Seeon-Seebruck – Nächstes Kapitel im umstrittenen Großprojekt Malerwinkel. Das Kapitel dreht sich weniger um das geplante Luxushotel an sich, noch spielt es in Sitzungssälen. In der Hauptrolle ist eine Privatperson, die auf ihr Recht durch die Bayerische Verfassung pocht. Ort des Geschehens ist der malerische Badestrand am Chiemsee, der zeitgleich auch Streitobjekt ist. Schon im März berichtete die Chiemgau-Zeitung, dass der Strandabschnitt vor dem Hotelprojekt mit Schildern versehen ist, die auf ein Privatgrundstück hinweisen und das Betreten verbieten.
Badender bekommt
Besuch von der Polizei
Ein selbst ernannter Naturschützer wurde jüngst nach eigenen Angaben von einem Hausmeister auf die Schilder aufmerksam gemacht. „Ich bade seit vielen Jahren hier an diesem Platz und wollte mich auch am Montag erfrischen“, schildert der Mann der Chiemgau-Zeitung. Er möchte nicht als Privatperson in der Öffentlichkeit stehen, unter dem Namen „Wildfleck“ postet er als eine „Umweltschutzorganisation zur Förderung der Wildnis und des Wildheitsgedankens“. Die Aufforderung des Hausmeisters, das Gelände zu verlassen, ignorierte der Mann, sodass die Polizei mit zwei Beamten anrückte.
Wie ein gepostetes Video zeigt, bitten die Beamten den Badenden, das Gelände zu verlassen. Dies macht er dann auch. Doch der Widerstand ist noch lange nicht gebrochen, denn zu Hause kontaktiert er das Traunsteiner Landratsamt und verweist auf Artikel 141 Absatz 3 der Bayerischen Verfassung sowie auf Artikel 27 Absatz 1 des Bayerischen Naturschutzgesetzes. Gesetze, die es in dieser Form nur in Bayern gibt. Mit genau diesen Gesetzen befasste sich bereits im April 2024 das Verwaltungsgericht München. Es wies die Klage der Besitzerin eines Luxushotels im Süden des Starnberger Sees in Seeshaupt ab. Das Gericht entschied, dass der Strandabschnitt Teil der freien Natur ist und so für alle zugänglich sein müsse.
Das Landratsamt Traunstein – in diesem Fall zuständig als Untere Naturschutzbehörde – leitete nach dem Anruf des gut informierten Mannes im aktuellen Fall Malerwinkel ein Verwaltungsverfahren zur Beseitigung der Sperren am Ufer des Malerwinkels ein, wie ein Sprecher auf OVB-Anfrage bestätigt.
„Grundlage ist das Bayerische Naturschutzgesetz, das den freien Zugang zur Natur grundsätzlich sicherstellt. Die Eigentümer des betroffenen Grundstücks werden angehört, eine Beseitigung der Schilder und des Zauns wird veranlasst“, heißt es in der schriftlichen Stellungnahme des Landratsamts weiter. Wie lange dieses Verfahren dauere, sei ungewiss: „Die Dauer des Verfahrens hängt insbesondere von der Stellungnahme des Grundstückseigentümers auf die erfolgte Anhörung und dessen Umsetzungsbereitschaft ab.“ Solange das Verfahren laufe, gilt der bestehende Zustand vor Ort.
Beseitigung
der Schilder
Schon im März begründete die Gemeinde Seeon-Seebruck und auch Raiffeisenbank-Vorsitzender Franz Hofmann, der zugleich Geschäftsführer der Hotel-Restaurant „Malerwinkel“ GmbH ist, die Sperrung des Geländes mit einer Vermüllung des Areals. Bei dieser Begründung bleibt Hofmann weiterhin: „Leider ist es in der Vergangenheit bei längeren Aufenthalten auf dem Seegrundstück immer wieder zu unschönen Hinterlassenschaften gekommen. Aus diesem Grund kam es hier immer wieder zu Diskussionen.“ Dabei sei ihm der schonende Umgang mit den Ufergrundstücken sehr wichtig, wie er betont.
Laut Hofmann gelte die „einfache Regel, dass jeder, der ein Grundstück privat besitzt, einen respektvollen Umgang beziehungsweiseein respektvolles Miteinander wünscht.“ Alle seien jedoch eingeladen, den Ausblick auf diesem privaten Grundstück zu genießen. Hofmann: „Gleichzeitig bitten wir um Verständnis, dass ein übergebührlicher Aufenthalt auf unserem Grundstück nicht gestattet ist.“ Der Steg dürfe weiterhin betreten werden, die temporäre Einschränkungen im Wiesenbereich gelten laut Hofmanns Aussage im März nur während der Planungs- und Bauphase.
Seeon-Seebrucks Bügermeister Michael Bartlweber schreibt auf Anfrage der Chiemgau-Zeitung: „Die Wiese und der Zugang zum See sind im Besitz der VR- meine Raiffeisenbank und wurden in der Vergangenheit auch überwiegend durch Gäste des Hotels genutzt. Natürlich wurde diese Stelle auch öffentlich genutzt und das auch immer toleriert.“ Da das Hotel aktuell nicht betrieben werde, seien „auch eine Aufsicht und Pflege nur sporadisch möglich“. Aufgrund der „unkontrollierten Nutzung“ seien laut Bartlweber auch Bereiche genutzt worden, die im sensiblen Naturschutzbereich liegen und diese Bereiche würden oft vermüllt hinter. „Ebenso ist keine Toilette vorhanden, was unweigerlich zu hygienischen Problemen führt“, erklärt Bartlweber.
Er hoffe auf eine zeitnahe Planungsgenehmigung, „damit der Betreiber diese Fläche auch wieder entsprechend nutzen kann.“ Der Gemeinde sei auch deshalb so wichtig, „dass diese Fläche im Geltungsbereich der Bauleitplanung liegt, um hier entsprechende Festsetzungen machen zu können“. Auch für den Erhalt des Chiemseeradrundwegs an Ort und Stelle habe der Betreiber der Gemeinde eine entsprechende Widmung zugesagt. Da es sich um keine Badefläche der Gemeinde handle, sei die Gemeinde auch nicht für die Müllentsorgung zuständig. Unweit des Malerwinkels gebe es großzügige Badegelegenheiten mit ausreichenden Mülltonnen.
Keine
Müllentsorgung
Der Naturschützer, der sich gegen das Betretungsverbot einsetzt, will hartnäckig bleiben: „Der Badeplatz und die Allgemeinheit müssen geschützt werden.“ Das Verfahren des Landratsamts sieht er als Riesenerfolg. Sein weiteres Vorgehen erklärt er dem OVB: „Ich reiche eine Fortsetzungsfeststellungsklage gegen den Platzverweis und die Androhung des Gewahrsams beim Verwaltungsgericht München ein und hoffe auf richterliche Bestätigung meiner Auffassung.“ Und verweist auf sein Grundrecht. Ein Recht, das es in dieser Form nur in Bayern gibt.