Siegsdorf/Charkiw – Der letzte 20-Tonner des Jahres, der in Siegsdorf beladen wurde, am 10. Dezember als Hilfstransport in den Osten der Ukraine gestartet war und am 13. Dezember dort eintraf, sorgte kurz vor Weihnachten wieder für leuchtende Kinderaugen im Kriegsgebiet. Vor allem bei den Kleinen der Musikschule Charkiw war die Freude riesig, schließlich war dieses Mal auch eine Kirchenorgel aus Traunstein dabei. Kurz vor Weihnachten wurde sie noch in einen Luftschutzbunker transportiert, dorthin, wo seit gut zwei Jahren der regelmäßige Musikunterricht stattfinden muss. Grund ist der russische Bombenhagel.
„Ein großes Dankeschön an alle, die sich auch in diesem Jahr wieder für unsere Sache engagiert haben“, schrieb Jens Steinigen, der Gründer von Athletes for Ukraine (A4U) in die WhatsApp-Gruppe und stellte Bilder vom Beladen, von der Abfahrt, von der Ankunft in Charkiw und vom Weitertransport der Orgel durch einen A4U-Transporter vor Ort dazu. Sein besonderer Dank ging an die Traunsteiner Silke Aichhorn und Hannes Weininger. Sie hatten die Kirchenorgel aus Traunstein geschenkt bekommen und sie über Monate bestens verpackt eingelagert.
Die Idee, die Orgel nach Charkiw zu liefern, entstand bei einer Konzertreise, als Aichhorn und eine ukrainische Kollegin in Deutschland gemeinsam unterwegs waren. Die Traunsteinerin gehört zu den gefragtesten und vielseitigsten Harfenistinnen in Europa. Sie hatte ihre Ausbildung in Lausanne und Köln absolviert und ist mehrfache Preisträgerin internationaler Wettbewerbe sowie mehrerer Kulturpreise. „Es gab leuchtende Kinderaugen, als die Kinder kurz vor Heiligabend erstmals auf der Orgel spielen durften“, berichtet Steinigen und ergänzt, „man kann sich gar nicht vorstellen, wie schlimm die Zeit vor allem für Kinder dort drüben ist.“
Der Siegsdorfer 20-Tonner, der von einer ukrainischen Spedition bewegt wurde, war dieses Mal gefüllt mit 33 Paletten. Steinigen und sein Team hatten die Hilfsgüter teils gekauft und teils gespendet bekommen. So war reichlich Winterbekleidung der Firma Craft Sportswear an Bord, zwei Paletten der Berchtesgadener Milchwerke, eine Palette mit Krankenhausutensilien, Fleisch und Wurst vom C&C, Stromgeneratoren und hunderte Radhelme. Allein 16 Paletten kamen vom Traunsteiner Landratsamt, wobei es sich hier hauptsächlich um Klinikbedarf handelt.
Eine Palette wurde von Andrea Berg gestellt. Die 58-Jährige gehört mit 16 Millionen verkauften Tonträgern zu den kommerziell erfolgreichsten Künstlerinnen in Deutschland. Das Geld dafür stammt aus einer Charity-Veranstaltung von ihr. Sie arbeitet eng zusammen mit dem Verein „Die Wiege“. Auch aus der Fränkischen Schweiz kam Unterstützung. Dort sind Michael Agatha und Ole König zu Hause, zwei Profi-Kletterer, die mit humanitärer Hilfe A4U unterstützen. Der Sport- und Marketing-Manager aus Baiersdorf und der Astrophysiker an der Sternwarte Bamberg meisterten an 96 Tagen 200 Kletterrouten im 7. Schwierigkeitsgrad. Und alle dabei eingegangenen Spendengelder – rund 10000 Euro – gingen an A4U.
Es war heuer bereits der dritte große Hilfstransport, der von Siegsdorf aus in den Osten der Ukraine unterwegs war. Vollgepackt war er dieses Mal aber vor allem mit Süßigkeiten. Die bekommen die Kinder zum Weihnachtsfest.
Dazu muss man wissen, dass in der Ukraine, wie aber auch in Ländern wie Serbien, Georgien und Moldau, das große Fest erst am 7. Januar gefeiert wird. Es ist das Datum des Feiertags gemäß dem julianischen, also orthodoxen Kalender. Der 25. Dezember ist das Datum des Feiertags gemäß dem gregorianischen und revidierten julianischen Kalender.
Zu den drei Transporten aus Siegsdorf kam noch ein Feuerwehrauto hinzu, das Mitte Oktober von Siegsdorf aus nach Charkiw geliefert wurde. Zum ersten Löscheinsatz waren es insgesamt 2400 Kilometer – wir berichteten. Und ein Transport wurde auch noch in Nordrhein-Westfalen vom Verein „Die Wiege“ in Zusammenarbeit mit A4U losgeschickt. Hier wurde die Auflösung eines Altenheims genutzt und sämtliches Mobiliar in den Osten der Ukraine transportiert.
Ein Dankeschön von A4U geht aber auch an die Fans der Starbulls Rosenheim. Beim Heimspiel des Eishockey-Zweitligisten gegen Crimmitschau am zweiten Weihnachtsfeiertag (1:4) wurden hunderte Plüschtiere und Spielsachen gespendet, die A4U-Mitglied Jonah Werner persönlich in die Ukraine bringt. Der frühere Leistungssportler und Vorsitzende des SPD-Ortsvereins Aising-Pang-Happing startete am Tag nach dem Spiel und übergibt die Starbulls-Spenden persönlich in Kinderkrankenhäuser und Waisenhäuser.
Stolz ist Jens Steinigen auch auf die Zusammenarbeit mit Aid Pioneers. Hier handelt es sich um eine gemeinnützige Hilfsorganisation, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, mit pragmatischen Logistiklösungen Menschen in Krisengebieten mit Sachspenden zu unterstützen. Kurz vor Weihnachten konnte der A4U-Gründer verkünden, dass eine Lieferung aus den USA für die Krankenhäuser in der Ukraine in Lwiw angekommen ist. Der Wert dieser Aktion liege, laut Steinigen, bei rund 400000 US-Dollar, umgerechnet 384000 Euro.
Weitere Fotos und ein Video finden Sie auf ovb-online.de.