von Redaktion

Interview Geologe Ulrich Steiner gartelt im Gemeinschaftsgarten am neuen Standort

Prien – Von Beruf ist Ulrich Steiner Geologe – seine Berufung aber das Garteln im Priener Gemeinschaftsgarten. Ein Projekt, das er in 2021 erfolgreich mit 15 Gleichgesinnten aufgebaut hat. Zugute kommt dem Priener Grünen-Marktgemeinderat dabei sein berufliches Fachwissen. Wie, hat der 52-Jährige im Interview mit den OVB-Heimatzeitungen verraten.

Auf welche Ernte freuen Sie sich heuer besonders?

Auf die Kohlernte. Ich pflanze sehr viel Kohl an, weil ich es im Winter liebe, das selbst gemachte Sauerkraut zu genießen.

Bereiten Sie das traditionell im Steinfass vor?

Das habe ich probiert, aber wenn das dann einmal nicht funktioniert, ist das gesamte Fass verdorben. Deshalb hab‘ ich mich darauf spezialisiert, alte Sauerkrautgläser entsprechend zu präparieren, um das Kraut portionsweise abzufüllen.

Das lässt viel Arbeit vermuten – wie oft gehen Sie in der Woche zum Garteln?

Gar nicht so oft – pro Woche vielleicht etwa eine Stunde. Dann jäte ich Unkraut – oder Beikraut, wie es in der biologischen Landwirtschaft heißt. Schön ist dann das Treffen mit Gleichgesinnten, ein Ratsch gehört natürlich auch dazu.

Ist Ihr Einsatz im heimischen Garten intensiver?

In unserem Hausgarten baue ich zwar Tomaten und Bohnen an und pflege auch ein Hochbeet. Aber der Ertrag ist bei Weitem nicht so groß wie auf unserem Gemeinschaftsacker. Das ist überwältigend, was wir heuer von dort mitnehmen können.

Sie sind Geologe von Beruf. Geologen erforschen laut Berufsbeschreibung Entstehung, Aufbau und Entwicklung der Erde. Gibt’s da einen Zusammenhang mit Hobby und Ertrag?

(Zögerlich) Ja – in der Form, dass wir derzeit lernen müssen, wie wir den Gartenboden verbessern können, um gute Erträge zu bekommen. Bodenkunde hatte ich als Fach im Studium. Dabei kommen alle chemischen, mineralogischen und hydrogeologischen Aspekte zusammen. Der Boden ist für mich ein ganz tolles Lebewesen. Die Aktivierung dieses Boden-Lebewesens stellt die Gartler immer wieder vor große Herausforderungen. Das Wachsen der angebauten Pflanzen läuft dann sozusagen automatisch ab. Geologie ist meiner Ansicht nach die Wissenschaft, die unter den Füßen anfängt. So habe ich es für mich entdeckt.

Vor diesem Hintergrund müssten Sie doch eigentlich mit der Landwirtschaft auf Kriegsfuß stehen, die uns regelmäßig mit ihrem Gülleaustrag die Nase vernebelt?

Seitdem ich an dem Projekt Gemeinschaftsgarten arbeite, bewerte ich das etwas anders. Schließlich versorgt die Landwirtschaft uns regelmäßig mit relativ guten Nahrungsmitteln. Günstiges Essen für alle ist ein wesentlicher Pfeiler unserer Demokratie. Was wir in unserem kleinen Projekt betreiben, ist nicht vergleichbar. Es ist sozusagen ein Real-Labor mit Ausprobieren und Verbessern…

…aber schütten Sie Gülle auf Ihren Gemeinschaftsgarten? Was macht die mit dem Boden?

(lachend) Nein, wir bringen biologischen Mist aus, den wir ein Jahr auf Vorrat lagern und dann gezielt in den Boden einbringen. Vor allem für die Pflanzen, die Vielzehrer sind wie Kohl. Was wir nicht machen, ist alles in Bausch und Bogen zu düngen. Wir wissen genau, dass zum Beispiel die Karotten keine Düngung brauchen. Es geht um ein Zusammenspiel aus Wasser, Bodenlebewesen, Bodenkrume, Humus sowie Nähr- und Mineralstoffe. Wenn das alles so betrieben wird, dass der Boden lebt, dann wird die Gülle eigentlich nicht mehr so sehr gebraucht. Die Gülle ist nur ein Teil in diesem Zusammenspiel. Damit werden die Pflanzen in einer Tour „aufgepimpt“. Aber die Bodenfruchtbarkeit nimmt dadurch nicht unbedingt zu, sondern hat zur Folge, dass immer mehr Gülle zugeführt werden muss, um das Wachstum zu fördern. Bis irgendwann der Boden tot ist. Es gibt Bestrebungen, sich stärker auf die Bodenverbesserung zu konzentrieren und nicht nur einfach Nährstoffe oder Mineraldünger zuzuführen.

Im Jahr 2021 haben Sie Ihr Projekt mit 15 Gartlern im Eichental erfolgreich umgesetzt. Jetzt ist der Gemeinschaftsgarten umgezogen. Warum und wohin?

Wir erhielten die Ansage vom Verpächter, dass wir auf der Fläche dort nicht mehr anbauen dürfen. Michael Feßler von der Chiemsee-Schifffahrt hat uns zum Glück auf seinem zentrumsnahen Grund zwischen der Systemform und der Firma Mey ein 2800 Quadratmeter großes Ackerareal verpachtet, wofür wir ihm sehr dankbar sind. Es hat zwar ein urbanes Flair, aber es liegt am Mühlbach und ist ein sehr fruchtbares Stück Land. Im Februar hatten wir mit der Bebauung angefangen, das Ergebnis lässt sich jetzt schon sehen – es ist schon überwältigend. So haben wir vor Kurzem etwa fünf Kilogramm Bohnen geerntet, die wir nicht alleine verwerten konnten und verteilt haben. Und weil sich die Priener Tafel immer wieder über frisches Gemüse für ihre Kunden freut, unterstützen wir die Einrichtung mit unserer Ernte.

Interview: Ulrich nathen-Berger

„Geologie fängt unter den Füßen an“

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