Marquartstein – Seit Kurzem darf sich das Gymnasium Landschulheim Marquartstein „Schule ohne Rassismus, Schule mit Courage“ nennen. Bei einem kleinen Festakt mit Vertretern von Schülern aus allen Klassenstufen wurde der Schule offiziell die Urkunde „Schule gegen Rassismus“ verliehen.
Auf Initiative einiger Schülerinnen der Oberstufe und von Geschichtslehrer Volker Pöhlmann setzte sich eine Gruppe von Schülerinnen dafür ein, dass am Gymnasium Marquartstein künftig ganz gezielt gegen Rassismus gearbeitet und vor allem die Sensibilität aller dafür geweckt wird.
Klare Mehrheit
bei Abstimmung
Miriam Lorenz und Johanna Meidenbauer aus der Q12 stellten vor, wie es zu dem neuen Prädikat für die Schule kam und was damit gemeint ist. Schon im vergangenen Schuljahr war bei einer Abstimmung via Internet beschlossen worden, sich für das Prädikat einer Schule gegen Rassismus zu bewerben. Mehr als 73 Prozent der befragten Schüler waren dafür.
Das Team der Schülerinnen um Volker Pöhlmann war vor der Abstimmung durch die Klassen gegangen und hatte den Begriff „Rassismus“ erklärt. Darunter ist nicht nur die Ausgrenzung von Menschen wegen ihrer Hautfarbe, Abstammung, Körpergröße, Haarfarbe oder Kultur zu verstehen, sondern auch die Herabsetzung eines Menschen wegen seiner religiösen Überzeugung oder sexuellen Orientierung.
Das Schulleitbild soll deshalb sein „Alle Menschen sind gleich viel wert.“ Das bedeutet das neue Schild „Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage“, erklärten die Schülerinnen.
Bei der – wegen Corona klein gehaltenen – Veranstaltung im Festsaal sandte die Bundestagsabgeordnete Bärbel Kofler als Patin der Schule gegen Rassismus eine Videobotschaft zur offi-ziellen Titelverleihung. Sie bedauerte, wegen wichtiger anderer Termine nicht selbst anwesend sein zu können, betonte aber, dass diese Veranstaltung von besonderer Bedeutung sei. „Rassismus ist ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit und geht uns alle an“, so Kofler. Auch der Bundestag habe im März dieses Jahres beschlossen, das stark missbrauchte und fehlinterpretierte Wort „Rasse“ aus dem Grundgesetz zu streichen und durch „aus rassistischen Gründen“ zu ersetzen.
Weitere Referentin war die Sprachforscherin Hülya Ilter mit türkischen Wurzeln, die Geschichte und Kulturwissenschaft studierte und an Realschulen unterrichtete. Jetzt ist sie freiberufliche Dozentin an der Universität Augsburg und am dortigen Lehrstuhl für Erwachsenenbildung. Sie hielt mit dem Schülerteam in Marquartstein verschiedene Workshops ab und wird die Schule auch bei weiteren Veranstaltungen und Projekten zum Thema Rassismus unterstützen.
Bei der Auftaktveranstaltung wies sie auf die große Bedeutung der Sprache hin, bei der meist Ausgrenzung und latente Aggressivität am deutlichsten zum Ausdruck kommen. Auch der Duden weise inzwischen auf unangemessenen Sprachgebrauch hin.
Das N-Wort
und „Zigeuner“
Ihr Referat, zum Beispiel zur umstrittenen Frage, ob das Wort „Negerkönig“ aus Pippi Langstrumpf gestrichen und vielleicht durch „Südseekönig“ ersetzt werden sollte, gab viel Stoff zum Nachdenken und für die anschließende rege Diskussion von Lehrern und Schülern aller Klassenstufen. Einer meinte, das „N-Wort“ sei eine viel schlimmere Beleidigung als es „Neger“ je sein könnte. Eine Schülerin, die in Rumänien aufgewachsen ist, sagte, dort würden sich Zigeuner – bei uns ein „total verbotenes Wort“ – selbst so bezeichnen und es sei gar keine Beleidigung.
Emmy Hünseler aus der Q11, die zum Organisationsteam gehört, sagte, dass „du Schwuchtel“ oder „Schlampe“ durchaus auch auf dem Schulhof noch oft zu hören sei. Das zeige, wie wichtig das Projekt an der Schule sei. Pro Schuljahr soll am Gymnasium Landschulheim Marquartstein künftig eine Veranstaltung zu dem Thema stattfinden.