Eine Frau im Ausnahmezustand

von Redaktion

Kathi Schmid managt seit einem Jahr die Unterstützung des Helferkreises für Ternopil

Rohrdorf/Prien Binnen Stunden glühten die Drähte. Hauptansprechpartner des Helferkreises ist Pfarrer Firman. Er ist Generalökonom – quasi Finanz- und Wirtschaftsminister – der Diözese Ternopil und rechte Hand des Erzbischofs Vasyl Semenjuk. „Wir mussten ja wissen, was akut gebraucht wird“, erklärt Kathi Schmid. Dass es zum Teil ganz andere Dinge sein würden als in den vielen Jahren zuvor, das war klar. Bis vor einem Jahr leistete der Helferkreis Hilfe zur Selbsthilfe. Jetzt geht es ums Überleben.

Am hilfreichsten
sind Geldspenden

Und die Mengen mussten andere sein. Denn in Ternopil, im Westen der Ukraine gelegen, kommen zu den dort lebenden Menschen noch 80000 Flüchtlinge, die in der Diözese Schutz suchen – und finden.

Ganz schnell war klar, dass Geldspenden am hilfreichsten sind, „denn dann können wir gezielt einkaufen“, sagt Kathi Schmid. Ihr Co-Vorsitzender Fritz Tischler bat zu seinem runden Geburtstag um Spenden, andere tun das auch. Die Benefizveranstaltungen seien im Laufe der Zeit merklich zurückgegangen, stellt Kathi Schmid fest, ebenso die privaten Spenden. Da sei sie schon froh, dass „Sternstunden“ wieder einen sechsstelligen Betrag zugesagt habe. Und dass es reiche Ukrainer gibt, die der Diözese unter die Arme greifen. „Sonst würde es nie reichen.“

Sachspenden sammelt der Helferkreis seit Jahren ganz gezielt. Und hält das auch weiter so. Wer mit einem Notstromaggregat anklopfte, wie der Landkreis Rosenheim, war willkommen. Auch die Großspende eines Produzenten für Baby- und Kindernahrung nahmen die Helfer gerne an. Kleidung hingegen nicht, „da kümmern sich andere.“

Eingekauft wird am liebsten in der Ukraine, denn das stärke dort die Wirtschaft, so Schmid – und muss nicht über Tausende Kilometer transportiert werden. Auch bei einer ukrainischen Spedition ist die Fahrt nicht unter 2500 Euro zu haben. Für die Verteilung in der Diözese hat der Helferkreis einen gebrauchten 7,5-Tonner gekauft und vollbepackt nach Ternopil geschickt.

Mehr als 150 Tonnen Sachspenden brachte der Helferkreis bei bisher 17 Fahrten auf den Weg. Unterstützt auch von der Feuerwehr Prien, die unter anderem für den Transport des großen Notstromaggregats sorgte. Da war es mit einer Fahrt an die Grenze nicht getan, die drei Priener Feuerwehrler mussten ins Land. Im Vorfeld sei da schon „eine gewisse Unsicherheit“ gewesen, gesteht Walter Freitag. Während der rund 600 Kilometer im Land dann gar nicht. Auch im Dunkeln nicht. Sie kamen erschöpft an, luden ab, schauten sich ein wenig um, und dann ging es zurück. Seitdem ist Freitag sicher: „Es kommt alles genau da an, wo es hin muss.“ Und sie kamen mit Eindrücken zurück, die sie nie vergessen werden.

Auch wenn Ternopil nur sporadisch beschossen wird, wie Kathi Schmid berichtet. Die Infrastruktur ist kaputt, die Notstromaggregate sind im Dauereinsatz, denn dass es mal drei Tage am Stück Strom gibt, wie erst kürzlich, ist selten.

Zerbombte
Infrastruktur

Meist gibt es drei Stunden Strom, dann wieder sechs Stunden keinen. Mindestens einmal am Tag gibt es Alarm, und dann geht‘s in die Schutzkeller. In den großen Kirchen der Diözese gibt es Bombenschutzkeller für die Bevölkerung. Pfarrer Firman bringt in diese Räume Trinkwasser in PET-Flaschen, die in der von ihm gebauten Wasserabfüllanlage in Zarvanytsja befüllt werden. Die Geistlichen in der Diözese Ternopil tun laut Schmid ihr Möglichstes, das Leben der Menschen, vor allem der Flüchtlinge, leichter zu machen. Am Anfang sei es noch ziemlich chaotisch zugegangen, jetzt sei alles recht gut organisiert. So wurden drei Zentrallager geschaffen, in der alle zur Verfügung stehenden Lebensmittel gesammelt werden. Der aus dem Chiemgau stammende Kleinlaster verteile dann die Pakete.

Zweimal im Monat ist an der Kathedrale von Ternopil Paketausgabe für Flüchtlinge. Dann winden sich Menschenschlangen um die Kirche. Bis zu 2300 Pakete mit Grundnahrungsmitteln im Wert von jeweils zehn Euro verteilt die orthodoxe Kirche dann kostenlos – eines pro Haushalt. Allein für diese Aktion benötigt Pfarrer Firman etwa 45000 Euro im Monat. Da bekommt er, erzählt Schmid, allerdings Unterstützung von der Kirche in Deutschland.

Allein in dem kleinen Wallfahrtsort Zarvanytsja leben in vier extra erweiterten Häusern der Kirche 160 Personen, meist Mütter mit ihren Kindern, aber auch Alte und Kranke. Die Kosten für Unterkunft und Versorgung trägt die Diözese – ohne staatliche Unterstützung. In der für mehrere Dörfer im Nachbarort eingerichteten Schule und im Kindergarten werden 160 bis 170 Kinder bis zur 11. Klasse betreut.

Zwei Priester
sind an der Front

Pfarrer Firman beteiligt sich an den Kosten der Schulspeisung mit monatlich 1200 bis 1500 Euro, der Staat zahlt nur für Kinder bis zur 4. Klasse das Essen.

Die Geistlichen der Diözese Ternopil sind nicht nur in ihrer Region im Einsatz. Zwei Priester sind an der Front, sind für die Soldaten da. Und dreimal im Jahr rücken rund 30 Kaplane aus, betreuen die Soldaten. Auch Pfarrer Firman unterbricht seine Arbeit als Spendensammler und Logistiker immer wieder, ist als Geistlicher für die Soldaten und ihre Familien da.

Seit einem Jahr tut der Helferkreis für die Diözese Ternopil alles, um die Folgen für die Menschen in einem kleinen Teil der Ukraine erträglicher zu machen. Und die Frau, bei der in Höhenmoos die Fäden zusammenlaufen, war in den vergangenen zwölf Monaten nicht einmal in Ternopil. Kathi Schmid wollte niemandem, der dort Hilfe leistet, im Weg stehen. Aber so langsam zieht es sie doch in die Ukraine, zu Pfarrer Firman nach Ternopil. „Vielleicht im Sommer…“

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