Oft hilft auch Warten

von Redaktion

Ein lauter Knall, Fensterscheiben zerspringen, Airbags werden ausgelöst. Dann das – alle beim Autounfall sind unverletzt, aber der Familienhund hat sich so erschrocken, er springt aus dem Fahrzeug und verschwindet. Pro Tag entlaufen im Schnitt deutschlandweit 79 Hunde. Wenn das Haustier verschwindet, können Suchhunde helfen.

Traunstein – „Ich muss meinen Hund lesen lernen, ich muss wissen, ah ja, so verhält er sich, wenn er gerade im Konflikt ist, da hat er wahrscheinlich einen Witterungskonflikt.“ Helena Wimmer steht bei grauem Regenwetter auf dem Parkplatz nahe der Ettendorfer Kirche in Traunstein. Sie trägt eine neonblaue Warnweste mit der Aufschrift Suchhunde K9 und wartet auf ihre Kursteilnehmer. Reporterin Katrin Langenwalter darf die Zwei- und Vierbeiner beim sogenannten ‚Trailen‘ heute begleiten.

Erstaunlicher
Geruchssinn

Hunde haben einen erstaunlichen Geruchssinn. Mit bis zu 300 Millionen Riechzellen hängt das Riechorgan der Vierbeiner die menschliche Nase mit gerade einmal fünf Millionen spielend ab. Und so wird der Hund zum wichtigen Partner, wenn es um die Suche nach spezifischen Gerüchen geht. Die Einsätze werden immer vielfältiger:

Drogensuche, Sprengstoff, aber auch Trüffel oder sogar Bettwanzen. Beim sogenannten Mantrailing finden Hunde vermisste Personen und bei der Tiersuche, dem sogenannten Pettrailing vermisste Haustiere. Das Training für die Mensch-Hund-Teams beginne aber, so die Hundetrainerin Helena Wimmer, zunächst gleich:

„Wir legen gleich am Anfang eine Spur.“ Hunde seien sowieso Nasentiere und wären es gewohnt, mit dem Geruch zu arbeiten. Das Grundprinzip: Der Hund bekommt eine Geruchsprobe, prägt sich diese ein, nimmt die Spur auf und verfolgt sie. Dabei spielt es erst mal keine Rolle, ob es sich dabei um eine Socke eines Menschen handelt oder ein Fellbüschel eines Hundes. Helena bildet ihre Teilnehmer im Mantrailing aus, also der Menschensuche. Man könne sich in der Ausbildung dann auch irgendwann auf Tiersuche spezialisieren.

Heute beginnen Hund Lovis und Besitzerin Monika als erste mit dem Training. Dafür fließt sogar Blut. Ein kleiner Pieks im Finger einer Kursteilnehmerin und ein, zwei Tropfen landen in einem Glas. Sie soll gleich von Hund Lovis gefunden werden. Bei der Geruchsprobe, erklärt Helena, wechseln sie gerne: Mal eine Blutprobe, mal ein Schal, oder Haare.

Der Rüde Lovis und seine Besitzerin warten noch geduldig im Auto auf ihren Einsatz. Jetzt zeigt Trainerin Helena auf einer digitalen Karte eine circa 500 Meter lange Strecke, die die zu suchende Person gehen und so ihre Geruchsspur legen soll. Die Teilnehmerin startet los, natürlich ohne, dass Lovis und seine Besitzerin Monika sehen können, in welche Richtung.

„Die Person, die der Hund dann findet, hat am Ende auch noch ein leckeres Futter dabei. Das verknüpfen die Hunde dann natürlich auch nochmal positiv.“ Monika und Lovis starten. Der Hund hat die Geruchsprobe im Glas beschnuppert und führt jetzt Monika an der Leine Richtung Wald. Dann bleibt er stehen, schnuppert, läuft eine Anhöhe hoch. In solchen Situationen sei es wichtig, dass der Mensch seinen Hund gut lesen kann, erklärt Helena.

„Ich vergleiche es immer ganz gerne mit dem Reiten. Ich kann mir das teuerste und beste Pferd in den Stall holen, wenn obendrauf der Reiter schlecht ist, dann kann das Pferd nicht performen, dann kann es nicht gut abliefern“. Deshalb sei auch eine professionelle Begleitung eines erfahrenen Trainers beim Trailen so wichtig, um Mensch und Hund anzuleiten. Helena hat schon vor Jahren ihre Leidenschaft für Suchhunde entdeckt.

