Traunstein/Trostberg – „Wir retten Menschen, helfen in Notlagen, bieten Menschen eine Gemeinschaft, stehen den Armen und Bedürftigen bei und wachen über das humanitäre Völkerrecht“ schreibt das Bayerische Rote Kreuz (BRK) auf seiner Website. Etwa 210000 Ehrenamtliche leisten im Freistaat wertvolle Hilfe. Einer davon aus dem Chiemsee-Raum ist jetzt allerdings ins Fadenkreuz von polizeilichen Ermittlungen geraten. Es geht um Vorwürfe der sexuellen Belästigung in der Jugendarbeit, einem Bereich, in dem Vertrauen und möglicher Vertrauensmissbrauch besonders schwer wiegen.
„Wir können bestätigen, dass gegen ein Mitglied des BRK-Kreisverbandes Traunstein ein polizeiliches Ermittlungsverfahren läuft und wir prophylaktisch alle Verbandsaktivitäten des betroffenen Mitglieds eingefroren haben“, schreibt Thorsten Brandstätter, stellvertretender Kreisgeschäftsführer des BRK Traunstein auf Anfrage des OVB. Heißt: Der beschuldigte Mann bleibt zumindest so lange vom BRK suspendiert, bis die Polizei die Ermittlungen zu dem Fall abgeschlossen hat. „Wir können bestätigen, dass die Polizei Trostberg eine Anzeige bearbeitet. Es geht um den Vorwurf, dass der Beschuldigte zwei Jugendlichen kompromittierende Inhalte über soziale Medien geschickt haben soll“, bestätigt Stefan Sonntag vom Polizeipräsidium Oberbayern Süd dem OVB. Die beiden Geschädigten seien im Umfeld der Jugendarbeit des BRK aktiv. Jetzt gelte es in den Ermittlungen herauszufinden, welche Substanz die Vorwürfe haben. Von „Beleidigung auf sexueller Grundlage bis hin zum Missbrauch von Kindern“ gibt es laut Sonntag eine große Bandbreite von möglichen Straftatbeständen. Davon hänge dann auch ein möglicher Strafrahmen ab.
Natürlich gilt für den potenziellen Täter die Unschuldsvermutung. Nicht immer steckt Substanz hinter den Vorwürfen, wie in diesen Tagen in Kolbermoor passiert. Dort hatte eine 13-Jährige einen sexuellen Übergriff gemeldet. Bei den Ermittlungen der Kripo stellte sich dann heraus, dass der Vorfall „so nicht stattgefunden hat.“
In dem aktuellen Fall im Chiemsee-Raum soll es nach OVB-Informationen zumindest belastende Screenshots mit expliziten sexuellen Inhalten geben, die von Zeugen gesehen wurden und den BRK-Mitarbeiter belasten. Es ist zu hören, dass es sich zumindest teilweise um Posts bei Snapchat handeln soll. Von tätlichen sexuellen Übergriffen in der Realität ist bisher nichts bekannt. Die Vorfälle sollen sich bereits vor Weihnachten zugetragen haben. In den Wochen seither hat sich allerdings vergleichsweise wenig getan – auch bei weiteren betroffenen Institutionen. Wie aus OVB-Quellen zu erfahren war, soll es sich wohl bei einer der Geschädigten um eine Teenagerin handeln, die in einer Wohngruppe der Diakonie in der Chiemsee-Region beheimatet ist. Also ein Mädchen, das durch Probleme in der Familie vorbelastet ist.
„Der Schutz der Kinder und Jugendlichen, die in unseren Wohngruppen leben, hat für uns oberste Priorität. Wir bitten um Ihr Verständnis, dass wir uns aus Gründen des Datenschutzes und zum Schutz der Privatsphäre nicht zu konkreten Fällen äußern können. Darüber hinaus äußern wir uns grundsätzlich nicht zu möglichen laufenden Ermittlungen“, schreibt Christine Richter auf Anfrage des OVB zum Fall.
Die Pressesprecherin der Diakonie München und Oberbayern verweist darauf, dass in den Wohngruppen erfahrene Psychologen, Pädagogen und Traumapädagogen tätig seien, die speziell für die Arbeit mit traumatisierten Kindern und Jugendlichen ausgebildet worden seien. „Zum Beispiel ist für alle pädagogischen Mitarbeitenden der Jugendhilfe eine Qualifizierung in Sexualpädagogik verpflichtend“, schreibt Richter. Es gebe wöchentliche Einzelgespräche für die Kinder und Jugendlichen. Also genug Gelegenheit, die Vorfälle zu verarbeiten.
Beim BRK will man sich „während des laufenden Ermittlungsverfahrens“ nicht weiter öffentlich äußern. Brandstätter: „Seien Sie aber versichert, dass wir die im Raum stehenden Vorwürfe sehr ernst nehmen und dementsprechend agieren.“ Schließlich steht in dem Fall auch der gute Ruf des BRK auf dem Spiel. Lars Becker