Landkreis Traunstein – Die Liste der aktuellen Stellenangebote ist ellenlang: 22 Mitarbeiter sucht die Lebenshilfe im Landkreis Traunstein momentan, vor allem im Pflege- und Erziehungsbereich. Aber es ist nicht so, dass sich niemand bewirbt. „Immer wieder melden sich passende Erzieher oder Pfleger. Aber wir dürfen sie nicht einstellen, weil sie nicht gegen das Corona-Virus geimpft sind. Da blutet mir das Herz“, klagt Annemarie Funke, Geschäftsführerin der Lebenshilfe Traunstein, im Gespräch mit den OVB-Heimatzeitungen. Fünf oder sechs Bewerbern musste sie in den vergangenen beiden Monaten nur deswegen absagen.
Wohin mit
den Bewohnern?
Seit Mitte März gilt die einrichtungsbezogene Impfpflicht im medizinischen und Pflegebereich. Das Thema geht bei der Traunsteiner Lebenshilfe an die Substanz. Fast jeder Fünfte von den 425 Mitarbeitern im Betreuungsbereich ist ungeimpft. „Noch hat es keine Betretungsverbote durch das Gesundheitsamt gegen die 80 Personen gegeben“, so Funke. Käme es soweit, müssten laut der Geschäftsführerin mehrere kleine Standorte geschlossen werden – oder ein großer Stützpunkt, wie die Förderstätte in Altenmarkt. Funke ist „guter Dinge“, dass die 80 Ungeimpften weiterarbeiten könnten: „Wo sollten unsere Bewohner sonst auch hin?“ Ihre Hauptforderung an die Politik lautet trotzdem: „Sofort die Impfpflicht aussetzen. Und wenn wir unseren Versorgungsauftrag sonst nicht mehr sicherstellen können, sollten wir auch Ungeimpfte einstellen dürfen.“ Erst Anfang Juni wandte sich die Lebenshilfe-Geschäftsführerin an Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD): „Ich verantworte die Personalsituation in unseren Einrichtungen. Ich bitte Sie, mir (…) zu erlauben, auch ungeimpfte Bewerber einstellen zu dürfen“, hieß es in dem Schreiben, das unserer Zeitung vorliegt, unter anderem.
Wegen des Personalmangels können neue Bewohner bei den Lebenshilfen oft nicht aufgenommen werden: „Wir schauen uns jeden Fall genau an, ob sie dann länger in den Familien oder der Schule bleiben können.“ Kein Verständnis hat Annemarie Funke auch deshalb, weil „corona-mäßig inzwischen fast alles wieder erlaubt“ sei – „aber wir bekommen Impf-Regeln übergestülpt“. Die betreuten Bewohner seien aber zu 95 Prozent gegen das Corona-Virus geimpft.
Rentner helfen stundenweise aus
Die Corona-Impfpflicht sei für die Branche aber nicht das einzige Problem beim Fachkräftemangel. Verwandte Berufsgruppen wie Logopäden oder Physiotherapeuten sollten mit einer vereinfachten Zusatzprüfung ebenfalls als Fachpersonal der Erziehungs- und Pflegebranche anerkannt werden. Fachkraft-Abschlüsse aus dem EU-Ausland werden nicht automatisch anerkannt – auch nicht aus Österreich. Auch hier müsse die Politik ansetzen, fordert Funke. Derweil feilt man bei der Traunsteiner Lebenshilfe an einem Personalakquise-Programm, um Bewerber zu finden – und greift stundenweise auf Rentner zurück, die früher in der Branche gearbeitet haben.