe geben soll, gehöre noch geprüft. Neuer will mit Tischsets als Speisekarte arbeiten. Denn Gastlichkeit und soziale Kontakte sind in der Gastronomie entscheidende Faktoren.
„Hier müssen wir findig sein. Als Schlüsselersatz sind bei Estermann Karten sowie QR-Codes fürs Handy in der Überlegung. All das soll es am Infopunkt geben – und in beschränktem Ausmaß an der Rezeption. Diese werde – denn nicht alles sei elektronisch zu handhaben – mit einem Sichtschutz aus Plexiglas ausgestattet werden. Verschwunden sind im Bayerischen Hof aus den Zimmern aber bereits die Zeitschriften, Kugelschreiber und Hinweiszettel. Estermann geht davon aus, dass erst im Frühjahr 2022 wieder der richtige Vollmodus in den Hotels gefahren werden könne. Der Verlust bis dahin werde mindestens 750000 Euro betragen. Die ungewollte Ruhephase in dem Betrieb wurde für die Großreinigung aller Teppiche und Matratzen genutzt.
„Der Tourismus wird nur sehr langsam starten, und die Hotels müssen eigenverantwortlich ein auf ihr Haus abgestimmtes Konzept finden und die Leitplanken der Hygiene- und Abstandsregeln umsetzen. Wir haben hier größtes Vertrauen in den Unternehmer, der Interesse hat, dass er keine Ansteckungsgefahr darstellt“, sagt Stöttner.
Krux: Modalitäten stehen noch
nicht fest
Die Corona-Pandemie hat sich im März erheblich auf die Zahl der Gästeübernachtungen in Deutschland ausgewirkt. Besonderes Problem für die regionalen Betriebe: Von Mai bis Oktober müssen sie ihren Jahresumsatz erwirtschaften. Hilfspakete und zügigere Auszahlungen wären hier wünschenswert. „Denn als Betreiber müssen wir bei vielen Zahlungen in Vorleistungen gehen“, so Neuer.
Krux aktuell für alle Gastronomen und Hoteliers: Man wisse zwar, wann man öffnen dürfe, aber das genaue Wie sei nach wie vor offen. „Wir hängen in der Luft“, betonen die beiden Priener unisono.