Traunstein – Covid-Patienten binden in den Kliniken Südostbayern (KSOB) mehr als das Doppelte an Pflegekräften, als andere Intensivpatienten. Weil damit Personal an anderer Stelle fehlt, können nicht alle Betten belegt werden. Die Klinikdisponenten – landläufig auch Bettenkoordinator genannt – tun sich immer schwerer, Notfallpatienten unterzubringen. Die Lage auf den Intensivstationen ist angesichts der hohen Corona-Infektionszahlen äußerst angespannt. Die ChiemgauZeitung hat im Klinikum Traunstein nachgefragt.
Leiterin Antonia Eglseer, die unter anderem die Klinikdisponenten in ihrer Abteilung hat, gibt zu: „Es gibt schon eine Verzweiflung, gerade wenn der Rettungsdienst einen schwer kranken Patienten draußen hat und der Disponent muss erst minutenlang telefonieren und ein Bett in unserem Klinikverbund suchen.“ Denn der geeignete Platz ist von mehreren Faktoren abhängig, etwa, ob ein Beatmungsgerät frei ist.
Bis jetzt noch immer
einen Platz gefunden
„Bis jetzt gelingt es uns immer, Platz zu finden“, fährt Eglseer fort. Das liege am extrem engagierten Personal und der hervorragenden Zusammenarbeit. „Trotzdem ist die Unsicherheit groß. Was passiert, wenn etwas nicht mehr geht?“ In dem Fall müsste die Integrierte Leitstelle versuchen, den Patienten außerhalb der Kliniken Südostbayern unterzubringen. Allerdings ist es so, dass auch rundherum die Lage nicht besser aussieht.
Szenenwechsel zu zwei Mitarbeitern, die auf der Intensivstation im Klinikum Traunstein an vorderster Front stehen. „Wir müssen jeden Tag um Personal kämpfen“, sagt Alexander Heinrichs, stellvertretender Stationsleiter der medizinischen Intensivstation. Kollegen aus anderen Stationen unterstützten, doch die Kerntätigkeiten wie Beatmungstherapie, Monitoring oder die kreislaufunterstützende Medikation könne nur das Stammpersonal leisten. Covid-Patienten bedeuteten einen weit höheren Aufwand, alleine das An- und Ablegen der Schutzkleidung kostet wertvolle Minuten.
Sebastian Eicher, Stationsleiter der Operativen Intensivstation Süd, erklärt: „Die Verweildauer der Patienten hat sich verlängert, das Durchschnittsalter ist seit der ersten Welle gesunken.“ Jüngere Covid-Patienten zwischen 17 und 25 Jahren, die auf der Intensivstation behandelt werden müssen, zeigten schwere Verläufe, so Heinrichs. 75 bis 80 Prozent seien ungeimpft, sagt Eicher. „Es beschäftigt einen sehr, wenn die Patienten von jetzt auf gleich gesundheitlich einbrechen und sich der Zustand rapide verschlechtert und wenn der Patient dazu noch recht jung ist“, schildert Heinrichs.
Hinzu komme die prekär zugespitzte Lage: „Das ist eine wahnsinnige emotionale Last. Wir versuchen, zusätzliche Betten zu generieren, und gleichzeitig ist uns klar, dass wir dann Abstriche in der Grundversorgung machen müssen, weil wir personell an unsere Grenzen stoßen.“
Im Sommer keine
Verschnaufpause
Eine Verschnaufpause fürs Pflegepersonal gab es im Sommer nicht, denn neben dem regulären Alltag waren zahlreiche Operationen nachzuholen. Eicher spricht ein Problem an, das er in der Pflege schon seit Jahren sieht: „Mehr Arbeitslast wird auf weniger Köpfe verteilt.“ Jetzt auch noch verschärft durch die Corona-Pandemie. „Mich stresst am meisten, dass ich nicht weiß, was jetzt noch auf uns zukommt.“ Dazu treibt den Stationsleiter noch eine weitere Sorge um: „Wir arbeiten jetzt schon am Anschlag. Was ist, wenn Personal ausfällt?“
Auch der normale Alltag gehe weiter, es passieren Verkehrsunfälle und Herzinfarkte. Viele Nichtgeimpfte hätten vielleicht kein Intensivfall werden müssen. Beide Pfleger haben im Kopf, dass durch die hohe Belastung ein folgenschwerer Fehler passieren könnte. Bei all den Schwierigkeiten und manchmal sogar Hadern mit dem eigenen Beruf, sei es schön, Menschen helfen zu können, verbunden auch mit schönen Momenten, wie Heinrichs erzählt: „Wenn ein Patient, um den wir lange gekämpft haben, auf Reha entlassen werden kann, das ist den Einsatz wert.“