Reichertsheim – Die Fastenzeit ist in vollem Gange. Manche verzichten auf Süßigkeiten, andere auf Alkohol, wieder andere reduzieren ihren Fleischkonsum. Doch kaum jemand kann sich vorstellen, eine Woche oder länger gar nichts mehr zu essen.
Maria Mirz (66) aus Reichertsheim tut dies jedes Jahr. Sie hat sich dem sogenannten Heilfasten verschrieben und begeistert nicht nur sich selbst, sondern viele ihrer Kursteilnehmer für das Thema. Am 14. März startete die ausgebildete Fastentrainerin heuer gemeinsam mit Teilnehmern des von ihr geleiteten VHS-Kurses in Haag die Tage des Entgiftens. Zudem bietet sie auch einen Kurs beim Kreisbildungswerk in Reichertsheim an. Während die Leiterin, von Beruf Podologin, die beiden Wochen durchgehend fastet, können die Kursteilnehmer nach drei Tagen selbst entscheiden, wie lange sie das Heilfasten durchführen möchten.
Nicht jeder kann am
Kurs teilnehmen
Bereits vier Wochen vor dem Start gibt es eine Infoveranstaltung. Bereits hier weist Mirz darauf hin, wer nicht teilnehmen darf. Darunter sind beispielsweise Kinder, Schwangere und Stillende, Untergewichtige und Menschen, die ein gestörtes Essverhalten haben oder sich von anderen Krankheiten sowie Operationen erholen müssen.
Abgekürzt lässt sich sagen: Wer gesund und leistungsfähig ist und es sich vor allem selbst zutraut, dem rät Mirz guten Gewissens zur Teilnahme an dem Entgiftungsprozess. Außerdem erklärt die 66-Jährige schon vier Wochen vor dem Start, dass gewisse Suchtgifte rechtzeitig reduziert werden müssen, damit es während des Fastens nicht zu Entzugserscheinungen kommt, wenn man plötzlich auf Zucker, Kaffee, Alkohol oder Nikotin verzichtet.
Traubensaft, Brühe
und Gemüsesaft
Eine Woche vor Beginn des eigentliche Kurses schildert Mirz dann den Abbauplan der Ernährung: Zunächst wird auf Fleisch und Wurst verzichtet, dann aufMilchprodukte und Eiweiß und zuletzt werden Kohlenhydrate aus der Ernährung gestrichen. Einen Tag vor dem Verzicht auf alles dürfen die Teilnehmer ausschließlich Obst und Gemüse essen und führen ab, um ihren Darm zu reinigen und dem Heißhunger-Gefühl entgegenzuwirken, erklärt sie.
Daraufhin folgt das reine Fasten, bei dem lediglich zum Frühstück Traubensaft, mittags eine Gemüsebrühe und zum Abendessen ein Gemüsesaft getrunken werden. Zwischendurch sei es wichtig, so Mirz, genügend Wasser und Tee zu sich zu nehmen. Bei einem letzten Termin bereitet sie die Teilnehmer auf das Fastenbrechen vor. Dabei ist laut Mirz zu beachten, den Körper so langsam, wie man ihn an den Abbau der Ernährung herangeführt hat, auch wieder an den Aufbau der Ernährung heranführt. Das erste Essen, das die Fasten-Teilnehmer wieder zu sich nehmen, ist ein Apfel.
Die Kursteilnehmer können einer Whatsapp-Gruppe beitreten, um sich während des Heilfastens gegenseitig auszutauschen und zu helfen. Aber auch telefonisch ist Mirz in der intensiven Zeit des Fastens erreichbar, um den Teilnehmern zur Seite zu stehen.
Seit 2009 bietet Maria Mirz Kurse zum Fasten an. In dieser Zeit haben nur zwei Teilnehmer den Esssensverzicht abgebrochen, erzählt die Fastentrainerin – obwohl dies während der Kurse jederzeit möglich sei. Sie freut sich über diese Resonanz. Die 66-Jährige schätzt, dass etwa die Hälfte der Teilnehmer im Folgejahr erneut einen Kurs besuchen, um den Körper eine Woche lang auf „Reset“ zu setzen. Denn das hat ihr zufolge viele positive Folgen.
„Gefühl der Freiheit
und Leichtigkeit“
„Die Teilnehmer können eine sogenannte Fasten-Euphorie“ erleben“, erklärt Maria Mirz. „In der Woche des Fastens stellt sich ein Gefühl der Freiheit und Leichtigkeit ein.“ Das Essen schmecke auf einmal wieder intensiver und das Fasten bedeute ein Neustart für den Körper mit einer gesünderen Lebensweise.
Besonders beeindruckend sei der Effekt der Fastenkur auf Menschen mit Insulinresistenz oder Bluthochdruck, erklärt die Expertin. Während Diabetes-Typ-1-Patienten das Fasten untersagt sei, sei bei Betroffenen des Typs 2 oft ein so positiver Effekt zu bemerken, sodass man das zuzuführende Insulin oft Monate nach dem Verzicht noch reduzieren könne, so ihre Erfahrung. Auch Bluthochdruck-Patienten können – unter ärztlicher Abklärung – für eine nicht unbeträchtliche Zeit auf Medikamente verzichten.
Vorfreude schon
ab Weihnachten
All das sind Gründe, warum viele ihrer Kursteilnehmer „Wiederholungstäter“ sind und die Fasten-Kurse mehrmals besuchen. Der Verzicht auf Essen wirkt zudem anti-entzündlich. Deshalb können auch Gelenkbeschwerden von Rheuma- und Arthrose-Kranken erheblich reduziert werden. Auch eine Verbesserung von Migränebeschwerden, Darmproblemen, Fettstoffwechselstörungen und eine Stärkung des Immunsystems sind Effekte des Heilfastens.
Auch Maria Mirz selbst hat sich im Zuge einer Darmerkrankung das erste Mal mit dem Heilfasten beschäftigt. Zwar hatte der Arzt ihr aufgrund von Gewichtsverlust von einer Fastenkur abgeraten, trotzdem war die Podologin von dem Thema gefesselt.
Aus eigener Initiative kaufte sie sich ein Buch über die Entgiftungstherapie und führte sie, als es ihr gesundheitlich besser ging, durch. Von den positiven Effekten war sie begeistert. Daher blieb es nicht bei dem einen Mal Heilfasten. Mittlerweile fastet sie seit 30 Jahren. Schon ab Weihnachten freue sie sich bereits immer auf die alljährliche Fastenzeit, erzählt sie.
Aus der eigenen
Komfortzone treten
An den Teilnehmern ihrer Kurse begeistert sie, dass sie allesamt bereit sind, aus ihrer Komfortzone zu treten, um etwas für ihre Gesundheit zu tun. Als Podologin hat sie täglich mit Menschen zu tun, die an Zivilisationserkrankungen, wie Typ-2-Diabetes leiden, die aber nicht bereit dazu sind, ihre Lebensweisen für ihre Gesundheit umzustellen.
Der längste Zeitraum, in dem Maria Mirz selbst auf Essen verzichtet hat, waren 18 oder 19 Tage. Genau weiß sie es selbst nicht mehr. „Darum geht es beim Fasten ja auch nicht“, sagt die Expertin. Vielmehr gehe es um einen Neustart für den Körper und die Vorfreude darauf, bewusster zu leben. Denn: „Essen ist ja auch etwas Soziales, das auf Dauer schon abgeht.“ Spätestens zur Erntezeit des Bärlauchs im Frühling, gesteht die 66-Jährige, kann auch sie nicht mehr widerstehen: Dann gibt es wieder frische Gerichte auf ihrem Speiseplan.