Übernahme als Innovationsmotor

von Redaktion

Jell GmbH erweitert durch Know-how aus Waldkraiburg – Biokunststoffe als Zukunft

Bernau/Grassau – Investieren, und das zu Corona-Zeiten? Und dann noch in einem innovativen Umfeld, dessen Markt erst noch wachsen muss? Noch vor einem halben Jahr gaben 45 Prozent der deutschen Firmen an, wegen der Pandemie weniger Geld ausgeben zu wollen. Hervor ging dies aus einer Umfrage der Europäischen Investitionsbank (EIB) unter 13300 europäischen Unternehmen.

Die Geschäftsführung der Jell GmbH & Co. KG aus Bernau zeigte sich dagegen mutig und hat sich jüngst zur Übernahme der Waldkraiburger Wenzel GmbH, ein Spezialist für Spritzguss und Bedruckung, entschlossen. Dies geschah im Rahmen eines Asset Deals, bei dem Kunden, Personal und Firmeninventar übernommen wurden – für eine sechsstellige Summe.

3-D-Druck-Sparte
stärken und ausbauen

Das Bernauer Unternehmen Jell ist spezialisiert auf den Druck von Bauteilen und Prototypen aus Metall im 3-D-Verfahren. Die Konstruktion von Spritzgussformen sowie die Entwicklung von Baugruppen und Geräten gehörte schon vor der Übernahme zum Portfolio. Jetzt, nachdem das Familienunternehmen durch das Know-how aus Waldkraiburg erweitert wurde, präsentiert sich Jell als Komplettanbieter am Markt.

„Wir haben schon länger überlegt, wie wir die Firma weiterentwickeln können“, erzählt Geschäftsführer Gregor Jell im Gespräch mit unserer Zeitung. Einen Anstoß für die Expansion hätten wichtige Kunden gegeben, Bosch und Siemens, deren Kaffeemaschinensparte Jell betreut: Im Raum stand, künftig selbst Teile für Prototypen oder Kleinserien zu fertigen, nachdem der Markt Lösungen für die Serienfertigung aus einer Hand wünscht. „Wir entschieden uns dafür, die ganze Prozesskette anzubieten, nur für die Kunststoffserienproduktion konnten wir das vor der Übernahme noch nicht“, sagt Jell. Nun können die Bernauer ihre 3-D-Druck-Sparte mit Aufträgen für Spritzguss stärken und dafür die Werkzeuge im eigenen Haus bauen.

Schon länger beschäftigt man sich bei Jell zudem mit Biokunststoffen und mit Nachhaltigkeit: „Die nächste Herausforderung ist, wie wir das im Bereich Spritzguss als weiteres Standbein etablieren können.“

Der Bereich gilt als hoch innovativ. Noch sind es wenige Unternehmen europaweit, wenn nicht sogar weltweit, die sich mit Biokunststoffen ernsthaft auseinandersetzen. Hier ergeben sich für Jell durch die Übernahme von Wenzel ganz neue Möglichkeiten: Das Unternehmen produzierte Werbemittel, üblicherweise aus Kunststoff, woraus sich ein neues Handlungsfeld für die Bio-Varianten ergibt. Das könnte auch den 3-D-Bereich weiter beleben, der zuletzt in der Pandemie Umsatzeinbußen wegstecken musste, ist Gregor Jells Überlegung.

Aus dem alten Waldkraiburger Standort sind die ehemaligen Wenzel-Mitarbeiter schon ausgezogen. Die Spritzguss-Abteilung ist nach Grassau gewandert, wo man Räume auf 500 Quadratmetern im Ex-Katek-Gebäude bezogen hat. Jenes hat mittlerweile die Gemeinde Grassau erworben und vermietet Flächen. Das einstige zweite Wenzel-Standbein, die Bedruckung von Kunststoffteilen, bleibt in Waldkraiburg. Langjährige Kunden sind unter anderem der FC Bayern München und die Lufthansa. Mit den übernommenen sieben Mitarbeitern ist das Jell-Team jetzt 35-köpfig. Zentraler Standort soll Bernau bleiben.

Bei Jell verspricht man sich alles in allem ein Wachstum von zehn Prozent im ersten Jahr, inklusive Biokunststoffbereich. Gerüstet für die Zukunft ist man nun auf jeden Fall, wie Jell schildert: „Die EU-Gesetzgebung gibt vor, dass bis 2030 Werbeprodukte nachhaltig beziehungsweise recycelfähig sein müssen. Die Branche muss umrüsten.“

Überzeugungsarbeit
in diversen Branchen

Dass 3-D-Druck dabei eine wesentliche Rolle spielen kann, davon ist die Europäische Kommission in ihrer „Strategie für Kunststoffe in der Kreislaufwirtschaft“ überzeugt, welche 2018 ausgearbeitet wurde. Darin halten die Autoren auch fest, dass weltweit jährlich fünf bis 13 Millionen Tonnen Kunststoffe im Meer landen; in der EU jährlich bis zu 500000 Tonnen. Um dem Plastikmüllproblem Herr zu werden, setzt man unter anderem große Hoffnung auf Biokunststoffe, heißt es.

Gute Chancen also für Unternehmen wie Jell. Die Bernauer haben neue Produkte und Projekte in Planung, arbeiten dafür etwa mit einem Berliner Start-up zusammen. Mit zwei bekannten Kosmetikfirmen befindet man sich derzeit in intensiven Gesprächen über Verpackungen aus Biokunststoff. „Vielen ist nicht bewusst, wie vielfältig die Möglichkeiten auf dem Gebiet sind. Wir wollen zu den Pionieren gehören“, sagt Gregor Jell.

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