von Redaktion

Wenn am Ostermorgen die Kirchenglocken zum ersten Mal läuten, eilen alle Bewohner eines kleinen Dorfs in der Region von Piemont zum Brunnen, um sich mit dem Brunnenwasser die Augen auszuwaschen. Vermutlich haben manche mit der Zeit den eigentlichen Grund ihres Tuns sogar vergessen und laufen einfach mit. Ursprünglich war das Auswaschen der Augen aber eine Erinnerung an das Wasser der Osternacht, in dem die Christen der ersten Jahrhunderte getauft wurden. In den Erzählungen der Bibel gehen den Frauen und Männern um Jesus an Ostern die Augen auf, weil sie ihre engen Scheuklappen ablegen. Sie bekommen ganz langsam eine neue Sichtweise auf das Leben. Auferstehung heute könnte ganz konkret für uns heißen, nicht erst auf ein Leben nach dem Tod zu hoffen. Ostern ist keine „Augenauswischerei“, sondern beginnt im Hier und Jetzt, wo Menschen wagen, einmal den eigenen Blickwinkel zu weiten und nicht nur auf das Oberflächliche und Vordergründige zu schauen. Der kleine Osterbrunnen, den die Frauen im Rosenheimer Stadtteil Kastenau jedes Jahr anders gestalten, soll ein solches österliches Hoffnungszeichen sein. Der verstorbene Bischof von Aachen, Klaus Hemmerle, hat das mit einem wunderbaren Wunsch formuliert: „Ich wünsche uns Osteraugen, die im Tod bis zum Leben sehen, in der Schuld bis zur Vergebung, in der Trennung bis zur Einheit, in den Wunden bis zur Heilung. Ich wünsche uns Osteraugen, die im Menschen bis zu Gott, in Gott bis zum Menschen, im ICH bis zum DU zu sehen vermögen. Dazu wünsche ich uns alle österliche Kraft und Frieden, Licht, Hoffnung und Glauben, dass das Leben stärker ist als der Tod.“Foto maurer

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