„Meine erste Hündin war sehr unsicher, hat die ersten Wochen nur unter dem Bett gelebt.“ Da hört sie, dass Mantrailing bei ängstlichen Hunden helfen soll: „Viele Hunde schaffen es durch die Sucharbeit, eine Alternative zur Angst zu haben, sich praktisch an einem roten Faden entlanghangeln können.“ Die Konzentration während der Suche helfe auch bei anderen Baustellen wie dem Jagen oder Pöbeln an der Leine. Die Teilnehmerinnen und ihre Hunde können das bestätigen.

Rüde Lovis folgt weiter der Spur, meistert sogar zwei Weggabelungen mit ordentlichem Tempo, wir Menschen hinterher. Dann im Wald hinter einem Baum: Treffer, Lovis hat die Teilnehmerin nur anhand der Geruchsspur gefunden. Es gibt Leckerlis und viel Lob. Lovis stammt ursprünglich aus Rumänien aus dem Tierschutz, ist ein eher unsicherer Hund. Durch das Trailen blüht er auf, erzählt Monika, gewinnt an Selbstvertrauen. Sie nehmen an dem Kurs teil, um eine schöne, gemeinsame Zeit zu verbringen. Ihre Trainerin, Helena Wimmer, macht damals ihre Leidenschaft zum Beruf als Hundetrainerin und ist einige Jahre auch Teil der professionellen Vermisstensuche als Suchgruppenhelferin von K9 Experts: „Meine eigene Hündin war nie im Einsatz, das hätte sie mental nicht verkraftet.“ Nicht jeder Hund, so Helena, könne professionell eingesetzt werden. „Da ist dann eine Ernsthaftigkeit dahinter, die viele Hunde gar nicht wollen und in die man sie auch nicht hineinzwingen sollte.“

Einer von Helenas letzten professionellen Einsätzen: Hündin Maya, die Ende 2023 bei Surberg entlaufen ist. Sie erschrickt damals vor einem Geräusch und läuft davon. Das Problem – die scheue Hündin ist zu dem Zeitpunkt bei einer Hundesitterin und versucht, nach Hause zu laufen. Da mache es auch keinen Sinn, so Helena, mit Suchhunden die Gegend zu durchkämmen, das würde den Hund im schlimmsten Fall nur weiter verschrecken und vertreiben. Viel wichtiger seien gemeldete Sichtungen. Sie stellen damals im Bereich, wo Maya gesehen wurde, eine Lebendfalle auf. Maya kann so gerettet werden:

„Wenn der Hund ohne Leine weggelaufen ist, wenn er nicht alt ist, wenn er kein Welpe ist und wenn er nicht schwer verletzt ist, macht es häufig wenig Sinn, direkt mit einem Suchhund zu kommen. Weil viele Hunde laufen aus einem Grund weg, meistens die jagdlich entlaufenden Hunde, wenn sie keine Leine dran haben, kommen sowieso zurück, wenn sie nicht aufgehalten worden sind.“ Was ist zu tun, wenn das eigene Haustier wegläuft? Ruhe bewahren und vor Ort bleiben.

Klapp-Stuhl-Methode
im Einsatz

„Wir nennen es die Klappstuhl-Methode“, erklärt Helena. Weiß man, wo der Hund entlaufen ist und dass er sich dort in der Nähe aufhält, dann sollte man nicht panisch herumrennen und schreien. Lieber an der Entlaufstelle hinsetzen, und ruhig sprechen oder sogar ein Liedchen singen.

Gerade unsichere Hunde haben Probleme, wenn sie sich vorher erschrocken haben, zum Besitzer zurückzukommen. Ansonsten rät K9 Experts: Den Hund als vermisst melden, sowohl im Tierregister wie bei Tasso e.V., als auch im örtlichen Tierheim und bei der Polizei. Suchplakate aushängen, auf sozialen Plattformen wie Facebook einen Aufruf starten. Ist der Hund nach circa drei Stunden noch immer nicht zurück: Wähle den Notruf K9.

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