Feldkirchen-Westerham – Schon früh war für Milena Karger klar, dass sie etwas Handwerkliches machen möchte. Ihre Familie baute 2004 ihr eigenes Haus. „Ich war da zwar erst vier Jahre alt, aber ich erinnere mich noch, wie sehr ich es auf der Baustelle genossen habe“, sagt die heute 24-Jährige. Doch nach ihrem Abitur in Bruckmühl verlief ihr beruflicher Werdegang ein bisschen anders.
Der Weg führt
in die Praxis
Während ihrer Schulzeit wuchs bei Karger neben dem Interesse am Handwerk auch das für Architektur. Also begann die junge Frau aus Feldkirchen-Westerham zunächst eine Lehre zur Bauzeichnerin. „Ich wollte aber auch gerne ein paar Praxiserfahrungen sammeln, da ich mir dachte, dass so etwas nicht schaden kann“, sagt sie. Also folgte kurz darauf die Maurerlehre. Seit dem Sommer vergangenen Jahres ist sie damit fertig – und kann sich mittlerweile keinen schöneren Beruf vorstellen.
„Man ist ständig in Bewegung und arbeitet an der frischen Luft, das finde ich am besten“, sagt sie. Auch die abwechslungsreichen Aufgaben und die Arbeit mit vielen verschiedenen Menschen machen ihr viel Spaß. „Auf einer Baustelle sind ja nicht nur Maurer, sondern auch Heizungsbauer oder Elektriker. Dadurch kann man viele Kontakte knüpfen“, sagt Karger. Dass Milena Karger eine Frau und Maurerin ist, stört keinen Arbeiter auf der Baustelle. Hin und wieder kommen Blicke, die „vielleicht skeptische Neugierde aussagen“, aber negative Sprüche habe sie sich dort noch nie anhören müssen. Anders sei es gewesen, als sie eine Zeit lang im Büro aushelfen musste. „Da kam es mal vor, dass Ingenieure, die mit unserer Firma zusammengearbeitet haben, sagten: Was macht denn eine Frau hier? Die kennt sich in einer Küche doch besser aus“, erinnert sich Karger.
Sie habe schon das Gefühl, dass eine Frau es grundsätzlich schwerer hat, sich Respekt und Anerkennung auch auf der Baustelle zu verschaffen. „Unbewusst dachte ich immer, dass ich 110 Prozent geben muss“, sagt Karger. „Vor allem, wenn doch mal jemand vorbeikommt und sagt, da ist ja eine Frau auf der Baustelle und die arbeitet sogar mit.“
Zum Glück seien solche Sprüche nicht die Norm. „Egal bei welcher Firma ich gearbeitet oder meine Ausbildung gemacht habe, ich wurde immer super aufgenommen und hatte tolle Kollegen“, sagt die Feldkirchen-Westerhamerin. Auch bei ihrer jetzigen Arbeitsstelle, dem Baugeschäft von Georg Widmann in Baiern, sei sie freundlich aufgenommen worden. Negative Sprüche seien dort noch nie gefallen. „Beklagen kann ich mich überhaupt nicht“, sagt sie und lacht.
Eher scheint es sie zu stören, wenn sie gefragt wird, was ihre Arbeiten als Maurerin sind. „Da kommen dann mal Fragen wie zum Beispiel: Bist du dann auch den ganzen Tag da am Arbeiten?“, erklärt Karger. Doch darüber kann sie nur lachen. Denn Bau- und Arbeitsmaterial kann sie locker tragen und bei ganz schweren Sachen kommt sowieso der Kran zum Einsatz.
Für die 24-Jährige steht fest, sie liebt ihren Beruf. Auch wenn er noch ein „typischer Männerberuf“ ist. Karger wünscht sich, dass handwerkliche Berufe noch offener werden. Denn ein großes Hindernis ist für sie das Werkzeug. „Viele Firmen haben das Standardwerkzeug und damit ist es teilweise schwierig, als Frau die Arbeit zu verrichten“, erklärt Karger. „Denn bei manchen Werkzeugen muss man zwei Knöpfe gleichzeitig drücken, damit es funktioniert, und da sind meine Hände teilweise zu klein.“ Oft sei das Werkzeug eher für „große Männerhände“ ausgelegt.
Karger wünscht sich deshalb, dass die Industrie hier etwas nachbessert und auch schmalere Werkzeuge herstellt. Denn nicht nur auf der Baustelle ist das ein Problem. Auch Werkzeuge oder Maschinen für den alltäglichen Gebrauch sind oft auf Männer ausgerichtet. Wie zum Beispiel der Rasenmäher mit ergonomischen Griffen, sagt sie. Und Milena Karger muss es wissen. Schließlich hat sie nicht nur beruflich viel mit Werkzeugen zu tun. Ihr Freund hat sich vor Kurzem ein Haus gekauft und zusammen renovieren sie es. „Dabei hilft mir mein Beruf sehr, denn schließlich ist er sehr vielfältig“, sagt sie. Verputzen, Wände aufbrechen und Betonieren sind nur ein paar der Aufgabenbereiche, die auf Karger zukommen. Um hier immer vollen Einsatz geben zu können, macht sie in ihrer Freizeit viel Sport.
„Viel Bewegung und sportliche Aktivitäten sind wichtig, um quasi alle Muskeln zu beanspruchen. Auch die, die man bei der Arbeit nicht braucht“, erklärt die Maurerin. Ansonsten spielt Karger gerne Klavier, singt und wenn mal etwas Zeit ist, nimmt sie auch mal ein gutes Buch zur Hand. Im Winter ist sie vor allem auf den Pisten mit Skiern unterwegs.
Seit Anfang Januar ist Milena Karger auch Mitglied im Maurer- und Zimmererverein in Bad Aibling. „Es ist schön, Teil davon zu sein und zu zeigen, dass auch Frauen auf Baustellen sind, mit denen es auch funktioniert“, sagt sie. Besonders ist der Verein sowieso, denn Karger ist das erste weibliche Mitglied der Vereinsgeschichte. Und darüber freuen sich auch die Mitglieder vom Maurer- und Zimmererverein, wie Schriftführer Hans Gschwendtner auf OVB-Anfrage mitteilt.
Ein Novum
für den Verein
„Es ist zwar ein Novum, dass eine Frau dem Verein beigetreten ist, in dem bisher nur Männer vertreten waren. Aber in der heutigen Zeit, in der Frauen immer selbstbewusster und selbstbestimmter sind, auch kein Wunder“, sagt Gschwendtner. Der Traditionsverein, der 1869 als Krankenunterstützungskasse für Maurer- und Zimmererleute gegründet wurde, freut sich über jeden Nachwuchs. Schließlich stand der Verein, der zu den ältesten in Bad Aibling gehört, Anfang der 1990er- Jahre kurz vor der Auflösung. „Wir freuen uns, Frau Karger in unserem Verein zu haben und sind gespannt, ob ihrem Vorbild noch viele weibliche Mitglieder folgen werden“, sagt der Schriftführer.