Unterwössen – Auf dem Gelände der ehemaligen Holzhandlung Döllerer geht nun das groß angelegte Projekt der Lebenshilfe Traunstein, „Gemeinsames Wohnen und Beschäftigung“ (wir berichteten), in Betrieb.
Froh über den Start ist vor allem eine: Annemarie Funke, Geschäftsführerin der 1969 als Elterninitiative gegründeten Lebenshilfe.
Bedenken vom Anfang verflogen
„Am Anfang hatte ich ein wenig Sorge, ob zwei nebeneinander laufende Großbauprojekte auf einem Grundstück gelingen“, spielt sie auf den gleichzeitigen Bau eines genossenschaftlichen Wohnhauses der Immobiliengesellschaft MARO an. Zunächst schien alles zeitlich nach Plan zu laufen, ab dem Sommer aber bekam die Lebenshilfe coronabedingte Lieferverzögerungen beim Material zu spüren. Bis Anfang Oktober habe man gezittert, ob die Ausstattung der einzelnen Bewohnerzimmer rechtzeitig einträfen; es fehlten Pflastersteine, Elektro- und Sanitärarbeiten verzögerten sich. Nun ist der holprige Anfang vergessen – und mit dem Stützpunkt im südlichen Landkreis hat die Lebenshilfe in Unterwössen ein Vorzeigemodell geschaffen.
Der Komplex für das gemeinschaftliche Wohnen besteht aus 29 Wohneinheiten. 23 Menschen mit geistiger Behinderung, darunter auch Senioren, finden dort ihr Zuhause. In einer Trainingswohngemeinschaft von zwei Personen mit Behinderung im Erdgeschoss bereiten sie sich darauf vor, allein zu leben, nur noch stundenweise betreut zu werden. In vier Sozialwohnungen wohnen Senioren ohne Behinderung. Die Bewohner arbeiten tagsüber in der Behindertenwerkstatt, die Senioren mit geistiger Behinderung erhalten Angebote vor Ort, die ihren Tag strukturieren. Daraus soll sich eine Verbindung mit inklusiven Angeboten des Sozialvereins Wössner Regenbogen ergeben.
Im pädagogischen Bereich arbeiten 21 Mitarbeiter in Teilzeitbeschäftigung, die meisten von ihnen sind ausgebildete Fachkräfte. Drei Reinigungskräfte vervollständigen das Team. Zurzeit fehlen der Lebenshilfe in Unterwössen noch wenige Teilzeitkräfte für den Nachtdienst, „gesucht werden ausgebildete Fachkräfte“, so Geschäftsführerin Funke.
Besonders stolz ist man auf das Café und Bistro mit großer Küche, ein Inklusionsbetrieb. Hierzu habe, so Annemarie Funke, Adelheid Meirer vom Wössner Regenbogen, Ideen geliefert.
Die Vorsitzende des Wössner Vereins habe die Sorge um die Mittagsversorgung im Familienzentrum im alten Bad gedrängt. Schule und Kindergarten hätten Bedarf an gesundem, frischem Mittagessen. So versorgt die Lebenshilfe seit Beginn des Schuljahres die Kindertagesstätte, den Kindergarten St. Martin und die Grund- und Mittelschule mit frisch gekochten Speisen. „Wir möchten in Unterwössen eine kleine gastronomische Lücke schließen“, sagt Funke, und spricht auch über Ideen zu Essen auf Rädern für Senioren und saisonalen Veranstaltungen.
Die gemeinnützige Lebenshilfe ist 100-prozentiger Gesellschafter des Inklusionsbetriebs. „Damit betreten wir Neuland“, so Funke.
Großzügige
Spender halfen mit
„Der Start war nicht einfach. Aber unser Koch Mario Fritzenwallner hat uns schon im Vorfeld unterstützt, die Küche passend einzurichten.“ Denn auch hier arbeiten drei Menschen mit Behinderung.
Das 7,1-Millionen-Euro-Projekt blieb laut Funke im finanziellen Rahmen. Finanziert wurde es über die Regierung von Oberbayern aus Mitteln des geförderten sozialen Wohnungsbaues. Dazu fließen in den Inklusionsbetrieb noch Mittel der „Aktion Mensch“, der regionalen Stiftung Dr. Johannes Heidenhain sowie der Bayerischen Landesstiftung, dazu auch Spenden großzügiger Geber.
Hans Döllerer, dem Verkäufer des Grundstückes, fühlt sich Funke zu großem Dank verpflichtet: „Ohne ihn gäbe es das Projekt nicht.“ Er habe „nicht den Profit, sondern die soziale Verantwortung“ gesehen.