Prien – Die Schulen in Bayern sind am heutigen Dienstag trotz der anhaltenden Corona-Krise ins neue Schuljahr gestartet – mit Präsenzunterricht. Ministerpräsident Markus Söder hatte zuvor ein neues Hygienekonzept verkündet, um den Schulstart so sicher wie möglich zu gestalten. Unter anderem sind alle Schüler verpflichtet, in den ersten neun Tagen Masken zu tragen. Ausgenommen sind Grundschüler. Wie sich die Franziska-Hager-Schulen in Prien vorbereitet haben, erfuhr die Chiemgau-Zeitung vor dem Schulstart im Gespräch mit Grundschulrektorin Claudia Decker und Mittelschulrektor Marcus Hübl.
Warum sollen die Grundschüler von der Maskenpflicht entbunden werden, Frau Decker?
Claudia Decker: Für die kleineren Kinder ist es schwierig, während des gesamten Unterrichts die Masken zu tragen. Sie können die Atemsituation nicht so aushalten wie Ältere und konzentrieren sich so weniger auf den Unterricht.
Wie werden Ihre Schüler mit der Maskenpflicht umgehen, Herr Hübl?
Marcus Hübl: Die Erfahrung aus dem Unterricht vor den Sommerferien ist sehr positiv, die Schüler waren diszipliniert. Ich glaube, dass es keine Probleme damit geben wird. Schwierig wird’s, wenn Schüler vom Tragen der Maske befreit werden, da wissen wir noch nicht, wie wir damit umgehen sollen.
Ministerpräsident Söder hat festgelegt: Präsenzunterricht geht vor Distanzunterricht. Frau Decker, wie beurteilen Sie dies?
Claudia Decker: Nachdem die Eltern sich voll eingesetzt haben, um ihre Kinder zu Hause zu beschulen, und die Lehrer auch alles getan haben, um das Homeschooling möglich zu machen, sind beide Seiten wohl jetzt mit den Kräften am Ende. Viele Eltern mussten das mit ihrem Beruf verbinden, die Lehrer mussten doppelt den Unterricht vorbereiten und begleiten. Deswegen ist es jetzt ganz wichtig, dass der Unterricht wieder normal stattfinden kann. Ich halte es für einen guten Gedanken, eher intensiv mit der Maske zu arbeiten, als den Unterricht wieder zu teilen oder zu verlagern.
Herr Hübl – aus Sicht der Mittelschule?
Markus Hübl: Das sehe ich auch so. Für die Gymnasiasten – gerade in den höheren Jahrgangsstufen – ist der Distanzunterricht sicherlich leichter zu bewältigen. Aber unsere Schüler an der Mittelschule brauchen den Präsenzunterricht, da gebe ich dem Ministerpräsidenten 100-prozentig recht. Auch die Kleineren brauchen die persönliche Beziehung zum Lehrer – und die anderen Kinder.
Ist Homeschooling wirklich so negativ für die Entwicklung der Kinder, wie in der öffentlichen Diskussion befürchtet wird?
Claudia Decker: Für ihre Entwicklung ist für die kleinen Kinder die Begegnung mit den Mitschülern sehr wichtig. Die Erfahrung, dass die Kinder nach Wiederbeginn des Unterrichts vor den Sommerferien so still und ruhig waren, war für mich eine ganz Besondere. Das machte deutlich, wie verschreckt sie waren durch diese Situation und wie sehr sie die Normalität wieder brauchen.
Haben Sie das bei den älteren Schülern in der Mittelschule auch so erlebt?
Marcus Hübl: Ja. Das Sozialgefüge fehlt beim Distanzunterricht. Ich sehe in erster Linie bei älteren Schülern die Gefahr, wenn sie die häusliche Unterstützung und Begleitung nicht so haben, dass sie verloren gehen…
…wie ist das zu verstehen?
Marcus Hübl: Wenn sie zu Hause nicht mehr betreut werden, die Hausaufgaben nicht mehr machen, nicht mehr erreichbar sind, obwohl wir den Kontakt über verschiedenste Wege gesucht haben… Wenn sie nicht mitmachen wollen, dann wird’s schwierig. Sollte sich jetzt coronabedingt die Situation verschärfen und es wieder Distanzunterricht geben, wird es diesmal auch Leistungskontrollen geben. Dann wird ein anderer Druck dahinterstehen. Der Distanzunterricht hat Stofflücken geschaffen, die es jetzt zu schließen gilt.
Interview: Ulrich Nathen-Berger