Russland-Freunde in Traunstein

von Redaktion

Verschwörung oder Wunsche nach Frieden? In Traunstein fand am 23. November eine „Friedenskundgebung“ mit dem pro-russischen Blogger Sergey Filbert statt. Wie Politik-Experten diese Veranstaltungen bewerten und warum der Zuspruch für Verschwörungsideologien wächst.

Traunstein – Sogenannte Friedensdemonstrationen sind in vielen Großstädten üblich. Und auch in der Region keine Seltenheit. Nun auch in Traunstein. Organisiert von dem selbst bekennenden „Putin-Versteher“ Franz Lindlacher, der bereits während der Corona-Pandemie diverse Demonstrationen organisiert hat und in dieser Zeit für Aufsehen sorgte, da er von der Partei „Die Linke“ ausgeschlossen wurde. Als Redner geladen war in Traunstein der Blogger Sergey Filbert, der auf seinen umstrittenen Kanälen „Golos Germanii“ (718000 Abonnenten) und „Druschba FM“ (57500 Abonnenten) seine eigene Wahrheit über den Krieg in der Ukraine verbreitet.

Putin-Influencer und
Pro-Russland-Blogger

Bis zu 15 Meldungen am Tag: Bildern, Emoji, Videos und Zeitungsartikel – auf deutsch und russisch. Auf ihrem Telegram-Kanal „Neues aus Russland“ postet die deutsche Bloggerin Alina Lipp (31) täglich aus ukrainischen Kriegsgebieten. Inzwischen erreicht sie damit über 186000 Abonnenten. Lipp inszeniert sich als deutsche Journalistin, die live und vor Ort berichtet. Dabei zeichnet die Putin-Influencerin ein Bild des düsteren Westens, eines Russlands, das lediglich Nazis und Faschisten in der Ukraine das Handwerk legt. Krieg? Alles eine Erfindung des Westens.

Ins gleiche Horn stößt auch der russisch-stämmige Sergey Filbert. Bei Youtube und Telegram verbreitet er wie Lipp pro-russische Propaganda. Dabei lädt er sich bekannte Redner oder Journalisten wie Dirk Pohlmann oder den ehemaligen NDR-Reporter Patrik Baab zu Gast, der dann seine ganz persönlichen Eindrücke von seinen Reisen in die selbst ernannte Volksrepublik Donezk schildern darf und so russische Kriegspropaganda in Deutschland verbreitet.

Den wenigsten der Demo-Besucher geht es wirklich um Frieden, sagt Dr. Matthias Pöhlmann, Beauftragter für Sekten- und Weltanschauungsfragen der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern. Er sei im Sommer 2024 in München und Berlin auf Friedensdemos gewesen und habe dabei verschiedene Besuchergruppen beobachtet: „Zum einen treffen sich dort Verschwörungsideologen, zum anderen gibt es auch Besucher, die sich den Frieden wünschen. Oft sind das ältere, friedensbewegte Menschen. Außerdem sieht man auch immer andere mit offensichtlich rechtsextremer Gesinnung.“ Alle zusammen bilden eine „Allianz des Misstrauens“. „Es entsteht eine Anti-Haltung gegen die Regierung und die Politiker, die öffentlich-rechtlichen Medien und die Wissenschaft“, so Pöhlmann. Dieses wachsende Misstrauen habe man schon während der Corona-Pandemie erlebt.

Doch woher kommt dieses Misstrauen? „Wir haben im Augenblick eine multiple Krisenlage“, sagt Pöhlmann. Der Nahost-Konflikt, der Ukraine-Krieg, die Angst vor wirtschaftlichem Abstieg. „Das ist ein guter Nährboden für die Anti-Haltung.“

Auch Politikwissenschaftler Florain Wenzel aus Halfing sieht einen Zusammenhang zwischen den Ängsten der Menschen und dem Wunsch nach Frieden. „Dabei ist es ein eher eng gefasster Friedensbegriff. Mehr ein ‚lass mir meinen Frieden‘“, sagt er. Denn für ihn liege eine Verwechslung von Frieden und Egoismus vor. „Viele verschließen die Augen vor der Komplexität der Demokratie“, so Wenzel. Wünschen sich lieber einen einfachen Weg. Was dominiert, sei das Misstrauen gegenüber den Eliten, die „uns absichtlich ins Verderben stürzen wollen“.

Bei einem Großteil der Friedensdemos schwingen laut Wenzel auch rechte Ideologien mit. „Es herrschen Politikverachtung und Medienhass und die Sehnsucht nach Frieden und Wohlfühlen.“ Studien zeigten zudem, dass diese Haltung zunehmend mehr aus der bürgerlichen Mitte der Gesellschaft beobachtet werden könne.

Die sozialen Medien, wie Youtube und Telegram, die in der Szene gerne genutzt werden, seien eine „enorme Chance, um krude Ideen zu verbreiten“. „Sie sind Brandbeschleuniger für Falschinformationen.“ Im Fall dieser bunten wie heterogenen Friedensallianz werde laut Pöhlmann der Eindruck erweckt, man müsse sich doch nur mit Putin an einen Tisch setzen, damit endlich Frieden herrsche. „Es stehen Narrative, dass Putin eingekreist wurde. Eine klassische Täter-Opfer-Umkehr.“

Der Einfluss von Bloggern wie Filbert oder Lipp sei nicht zu unterschätzen. „In dieser Szene kristallisieren sich Meinungsführer heraus, die einen gewissen Einfluss haben“, erläutert Pöhlmann. Deswegen müsse man schon genau hinschauen, ob man es mit „geistigen Brandstiftern“ zu tun hat, die mit ihren Veröffentlichungen die demokratischen Institutionen infrage stellen. Aufgrund der Masse sei ein kontrolliertes Monitoring oft gar nicht möglich. „Umso wichtiger ist es, dass die Zivilgesellschaft genau hinschaut, hinterfragt und Stellung bezieht.“

Schweigen ist
keine Option

Wenn jemand im eigenen jemanden Umfeld hat, der sich Verschwörungstheorien hingibt, sollte man nicht plump versuchen, dagegen zu argumentieren. „Wichtig ist, in Kontakt mit der Person zu bleiben und zu erfragen, woran es liegen könnte, dass sie sich zu diesen Gruppen hingezogen fühlt“, sagt Pöhlmann. Nur zu schweigen, sei auch keine Option, denn das werde oft als Zustimmung gewertet. Wichtig sei es, den Ursprung für die Radikalisierung zu suchen und einen Weg für einen gemeinsamen zukünftigen Umgang zu finden.

Artikel 9 von 11