Tickende Gefahr gebannt

von Redaktion

Wenn die Aorta reißt: Wie Elmar R. das Leben gerettet wurde

Wasserburg – 25 Jahre lang wusste Elmar R. (67), dass er ein Aneurysma im Bauchraum hat. Ein Zufallsbefund bei einem CT wegen Rückenbeschwerden. Jährlich ging es danach zur Kontrolle, die Ausweitung der Schlagader blieb relativ konstant auf einem Niveau von etwa 3,5 Zentimetern Durchmesser, berichtet er. Eine Gefahr bestand nicht.

Doch im November hatte Elmar R. eine Hüft-OP, drei Tage später erlitt er einen Schlaganfall. Dabei rauschte der Blutdruck derart in die Höhe, dass sich das Gefäß auf einen Durchmesser von 5,6 Zentimetern vergrößerte, erzählt er. „Da war ich dann doch alarmiert.“ Die Ärzte hätten ihm dringend zur Gefäß-Operation geraten. Der Hausarzt empfahl die Romed-Klinik Wasserburg.

Fremdmaterial
nicht spürbar

Eine Entscheidung, die R. nicht bereut hat. Im Gegenteil: Schon das Erstgespräch über den Eingriff habe ihm die Angst genommen. Zwei Tage vor der OP sei bei der Voruntersuchung noch einmal alles „sehr gut erklärt“ worden. Auch der Anästhesist habe sich viel Zeit genommen. Vor zwei Wochen kam dann der Eingriff. Dem Mühldorfer wurden drei Stents gesetzt, über die Leiste. Einzige Hinweise auf die OP: zwei etwa fünf Zentimeter lange Schnitte. Das Fremdmaterial im Körper spürt er nicht.

Als R. nach der OP aufwachte, fühlte er sich nach eigenen Angaben „relativ gut“. Aufgrund seiner Vorerkrankungen habe er einen Tag auf der Intensivstation verbracht, bevor es auf die Normalstation ging. Drei Tage danach sei er bereits heimgegangen. „Die haben das ganz toll gemacht“, sagt er, „ich habe mich gut aufgehoben gefühlt“. R. ist vor allem eins: sehr erleichtert, dass das Damoklesschwert eines möglichen Risses, in der Regel ein Todesurteil, nicht mehr über ihm schwebt. „Diese Sorge ist jetzt weg. Jetzt können meine Frau und ich wieder unser Leben planen. Wir werden den Sommer genießen.“

Ein klassischer Fall, der zeigt, wie wichtig die Vorsorge ist, wie der Chefarzt der Gefäßchirurgie, Dr. Felix Härtl, betont. Hauptbetroffene sind nach seinen Erfahrungen Männer im Alter von 65 plus. Faktoren, die eine Aortenerkrankung auslösen könnten, seien unter anderem das Rauchen und die genetische Veranlagung. „Wenn Vater oder Bruder an einer Erweiterung der Hauptschlagader erkrankt sind, ist die Wahrscheinlichkeit erhöht.“ Er rät deshalb auch allen Betroffenen, erstgradige Angehörige zu informieren. Denn eine Erkrankung der Aorta lasse sich einfach feststellen: per Ultraschall. „Das tut nicht weh und ist schnell gemacht.“

Auch die Erweiterung selber verursacht keine Schmerzen. Und das ist das Tückische an der Erkrankung. Härtl spricht von einem „silent killer“. Das Aneurysma entwickle sich leise, meist unbemerkt, zu über 80 Prozent ohne Symptome. Nur selten komme es vor, dass beispielsweise die Bauchdecke pulsiere. Eine verborgene Gefahr, die, wenn sie nicht entdeckt wird, dafür sorgen kann, dass das Gefäß platzt: Das ist fast immer ein Todesurteil, denn der Betroffene verblutet innerhalb weniger Sekunden innerlich, bedauert der Chefarzt.

Nur wenn die innerliche Blutung je nach Richtung des Risses von Körpergewebe aufgehalten werde, gebe es eine Chance, den Patienten lebend in die Notaufnahme zu transportieren und dort sofort erfolgreich zu operieren.

Zu oft noch
ein Zufallsfund

Werde das Aortenaneurysma früh genug entdeckt, sei dies so wie beim Patienten Elmar R. oft ein Zufallsbefund. Dabei gibt es gezielte Vorsorgeuntersuchungen: für Männer ab 65 Jahren. Bei Frauen zahlt bei gesetzlich Versicherten die Krankenkasse nicht, das Screening muss also selbst bezahlt werden.

