„Klimawandel zu lange verdrängt“

von Redaktion

Interview Alois Glück erhält heute die Bayerische Naturschutzmedaille

Traunstein/München – Alois Glück (83) hat für die CSU schon Umweltpolitik gemacht, als Naturschutz noch eher Nischen-Interesse war. Seit 50 Jahren ist der frühere Präsident des Bayerischen Landtags, der auf einem Bauernhof in Hörzing (Kreis Traunstein) aufgewachsen ist, Mitglied im Bund Naturschutz. Heute wird er als „Pionier der Umweltpolitik in Deutschland“ für sein Engagement geehrt – mit der Bayerischen Naturschutzmedaille.

Herr Glück, begehen Sie ab und zu Umweltsünden?

Leider ja, etwa wenn es um die Zahl der Autofahrten geht.

Und wie schützen Sie die Umwelt im Alltag?

Früher ging es mir beim Umweltschutz vor allem um den Erhalt der Schönheit der Natur. Erst durch die Kontakte und die Zusammenarbeit mit Wissenschaftlern und Naturschützern hat sich mein Naturverständnis entwickelt. Mir wurde klar, dass die Artenvielfalt entscheidend ist für die Stabilität des Naturhaushalts. Und die muss jeder mit seinem ganz persönlichen Verhalten schützen – etwa beim Wandern in unseren Bergen auf den Wegen bleiben, nicht durchs Gelände trampeln.

Sie kommen aus einem Bauernhof. Gab es früher schon Umweltschutz?

Die Landwirtschaft Ende der 50er-, Anfang der 60er-Jahre war geprägt durch die Technisierung. Es ging um eine möglichst maschinengerechte Landwirtschaft, also ausgeräumte Flächen. Da war nichts mit Artenvielfalt. Ich habe in der Landwirtschaftsschule gelernt, dass sich die Wertigkeit des Bodens aus der Ertragskraft ergibt. Was für uns Bauern nutzloses Ödland war, hielten die Naturschützer plötzlich für wertvoll. Das war ein schwieriger Lernprozess.

Der Klimawandel fordert die Politik. Wären Sie gerne Umweltminister?

Meine politische Arbeit war stets darauf abgestellt, Gestaltungsmöglichkeiten zu haben. Den Klimawandel haben wir über drei Jahrzehnte verdrängt, das ist ein großes Versagen meiner Generation gegenüber meinen Nachkommen. Aber ich stelle auch einen großen Wandel fest.

Inwiefern?

Noch vor einigen Jahren wurden klimafreundliche Auflagen als Belastung empfunden. Jetzt ist es eine zukunftsweisende Strategie, klimafreundlich zu wirtschaften – da beginnt ein Wettlauf als Beweis von Modernität.

Sie wurden oft geehrt. Was bedeutet Ihnen die Naturschutzmedaille?

Das ist eine große Überraschung. Umweltpolitik war ein Schwerpunkt meiner politischen Arbeit und natürlich gab es auch Meinungsverschiedenheiten, auch mit dem Bund Naturschutz. Aber es gilt, dass ich die fachliche Inspiration stets von kleinen, engagierten Gruppen bekommen habe. Die Geschichte des Umweltschutzes ist auch geprägt von Konflikten und vielen mühsamen Güterabwägungen.

Engagierte Gruppen gehen der Politik manchmal gewaltig auf die Nerven. Ihnen auch?

Klar gab es oft auch Grund zum Ärgern. Zum Beispiel bei der Auseinandersetzung zwischen Umweltschutz und Almwirtschaft. Lange waren die Kühe der Almbauern für die Naturschützer ein Störfaktor. Aber dann stellte sich heraus, dass die Almen ohne Kühe verbuschen – und die Artenvielfalt verloren geht. Inzwischen ist es aus der Sicht des Naturschutzes wichtig, dass genügend Vieh auf den Almen ist. Ein aktueller Konflikt ist das Thema Wolf. Die Almbauern fürchten um ihre schutzlosen Tiere – und manche Landwirte verzichten deshalb bereits darauf, dass sie Jungvieh auf die Alm bringen.

Wären Sie 20, würden Sie zu den Grünen gehen?

Nein. Die bayerischen Pionierleistungen für den Naturschutz wurden vor der Präsenz der Grünen in den Parlamenten erbracht. Das darf sich schon die CSU zugute schreiben. Dabei will ich nicht vergessen, dass wir vor allem dem Bund Naturschutz und Pionieren wie dem früheren Vorsitzenden Hubert Weinzierl verdanken, dass Bayern das erste Umweltministerium in Deutschland und Europa, wahrscheinlich weltweit, eingerichtet hat.

Artikel 3 von 11