Ruhpolding – Mittwochabend, 20.15 Uhr: Im ZDF-Live-Studio glühen die Telefonleitungen. Das tote Neugeborene, das am Sonntag, 4. Dezember 2022, auf dem Wanderparkplatz „Seekopf“ gefunden wurde, bewegt die Menschen weit über die Region Traunstein hinaus. Bis heute ist ungeklärt, wer das Baby war und wieso es ein so schreckliches Schicksal erleiden musste.
Baby durfte nur
30 Minuten leben
Im ZDF-Film wird gezeigt, wie ein kleines Mädchen am Wanderparkplatz eine schlimme Entdeckung macht: ein totes Baby, achtlos und gut sichtbar abgelegt auf einem Laubhaufen, die Nabelschnur um den Hals gewickelt, am Körper mehrere Hämatome. Für die Ermittler der Kripo Traunstein steht sofort fest, dass die Anhaltspunkte für eine nicht natürliche Todesursache sprechen.
Noch am selben Abend erfolgt die Obduktion. Das entsetzliche Ergebnis: Es handelte sich um ein lebensfähiges Neugeborenes, das am Sonntagvormittag misshandelt wurde und sterben musste – nur 30 Minuten nach der Geburt – infolge stumpfer Gewalteinwirkung.
Obwohl der Fall für die Ermittler oberste Priorität besaß, einen Presseaufruf sowie eine Öffentlichkeitsfahndung im Großraum Ruhpolding nach der Kindsmutter nach sich zog und sechs Wochen später zum ersten Mal in „Aktenzeichen XY…ungelöst“ vorgestellt wurde, fehlt von den Eltern jede Spur.
Damit liegen auch die Hintergründe zu der Tat im Dunkeln, und die Ermittler fragen sich, wer zu einer solchen Brutalität überhaupt in der Lage ist. Jemand, der vermutlich keinen anderen Ausweg sieht? Stecken religiöse, finanzielle oder psychische Gründe dahinter? Handelte es sich um eine sehr junge Mutter? Eine Prostituierte? Fragen, die bis heute unbeantwortet bleiben.
Fest steht: Die Eltern könnten aus dem südosteuropäischen Raum stammen und sich nach der Tat ins Ausland abgesetzt haben. Dies würde die bewusst gewählte, abgelegene Lage des Fundorts nahe der Bundesstraße 305 kurz hinter der Grenze erklären. Fakt ist, dass keine großen Bemühungen stattfanden, das tote Baby unter Laub zu verstecken oder zu vergraben. Die DNA von Kind und Mutter liege vor und werde laut Alexander Stenglein von der Kripo Traunstein regelmäßig abgeglichen – in der Hoffnung auf einen Treffer.
Stenglein ist von Anfang an in den Fall eingebunden und erklärt bereits nach der Hälfte der Sendezeit, dass erste neue Hinweise zur Überprüfung bei den Kollegen liegen. „Wir halten uns bewusst bedeckt und zurückhaltend mit der Aussage, ob der entscheidende Hinweis auf die Identifizierung der Mutter dabei ist.“
„Erschütternd“ und „sehr bewegend“ entfährt es Moderator Rudi Cerne am Mittwochabend. Auch Justus Pfeifer, Bürgermeister der Gemeinde Ruhpolding und selbst junger Vater eines Sohnes, zeigte sich im Gespräch mit den OVB-Heimatzeitungen entsetzt über den Fall. „Das war eine sehr herausfordernde Zeit für mich, hat mich sehr bewegt und ich gehe jedes Jahr zum Grabstein und erweise dem Neugeborenen meine Ehre, das werde ich auch weiterhin so beibehalten.“
Fabian Puchelt vom LKA Bayern unterstrich am Ende der Sendung, dass im Studio eine „etwas gedrückte Stimmung“ herrschte. Dies sei der Fall, wenn Kinder oder Säuglinge von Verbrechen betroffen seien. Nichtsdestotrotz seien die meisten Hinweise zum Ruhpolding-Baby eingegangen – neben einem Cold-Case-Fall aus dem Jahr 1973 – einem ermordeten Jungen aus Berlin. So habe sich ein Hinweisgeber aus Österreich gemeldet, der einen ähnlichen Fall aus dem Nachbarland schilderte: Es handele sich um eine Mutter, die ihren Säugling getötet habe und in Haft sitze. „Hier wird nun das DNA-Muster abgeglichen, ob es eventuell eine Verbindung gibt oder ob es sich sogar um ein und dieselbe Person handeln könnte.“ Bis ein Ergebnis vorliegt, werden allerdings ein bis zwei Wochen vergehen.
Die nächsten Schritte stehen fest: Die Kripo Traunstein arbeitet jetzt parallel eng mit den Kollegen der österreichischen Dienststelle zusammen und befindet sich im Austausch, ob es Zusammenhänge mit dem Ruhpolding-Fall gibt.
Michael Spessa erklärt im Namen des Polizeipräsidiums Oberbayern Süd: „Noch ist es zu früh, eine konkrete Aussage zu treffen. Wir werfen aber die Flinte nicht ins Korn, nur weil unmittelbar nach der Ausstrahlung eine heiße Spur noch nicht dabei war. Jeder Hinweis ist essenziell und jedem Hinweis wird nachgegangen – auch wenn er vielleicht noch so unwichtig erscheinen mag.“
Kripo bittet um Hilfe
zur Aufklärung
Zur Klärung des Sachverhalts bitten Staatsanwaltschaft und Kripo die Bevölkerung also erneut um Hinweise unter der Telefonnummer 0861/98730 – auch die nächsten Tage nach der Ausstrahlung.
Für Hinweise, die zur Aufklärung der Tat führen, wurde eine Belohnung in Höhe von 5000 Euro ausgesetzt.