Aus für die Geburtshilfe

von Redaktion

Die Tendenz ist eindeutig. Der Romed-Klinikverbund will die seit 15. August geschlossene Geburtshilfe-Abteilung im Krankenhaus Bad Aibling nicht mehr öffnen. Im Aufsichtsrat des Verbundes gibt es dagegen keinen Widerstand. Bad Aibling/Wasserburg – Einen offiziellen Beschluss zur endgültigen Schließung der Geburtshilfe gibt es zwar noch nicht, allerdings kristallisieren sich drei entscheidende Faktoren heraus, die ihr den Todesstoß versetzen: ein seit Jahren bekannter Mangel an Belegärzten, der im Sommer bekannt gewordene Ausstieg von Hebammen (wir berichteten) und die Tatsache, dass eine kinderärztliche Erstversorgung von Neugeborenen durch niedergelassene Fachmediziner in Bad Aibling nicht mehr ausreichend gesichert ist, falls Komplikationen auftreten, die eine Verlegung des Babys nach Rosenheim erforderlich machen. Peter Lenz, Geschäftsführer des Klinikverbundes, und Dr. Guido Pfeiffer, Ärztlicher Direktor des Krankenhauses Bad Aibling, sind sich in der Beurteilung der Lage einig, wie die OVB-Heimatzeitungen exclusiv erfahren haben.

Qualität hat Vorrang

„Die Geburtshilfe auf der Basis eines Belegarztsystems in Bad Aibling hat keine Zukunft“, sagt Lenz und verweist trotz Respekts vor der Leistung der Belegärzte auch auf die Qualität der Versorgung, die in Rosenheim einen höheren Standard aufweise – ein Vorteil vor allem bei Risikogeburten. Für einen möglichst hohen Standard bei der Versorgungsqualität sprächen sich auch die Fachgesellschaften aus, weiß Lenz. Wenn er zwischen Wohnortnähe und einer höherwertigen medizinischen Versorgungssicherheit der Schwangeren, die ein Kind zur Welt bringen, abwägen müsse, „dann hat für mich die Qualität Vorrang“. Der Ärztliche Direktor widerspricht da nicht, wenngleich ihn der Wegfall der Geburtshilfe schmerzt. Schließlich zeigt ein Blick in die Statistik, dass die Zahl der Geburten am Aiblinger Krankenhaus von etwas über 200 im Jahr 2005 auf 630 im Vorjahr gestiegen ist. Landrat Wolfgang Berthaler, der bisher stets von einer „vorübergehenden Schließung“ der Geburtshilfe sprach, befindet sich mittlerweile auf der Linie von Lenz und Pfeiffer. „Ich kann mich da nur auf die Fachleute verlassen“, erklärte er in einem Gespräch mit den OVB-Heimatzeitungen. Schließlich stehe für ihn als politisch Verantwortlichen die Frage der „Organhaftung“ im Raum. Wenngleich auch die Geburtshilfe im Krankenhaus Wasserburg nach einem Brandbrief der Hebammen zuletzt in Turbulenzen geraten ist (wir berichteten), soll dieser Zweig der Medizin neben dem Klinikum Rosenheim weiterhin dort angeboten werden. Lenz will mit der Rückendeckung des Landrats und des Aufsichtsrates des Romed-Klinikverbundes alles dafür tun, die Geburtenstationen in Rosenheim und Wasserburg „professionell weiterzuentwickeln“. Die Kritik an vielen Rahmenbedingungen, die die bundesweite Gesundheitspolitik vorgibt, eint Berthaler mit Lenz und Pfeiffer. Alle drei sehen die Krankenhäuser vom Bund unterfinanziert und hegen den Verdacht, dass er langfristig das Ende kleinerer Kliniken herbeiführen und dem Belegarztsystem das Fundament entziehen will. „Der Staat will immer mehr größere Einheiten. Wir wollen das nicht“, kritisiert Berthaler und fordert ein grundlegendes Umdenken der Bundesregierung in der Krankenhauspolitik. „Bei den öffentlichen Krankenhäusern wird immer mehr abgelagert. Das kann auf Dauer nicht gut gehen. Private Anbieter hätten sich da aus der Versorgung längst verabschiedet. Die sind Rosinenpicker“, wettert Berthaler. De Landrat legt ein klares Bekenntnis zum Krankenhaus-Standort Bad Aibling ab, für den auch Lenz nur höchstes Lob parat hat. „Das ist ein tolles, gut organisiertes und von der Bevölkerung akzeptiertes Krankenhaus. Es ist beeindruckend, wie hervorragend hier der Spagat zwischen einer hochqualifizierten Grundversorgung und einer wohnortnahen Spezialisierung gelingt“, sagt der Geschäftsführer. Guido Pfeiffer untermauert die Akzeptanz des Hauses mit Zahlen. Wurden hier 2012 noch 7500 Patienten behandelt, waren es 2017 bereits 8700. Gleichzeitig sei der sogenannte Case-Mix-Index gestiegen, der die Schwere der behandelten Fälle beschreibt. „Wir versorgen viel spezialisierter als früher“, sagt Pfeiffer und sieht darin trotz des Wegfalls der Geburtshilfe eine wichtige Garantie, „damit sich das Haus in Bad Aibling nachhaltig und gut weiterentwickeln kann“. Die in der Kurstadt angebotene Adipositas-Chirurgie für schwer übergewichtige Menschen, die erst kürzlich eröffnete Abteilung für Akutgeriatrie und die Tatsache, dass hier auf höchstem Niveau die meisten Leistenbruch-Operationen im gesamten Klinikverbund durchgeführt werden, führt er als weitere Beispiele an, die dem Haus einen guten Weg in die Zukunft ebnen sollen. Auch die „absoluten Hochkaräter“ in der HNO-Abteilung um Professor Dr. Benno Weber, die Tumor-Chirurgie und Innenohr-Implantologie anbieten, erwähnt Pfeiffer in diesem Zusammenhang.

Künftig drei Operationssäle

Der Neubau eines OP-Traktes am Standort Bad Aibling – wegen des steten Anstiegs der Eingriffe wird die Anzahl der OP-Säle von zwei auf drei erweitert – ist für den Landrat und Lenz ein klarer Beleg dafür, dass sich der Landkreis zu diesem Standort bekennt. Berthaler verweist darauf, dass der Kreis Millionen an Eigenmitteln für diese Maßnahme zur Verfügung stelle. Dass der Staat hierfür Geld ausgibt, lässt für Lenz nur einen Schluss zu. „Wenn die Regierung das genehmigt, ist das ein klarer Beleg, dass man auf den Standort setzt.“ Die Tatsache, dass in Bad Aibling eine Zentralsterilisation errichtet wird, sieht der Ärztliche Direktor ebenfalls als Stärkung des Standortes. Medizinische Gerätschaften werden künftig nur noch in Rosenheim und Bad Aibling sterilisiert. Auf Aibling könne nicht verzichtet werden, so Pfeiffer. Schließlich könne es am Standort Rosenheim mal Probleme mit dieser Einrichtung geben, und eine funktionierende Sterilisationsabteilung sei für den Klinikbetrieb unerlässlich.

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