Bergen – Mit diesem Abstimmungsergebnis hatten einige Gemeinderäte und vor allem Bergens Bürgermeister Stefan Schneider wahrlich nicht gerechnet. Nach langer Diskussion stimmten neun der 16 anwesenden Gemeinderäte gegen die Änderung des Flächennutzungsplans im Bereich der Firma Adelholzener – obwohl das Verfahren bereits bis zum Feststellungsbeschluss vorgerückt war.
Damit lehnte der Bergener Rat die Änderung ab. Eine Behandlung des sich aus dem Flächennutzungsplan zu entwickelnden Bebauungsplans für diesen Bereich erübrigte sich dadurch.
Siegsdorf und Bergen
stimmen uneinheitlich
Flächennutzungsplan wie auch Bebauungsplan für den Bereich der Firma Adelholzener werden in den Gemeinden Bergen und Siegsdorf parallel behandelt, weil sich der Betrieb auf beide Gemeinden erstreckt.
Im Siegsdorfer Gemeinderat wurde den Plänen nach erfolgter zweiter Auslegung mehrheitlich zugestimmt, informierte eingangs Bürgermeister Stefan Schneider. Der dort beschlossene Bebauungsplan ist laut Adelholzener die Grundlage für den ersten Bauabschnitt: den Bau einer Mobilitätsdrehscheibe, einer Produktionshalle mit Energiezentrale und das Verlegen der Kreisstraße. Alles auf Siegsdorfer Gemeindegebiet.
Sorgen wegen des
Naturschutzes
Besonders behandelt wurden in Bergen die Stellungnahmen zum Natur-, Biotop- und Artenschutz. Kritisch äußerte man sich zur geplanten Vergrößerung des Betriebs um 200 Arbeitsplätze. Die Entnahmemenge von Tiefengrundwasser würde dadurch steigen. Der Bau eines Parkhauses hingegen werde begrüßt und es wird angeraten, die Möglichkeit eines Shuttle-Busses für Angestellte zu prüfen. Zum Artenschutz wurde angeraten, zwei Amphibiendurchlässe einzubauen, nachdem der Verlauf der TS3 verschoben werden soll. Diese Querungshilfe sei auch für die Zauneidechse wichtig.
Wo bleibt der
Wasserrechtsantrag?
Dann wurde es kontrovers. Moritz Beyreuther (Grüne Liste) betonte, dass Wasserrecht und Bebauungsplan für ihn nicht unabhängig betrachtet werden können. Man warte nun seit drei Jahren auf den Wasserrechtsantrag der Firma. Bevor der Bebauungsplan behandelt werde, sollte der Wasserrechtsantrag vorliegen. „Die Wassermenge im Weißachental ist begrenzt“, sagte er und erklärte, dass er der Planänderung nicht zustimmen werde.
Gleicher Meinung war Kathi Hallweger (Grüne) und sieht beide Verfahren im Zusammenhang. Sie sei nicht gegen das Bauvorhaben Adelholzener, beharre aber auf den seit drei Jahren ausstehenden wasserrechtlichen Antrag. Sie wisse auch nicht, warum der Antrag nicht endlich gestellt werde. Ähnlich betrachtet es Tobias Schwaiger (CSU), der zudem keinen zeitlichen Druck sehe. Seine Ablehnung betreffe aber nicht die Aussagen im Flächennutzungs- wie auch den Bebauungsplan, diesen würde er gerne zustimmen, aber auch er warte auf den Wasserrechtsantrag. „Wir wissen nicht, was da noch auf die Gemeinde zukommt“, sagte er.
Salamitaktik
und Vorsicht
Eine andere Ansicht vertrat Sepp Gehmacher, der beide Verfahren strikt trennt. Er erinnerte daran, dass die Kommune eine Zukunftsplanung mit Maximallösung wollte, um einer Salamitaktik entgegenzuwirken. Dem wurde Rechnung getragen. Zudem vermute er, dass der Betrieb sehr verantwortungsvoll agiert und seine Lebensader, das Wasser, schützt. Die wirtschaftlichen Kreisläufe soll der Betrieb selbst regeln, dies wolle er nicht beurteilen. Er vertraue auf die Stellungnahmen und Gutachten. Zur Vorsicht riet Moritz Beyreuther. In einem Bauantrag könnte man auch die höchste GFZ mit der Hoffnung, diese werde nicht ausgenützt, genehmigen. Wie aber sähe dies dann bei einem Verkauf aus, fragte er? „Man sollte so viel genehmigen wie sinnvoll ist“, so Beyreuther.
