„Die Radikalen wollen ein anderes Land“

von Redaktion

Ausstellung und Stele eingeweiht – Ilse Aigner feiert Herreninsel als Ort der Demokratie

Chiemsee – Plötzlich hatten es doch alle ziemlich eilig, der Raddampfer „Ludwig Fessler“ legte gut zehn Minuten vor der geplanten Abfahrt ab. An Bord Richtung Herreninsel waren vergangenen Donnerstag Ilse Aigner, Präsidentin des Bayerischen Landtags, die drei Vizepräsidenten Tobias Reiß, Ludwig Hartmann und Markus Rinderspacher sowie Landtagsabgeordnete und viel Kommunalpolitikprominenz wie Priens Bürgermeister Andreas Friedrich. Auch Rosenheims Landrat Otto Lederer schaffte es mit großen Schritten als Letzter gerade noch so auf das Schiff. Grund für die hastige Abfahrt waren dunkle Wolken am Himmel, die von Westen immer näher kamen.

Goldener
Würfel

Das Büro von Aigner hatte zu einem Festakt geladen, um Herrenchiemsee als „Ort der Demokratie“ zu ehren. Grund: Der Verfassungskonvent von Herrenchiemsee leistete 1948 maßgebliche Vorarbeiten für das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland.

Auf der Insel empfing unter anderem Chiemsees Bürgermeister Armin Krämer die rund 50-köpfige, trocken angekommene Delegation. Gleich an der Besuchsinformation wartete eine rund 1,20 Meter hohe neue Gedenkstele – noch verdeckt.

Aigner, in Feldkirchen-Westerham geboren, machte kurzen Prozess und enthüllte, umgeben von Landtagsabgeordneten, Landrat und Bürgermeister, die Stele mit goldenem Würfel: Oben angedeutet die Rauten der bayerischen Flagge, an den Seiten Beschriftungen „ICH, DU, WIR“, „Bayern, Deutschland, Europa“, „ORTe der Demokratie in Bayern“ und „Herrenchiemsee, Verfassungskonvent 1948, Bayerns Beitrag zum Grundgesetz“. Davor und danach hatte sie noch Zeit, eine extrem zutrauliche Ente, keine zwei Meter von der Stele entfernt, zu streicheln.

Dann aber schnell weiter, bevor sich der düstere Himmel öffnet. Im Augustiner Chorherrenstift hielt Aigner dann vor rund 150 Menschen eine eindrucksvolle Rede, in der sie warnte: „Die Radikalen wollen ein anderes Land: entlang klarer Feindbilder, stimmungsgetrieben anstelle von faktenbasiert, auf dem Rücken von Minderheiten Politik machend – und dabei immer die Mehrheit für sich reklamierend. Weg auch von Gewaltenteilung hin zu neuer Unfreiheit.“

Die Demokratieorte und die Wanderausstellung seien für Aigner, eine „echte Herzensangelegenheit“: „Wir wollen den Weg der Demokratie in Bayern nachzeichnen. Den Kampf der Menschen für Freiheit, Selbstbestimmung, bürgerliche Rechte und Pflichten.“ Mit den Orten der Demokratie in Bayern wollen Aigner und Team das demokratische Bewusstsein im Freistaat schärfen. Dabei sei Demokratie eine Fortschrittsentwicklung und keine gerade Linie. Aigner: „Wir wollen informieren, wir wollen begeistern. Lust auf Demokratie machen.“

Während Aigners Rede fing es draußen an, in Strömen zu regnen. Gerade rechtzeitig – ein Zeichen? Alles noch einmal gut gegangen – zumindest vorerst. Im Alten Schloss hatten die Gäste die Gelegenheit, die frisch eröffnete Wanderausstellung „Orte der Demokratie in Bayern“, die bis 2. November dieses Jahres gleich neben dem Verfassungsmuseum läuft, zu begehen. Auch Landrat Lederer schaute sich die anschaulich aufbereiteten Tafeln an. Wie er im Alltag Demokratie lebe? „Ich versuche, die Anliegen der Menschen ernst zu nehmen und sie in Einklang zu bringen mit den Gesetzen, die bei uns im Land herrschen. Ich denke, als Demokrat muss man menschenfreundlich sein.“

„Fake News“ sehe er als aktuell große Gefahr, die Demokratie in Deutschland und Bayern zu schwächen. Außerdem: „Sehr viele Menschen glauben, dass Demokratie selbstverständlich ist und bringen sich deswegen nicht mehr aktiv in die demokratischen Prozesse ein.“ Priens Bürgermeister Friedrich zeigte sich begeistert von Aigners Rede: „Ich finde gerade den Hinweis, dass man immer und immer wieder unsere Demokratie verteidigen und Tag für Tag dafür kämpfen muss, wichtig.“

Die Menschen in Prien könnten sich täglich für Demokratie einsetzen, indem sie miteinander sprechen und nicht übereinander sprechen: „Das fängt im Kleinen an, in der Nachbarschaft, indem sich Menschen um ihre Nachbarn kümmern und miteinander im Gespräch bleiben und Konflikte, die überall auftreten können, im Gespräch miteinander zu lösen.“

Gelungene
Aufbereitung

Die Ausstellung findet Friedrich „sehr gut aufbereitet. Sie bedient ein breites Publikum. Sie sei sowohl für den Schnelldurchlauf zu empfehlen, man könne sich aber auch in die Texte vertiefen. „Ich kann mir gut vorstellen, mit Schulklassen hierherzugehen, aber die Ausstellung ist wirklich für jede Altersgruppe geeignet“, so Friedrich abschließend, der dem Landtag für die Veranstaltung gratulierte.

Nach dem vielen demokratischen Input konnten sich alle stärken. Obwohl es wieder aufgehört hatte zu regnen, ging es nebenan in die Wirtschaft und nicht wie geplant in den Rosengarten. Um 17 Uhr legte das erste Schiff zurück ans Festland von der Insel ab, dieses Mal pünktlich.

Der wieder einsetzende Regen störte dabei kaum, es gibt auf den Schiffen ja überdachte Bereiche und die Abkühlung von oben tat auf dem Heimweg bei der Hitze gut.

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