Hilferufe in Prien für die Ukraine

von Redaktion

Die Verzweiflung ist groß bei den Landsleuten vor Ort – „Nie wieder eine Diktatur“

Prien Schock, Verzweiflung, Wut – die drei in Prien lebenden Ukrainer Julia Betsova, Iryna Inninger und Oleksii Sysoier sind erschüttert über den Einmarsch russischer Truppen in die Ukraine. Sie durchleben schlaflose Nächte. Im Gespräch gestern mit den OVB-Heimatzeitungen fordern sie den Westen und insbesondere Deutschland auf, Putin Einhalt zu gebieten. Sie sagen: „Der Westen muss uns helfen. Wir stehen an vorderster Front für die Werte Europas!“

Mutters Video zeigt Bombardierungen

Iryna Inninger betont: „Wir können nicht schlafen, essen, wir schauen die ganze Zeit Nachrichten.“ Während des Interviews legt das Trio das Handy nicht aus der Hand, dauernd piepst es von eingegangenen Nachrichten und plötzlich ertönt ein aufgeregter Ausruf von Julia Betsova. Sie hat soeben über Whatsapp ein Video von ihrer Mutter aus Kiew bekommen, das Bombardierungen zeigt. Sie suche Schutz im Keller des Hauses.

Julia Betsova hatte gehofft, dass sich ihre Mutter mit einem Zug nach Warschau in Sicherheit bringen kann. Das sei nicht mehr möglich, da die Ukrainer sämtliche Brücken gesprengt hätten, um den Vormarsch der russischen Soldaten auf die Hauptstadt aufzuhalten. Julia Betsova ist wie ihr Mann und ihre Freundin in großer Sorge um Verwandte und Freunde in der Ukraine, darunter mehrere Cousins und ein Bruder, die nun mit Waffen ihr Land verteidigen müssen. Julia Betsova erzählt mitgenommen von der Whatsapp-Nachricht eines Cousins aus der Ukraine, die sie am Donnerstag erhielt – der Tag, an dem der Krieg in den frühen Morgenstunden losgebrochen war. Auf dem Foto seien persönliche Dokumente abgebildet. „Er hat mich gebeten, nach seinem dreijährigen Sohn zu suchen, falls er stirbt. Er bindet die Unterlagen am Körper seines Sohnes fest“, sagt Julia mit gepresster Stimme.

Iryna Inninger berichtet von vielen Anrufen von Menschen aus der Ukraine, die bei ihr nachfragen, ob Deutschland Flüchtlinge aufnehme. Die zweifache Mutter ist bei dem Gespräch sichtlich erregt. „Wir fühlen uns vom Westen verraten“, sagt sie und fügt an: „Sie (der Westen, Anm. d. Red.) sollen uns helfen. Wir schützen euch alle.“

Sie bezeichnet Putin als geisteskrank, nicht mehr bei Sinnen, sie wirft ihm faschistische Ideologien und langjährige Propaganda vor: „Er träumt davon, Länder einzusammeln und nach dem Vorbild der ehemaligen UdSSR zusammenzuführen. Er will in die Geschichte eingehen als der Mann, der das geschafft hat.“

Tiefstes Misstrauen gegenüber Putin spricht aus ihrer Stimme – genährt von den Erfahrungen der Ukraine und in der eigenen Familie, wie sie sagt. Julia Betsova und Iryna Inninger sind am Donnerstagvormittag mit einem Transparent mit der Aufschrift „Putin tötet die Ukraine“ durch das Zentrum Priens gegangen.

Das Trio hat sich auch vor dem Bahnhof aufgestellt. Viele Menschen haben ihnen zufolge durchaus solidarisch darauf reagiert. Vereinzelt habe es sowohl von Deutschen als auch von Russen verärgerte und ablehnende Reaktionen gegeben, berichten sie.

Mit Transparent gegen Putin

Iryna Inninger hat nie Putins Versprechungen geglaubt, dass es sich bei den Truppenverlegungen der vergangenen Monate an die ukrainische Grenze nur um Übungen gehandelt habe, wie sie sagt. Sie appelliert an die Menschen in Deutschland, auf die Straße zu gehen: „Wir haben hier Meinungsfreiheit und können demonstrieren. Wir wollen Putin zeigen, dass wir gegen seine Vorgehensweise sind.“

Julia Betsova hofft indes darauf, dass Menschen aus der Ukraine in ganz Europa zu Familienangehörigen fliehen und sich in Sicherheit bringen können. Iryna Inninger fordert vom Westen die Sanktionen, „die versprochen wurden, sobald ein russischer Stiefel die Ukraine betritt.“ Und sie sagt eindringlich: „Wir wollen nie wieder eine Diktatur, wir wollen Demokratie.“

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