Den Ultraschall übernehmen laut Härtl in der Regel die Hausärzte. Ab einer Gefäßerweiterung auf einen Durchmesser von etwa drei Zentimetern spreche man von einem pathologischen Befund, der regelmäßige Kontrolle erfordere, ab 5,5 Zentimetern bei Männern, fünf Zentimetern bei Frauen werde eine Operation empfohlen. Denn wenn der Druck auf die Wand der Hauptschlagader zu groß werde, könne sie platzen. Härtl nennt als anschaulichen Vergleich einen Luftballon: Wird er aufgeblasen, dehnt sich seine Außenhaut so lange auf, bis sie platzt. Der Druck auf die Schlagader entwickle sich über viele Jahre langsam, zur Eruption komme es oft bei Blutdruckspitzen: etwa beim Holzmachen oder Schneeschaufeln, aber auch beispielsweise beim Sex.

Damit diese tickende Gefahr verhindert wird, sollten Betroffene die Chance auf Vorsorgeuntersuchungen nutzen, appelliert Härtl. Dann könne bei Bedarf operiert werden. Das sei heutzutage in der Regel keine große, offene Bauch-OP mit langem Krankenhausaufenthalt mehr. Denn Kliniken wie Romed in Wasserburg wenden laut Härtl modernste Aortenchirurgie an: minimal-invasiv, über kleine Schnitte in der Leiste oder in seltenen Fälle über den Brustraum. Über sie werden Spezialprothesen eingeführt. Sie sind gar nicht so klein, wie gedacht: Die Prothesen aus Goretex-Material sehen aus wie Ästchen eines Baumes, mit Seitenarmen und kleinen Löchern, über die das Blut zufließen kann. Sie werden laut Härtl individuell hergestellt, angepasst an den Körper des Patienten. Per CT werde dieser in extrem dünne Schichten optisch „zerlegt“, sodass ein 3-D-Bild entstehe, nach dessen Bauplan die Prothesen unter anderem in Irland handgefertigt würden. Sechs bis acht Wochen dauert die Herstellung, berichtet Härtl, drei Stunden ein Eingriff, für den früher „der ganze Bauchraum geöffnet wurde“. Damals landete der Patient auf der Intensivstation, heute geht er nach zwei bis drei Tagen nach Hause, kann schon wenige Stunden nach der OP aufstehen, essen, trinken. Danach reichen regelmäßige Kontrollen per Ultraschall aus, so Härtl.

Die meisten Aortenoperationen in der Gefäßchirurgie an der Romed-Klinik Wasserburg sind nach seinen Angaben geplant. Doch auch für akute Fälle sei das Krankenhaus gerüstet. Der Prothesen-Schrank sei stets mit Material für alle Gefäßgrößen gefüllt. „Wir können Patienten, die bei uns notfallmäßig ankommen, schnellstmöglich operieren.“ 50 Eingriffe an der Aorta haben Härtl und sein Team 2024 durchgeführt. Damit gehöre Romed Wasserburg in diesem Bereich zu den erfahrenen Kliniken in Deutschland. Zum Vergleich: Es gibt laut Härtl 380 Abteilungen für Gefäßchirurgie in Deutschland.

Ein extrem
seltener Eingriff

Im Durchschnitt finde etwa viermal im Jahr ein Aorteneingriff an einer Klinik statt. Nur 15 Prozent würden die OP mehr als 20-mal im Jahr durchführen. Die Gefäßchirurgie in Wasserburg gehört also zu den Top-Adressen in dieser Disziplin, auch bei besonders komplexen Aortenpathologien. In Wasserburg wurde sogar schon einmal eine Aorta operiert, die einen Durchmesser von zehn Zentimetern hatte, außerdem gab es im vergangenen Jahr zwei Eingriffe nach Rissen. Die Patienten kommen aufgrund dieser Expertise laut Chefarzt nicht nur aus der Region, sondern auch aus ganz Südostbayern oder von weiter her. Mit der großen Erfahrung und der extrem niedrigen Komplikationsrate stärke die Gefäßchirurgie auch den Standort Wasserburg in Zeiten der Krankenhausreform. Diese fordert auch Spezialisierungen, messbar in Mindestzahlen bei speziellen Eingriffen. „Diesbezüglich können wir in Wasserburg ganz entspannt sein“, sagt Härtl.

Er war 2021 als Gefäßchirurg mit fast seinem ganzen Team von einer Privatklinik nach Wasserburg gewechselt. Ein Akuthaus, neu gebaut und hochmodern ausgestattet mit einem Hybrid-OP auf Universitäts-Niveau, wie er sagt. Die Arbeit ist für ihn sehr befriedigend, denn Aneurysmen seien zwar eine tödliche Gefahr, könnten jedoch sehr erfolgreich behoben werden. Es sei ein medizinischer Bereich, in dem Heilung möglich und die Technik in den vergangenen Jahren sehr weit fortgeschritten sei, so Härtl. „Ich kann allen nur empfehlen, sich untersuchen zu lassen. Das ist lebenswichtig. Wird nichts festgestellt, ist alles gut, wenn doch, wird regelmäßig kontrolliert, bis eine OP notwendig ist. Und diese ist wirklich nicht schlimm“, sagt Elmar R.

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