Landkreis – Wirklich viel mitbekommen von dem Trubel hat Claudia Moser nicht. „Bei mir war noch keiner da, der mehrere Kästen bayerisches Bier zurückgeben wollte“, sagt die Österreicherin. Sie führt einen kleinen Getränkemarkt in Niederndorf, keine zwei Kilometer hinter der Grenze bei Oberaudorf.
„Bis jetzt noch
nichts Auffälliges“
Die Pfandrückgabe in ihrem Laden könnte für den ein oder anderen allerdings durchaus lukrativ erscheinen. Seit in Österreich Anfang Februar das Pfand auf 0,5-Liter-Glasflaschen – wie zum Beispiel Bierflaschen – von neun auf 20 Cent erhöht wurde, soll es in der Grenzregion zum großen „Pfandtourismus“ kommen.
Die Rechnung der „Pfandtouristen“ ist dabei einfach: Wer auf deutscher Seite einen Kasten Bier kauft, zahlt pro Flasche acht Cent Pfand – bei 20 Bierflaschen sind das zusammen mit den 1,50 Euro für den Plastikkasten insgesamt 3,10 Euro an Pfand. Im Nachbarland muss man sieben Euro Pfand berappen – drei Euro für den Kasten und vier Euro für die Flaschen. Heißt: Wenn der in Deutschland gekaufte Kasten in Österreich zurückgegeben wird, springt ein „Gewinn“ von 3,90 Euro heraus.
Claudia Moser glaubt allerdings nicht, dass das viele Kunden aus der Region Rosenheim schon ausgenutzt haben. „Ein Rosenheimer Kennzeichen mit einem Anhänger voller Bierkästen habe ich hier noch nicht gesehen“, sagt sie. Zudem würde es sofort auffallen, wenn jemand „20 oder 30 Kästen auf einmal abgeben will“. „Da erwarte ich dann schon, dass er die gleiche Anzahl auch wieder kauft“, betont die Inhaberin und lacht. Sie ist sowieso der Meinung, dass der „Pfandtourismus“ nur von einigen wenigen betrieben wird. Aber auch nur in Supermärkten, in denen die Flaschen anonym am Pfandautomaten abgegeben werden können.
Im Spar-Supermarkt von Hermann Fechter, der nur ein paar Meter von Mosers Laden entfernt direkt an der Hauptstraße in Niederndorf liegt, sind bislang auch keine „Pfandtouristen“ aufgetaucht. „Bis jetzt war noch nichts Auffälliges“, sagt er. Seine Mitarbeiter an der Kasse habe er trotzdem vorsorglich angewiesen, nur so viele Kisten aus Bayern anzunehmen, wie sie auch verkaufen, sagt Fechter. „Wir können uns da auf die Regelung ‚nur in Haushaltsmengen‘ berufen“, betont er.
Auch wenn Moser und Fechter noch keine „Bierkasten-Sammler“ gesehen haben, scheint es die „Pfandtouristen“ zu geben. Das kann David Mölk, Geschäftsführer der österreichischen Mpreis-Supermärkte, auf Anfrage der Chiemsee-Zeitung bestätigen. „Wir stellen seit der Erhöhung des Mehrwegpfands in grenznahen Mpreis-Filialen einen leichten Anstieg von aus Deutschland retournierten Flaschen und Kisten fest“, sagt er. Auch in einigen Brauereien der Region ist das Problem schon aufgeschlagen.
Finanzielle Einbußen
bei den Brauereien
„Pfandtourismus hat es in der Vergangenheit immer wieder mal gegeben, aber nicht in solchen Dimensionen wie jetzt“, sagt Andreas Brügmann, Geschäftsführer der Wieninger Brauerei aus Teisendorf. Das angrenzende Salzburger Land gehöre mit zu den wichtigsten Verkaufsbereichen für die Brauerei. Genaue Zahlen, wie viele Kästen seines Bieres jetzt in Österreich zurückgegeben werden, habe er aber noch nicht. Dennoch geht Brügmann davon aus, dass es zu finanziellen Einbußen für die Brauerei kommt. „Allein schon dadurch, dass wir die Flaschen aus Österreich für 20 Cent zurückkaufen müssen, sie hier aber nur für acht Cent abgegeben haben“, erklärt Brügmann.
Bei der Schlossbrauerei Maxlrain geht Verkaufsleiter Anton Heuß davon aus, dass die Brauerei zwischen 300 und 500 Bierkästen an den „Pfandtourismus“ verlieren könnte. Das sei ein Schaden im vierstelligen Bereich. Obwohl Heuß damit rechnet, dass sich das Phänomen bald wieder legen wird, hat die Brauerei schon vor Einführung des höheren Pfands in Österreich mit allen Partnerhändlern im Nachbarland gesprochen.
Seitdem ist vereinbart, dass diese nicht mehr als zwei Kästen annehmen, „ohne den Kassenzettel zu sehen“. So könne man schnell erkennen, wo das Bier wirklich gekauft wurde. Heuß sagt aber auch: „Dass mal jemand nach dem Skifahren einen Kasten Bier in Österreich zurückgibt, kann man nicht verhindern.“
Ähnlich sieht das auch Lorenz Stiglauer, Geschäftsführer der Rosenheimer Flötzinger Brauerei. Genauso wie in Maxlrain sei man im ständigen Austausch mit den Verkaufsstellen auf der anderen Seite der Grenze. „Die wollen das ja auch nicht. Sonst entsteht denen ein riesiger logistischer Aufwand, um das gesammelte Leergut wieder zurückzuschicken“, sagt Stiglauer. Der Flötzinger-Geschäftsführer sieht darüber hinaus keinen Vorteil beim „Pfandtourismus“. Selbst wenn man sich bei ein oder zwei Kästen ein paar Euro sparen könne, müsse man immer erst noch nach Österreich fahren. „Das lohnt sich mit Blick auf das Benzin nicht“, betont Stiglauer. Und mehrere Kästen nehme sowieso keiner an. Entsprechend seien Stiglauer auch noch keine Probleme beim Rücklauf der Flötzinger Kästen bekannt. Wie die Situation bei Auerbräu ist, blieb auf Anfrage der Chiemgau-Zeitung unbeantwortet.
Mehr Pfand auf
Bierkästen gefordert
Allerdings, da sind sich alle Brauerei-Vertreter einig, muss beim Pfand auf Bierflaschen dringend etwas passieren. „Es ist wichtig für die Privatbrauereien, dass das Pfand auch in Deutschland auf sieben Euro hochgeht“, macht Anton Heuß deutlich. Die Kostenberechnung mit den acht Cent sei schließlich „uralt“. Und stehe mit den Beschaffungskosten in keinem Verhältnis mehr, ergänzt Andreas Brügmann von der Wieninger Brauerei. Eine Bierflasche koste in der Anschaffung mittlerweile zwischen 16 und 20 Cent. Dazu kämen die Kosten für den Plastikkasten. Daher hofft Brügmann, dass der „momentane Pfandtourismus in Sachen Pfanderhöhung etwas in Bewegung bringt“.
Julian Baumeister