Die umfangreichen Planungen mit vielen Gutachten lobte Bürgermeister Stefan Schneider. Er verstehe aber auch die Argumente der Räte. Trinkwasser sei das höchste Gut. Er sei sich aber nicht sicher, ob der Wasserrechtsantrag, auf den alle warten, die Antworten liefere. Dennoch sei dieser Antrag von der Bauleitplanung zu trennen, die den Rahmen für die Zukunft modular schaffe. Zum zeitlichen Rahmen erwähnte er, dass der Termin jetzt gewählt wurde, da Adelholzener ein Parkhaus auf Siegsdorfer Seite beantragt habe. Planer Peter Rubeck verwies auf den vorhabensbezogenen Bebauungsplan, der zudem durch einen städtebaulichen Vertrag bezüglich Umsetzung abgesichert sei. Die Gefahr, dass eine Firma, die nichts mit Trinkwasser zu tun habe, die Firma übernehmen könnte, bestehe nicht, so der Rathauschef. Wohl aber die Angst, ein internationaler Konzern könnte übernehmen und Unmengen an Wasser entnehmen und dadurch das Wasserreservoir stören. Laut Rubeck gebe es für die Entnahme ein Monitoring und die Genehmigungsbehörde sei hierfür zuständig.
Letztlich stimmten neun Räte gegen die Änderung des Flächennutzungsplans. „Mit diesem Ergebnis habe ich nicht gerechnet“, sagte Bürgermeister Stefan Schneider. Nun müsse bei der Rechtsaufsicht gefragt werden, welche Konsequenzen sich ergeben.
Adelholzener reagiert
mit „Unverständnis“
Die Reaktion von Adelholzener jedenfalls spricht von höchster Frustration. „Mit großem Unverständnis nehmen wir die Entscheidung des Gemeinderats von Bergen zur Kenntnis“, erklärte Geschäftsführer Peter Lachenmeir: „Was dort im Gemeinderat von einigen Mitgliedern vorgetragen wurde, ist einfach falsch.“ Insbesondere geht es ihm um die Aussage von Gemeinderäten, dass im Weißachental mehr Wasser entnommen werde, als dort vorhanden sei.
„Wir entnehmen im Weißachental kein Wasser. Unsere Brunnen sind ausschließlich im Bergener Moos. Im Weißachental gab es eine gewünschte und notwendige Probebohrung, die wie alle anderen Messstellen belegt, dass weitaus mehr Wasser neu gebildet wird, als wir entnehmen“, so Lachenmeir. Auch die im Gemeinderat geäußerte Angst, dass Adelholzener an ein multinationales Mega-Unternehmen wie Nestlé verkauft werden könnte, entbehre jeder Grundlage.
„Unterstellungen
und Unwahrheiten“
Das 1907 gegründete Unternehmen sei und bleibe dauerhaft im Eigentum der Barmherzigen Schwestern vom heiligen Vinzenz von Paul. „Ich bin über solche Unterstellungen und Unwahrheiten echt entsetzt“, so Lachenmeir. „Adelholzener steht nicht zum Verkauf. An niemanden.“ Mit Blick auf die jahrzehntelange, bekannte Zusammenarbeit zwischen der Kongregation und der Gemeinde Bergen etwa bei der Unterstützung der kommunalen Trinkwasserversorgung durch das Unternehmen, ergänzt Lachenmeir: „Die seit über 100 Jahren gelebten Werte der Kongregation, vor allem das Dienen am Menschen, liegen weit jenseits von rein kommerziellen Zielen multinationaler Großkonzerne. Solche Horrorszenarien sind nicht nur fernliegend, sie bewegen sich stark an der Grenze eines anständigen Umgangs miteinander.“
Besonders unverständlich ist für Adelholzener, dass der Gemeinderat das Bauleitverfahren an einen neuen Wasserrechtsantrag koppelt. „Das eine hat mit dem anderen nichts zu tun“, meint der Adelholzener-Geschäftsführer. „Zuletzt hatten wir Mitte Mai den Gemeinderat ausführlich über den Stand des Wasserrechtsantrags unterrichtet. Von einer Koppelung der beiden Verfahren war nie die Rede. Ganz im Gegenteil.“ Die Gemeinde sei für den Wasserrechtsantrag überhaupt nicht zuständig.
Rettet ein Antrag das
Projekt doch noch?
„Noch Anfang Juli hat Bergens Bürgermeister Schneider die Zusammenarbeit gelobt und uns als Vorzeigeunternehmen bezeichnet. Ich verstehe den Sinneswandel nicht. Jetzt hoffe ich, dass der Gemeinderat die notwendige Umsetzungsentscheidung ganz bald trifft und nicht wilden, bösartigen Gerüchten aufsitzt.“ Den von Bergens Gemeinderäten lang erwarteten Wasserrechtsantrag will Adelholzener diesen Sommer beim Landratsamt Traunstein stellen. Ob das wohl den Adelholzener-Plan mit der Investition eines dreistelligen Millionenbetrags auch in Bergen zur Zustimmung verhelfen wird?