Die Welt mit den Augen der Kinder sehen

von Redaktion

Kinder-Chefarzt Dr. Torsten Uhlig war zwei Jahrzehnte bei Romed in Rosenheim Chefarzt der Kinderklinik. Jetzt hat er sich in den Ruhestand verabschiedet und zieht Bilanz. Wie es ist, die kleinsten und leichtesten Rosenheimer zu umsorgen. Und wie man sich ein Stück kindlichen Gemüts erhält.

Rosenheim – Was sein Werk in Rosenheim betrifft: Es ist nun sozusagen erwachsen. Vor 23 Jahren hat er es begonnen. Es wuchs heran, es trägt Früchte, es läuft. Immer wieder kann sich Dr. Torsten Uhlig mit eigenen Augen davon überzeugen. Wenn junge Frauen, die als Neugeborene und kleine Kinder von ihm behandelt worden waren, nun mit ihren eigenen Kindern zu ihm kommen: dem Kinderarzt ihres Vertrauens. Dann weiß er, dass seine kindermedizinische Abteilung am Romed-Klinikum gedeiht.

Nun hat sich Dr. Torsten Uhlig in den Ruhestand verabschiedet. Über zwei Jahrzehnte prägte er die Kinderklinik, Romed zeigt sich dankbar. Uhlig habe „Maßstäbe für eine patienten- und familienorientierte Versorgung“ gesetzt, heißt es in einer Mitteilung. „Ich habe es nie bereut, nach Rosenheim zu kommen“, sagt Uhlig selber, „ich habe mich gefreut, in der Klinik zu arbeiten, vor allem mit Kindern. Es war eine Bereicherung.“

Uhlig leistete
viel Pionierarbeit

Am 1. Januar 2002 übernahm Dr. Uhlig die Leitung der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin. Gleich im ersten Jahr initiierte er eine Kindertagesklinik. Dort konnten Ärzte Untersuchungen und Eingriffe ohne stationären Aufenthalt vornehmen. Ziel: junge Patienten möglichst stressfrei zu behandeln und Familien zu entlasten. Mehr als 1000 Kinder betreuten Uhlig und Kollegen allein im Eröffnungsjahr. Zeitgleich gründete er gemeinsam mit niedergelassenen Kollegen die erste kinderärztliche Bereitschaftspraxis im Landkreis – mit Notfallversorgung rund um die Uhr. Ein bundesweites Novum.

Uhlig sorgte für weitere Neuerungen. Er etablierte eine Nachsorge für Frühgeborene und chronisch kranke Kinder im Zusammenwirken mit „Bunter Kreis“ und „Harl.e.kin“; er richtete eine Extra-Sprechstunde für Schrei-, Schlaf- und Fütterstörungen ein und schuf eine tagesklinische Psychosomatik.

Ist Kinderarzt zu sein einem in die Wiege gelegt? Uhlig meint, zumindest Arzt aus Berufung geworden zu sein. „Ich wusste schon früh, dass ich gerne Arzt werden würde, weil ich gerne mit Menschen zusammen bin“, erzählt er. „Insbesondere mit Kindern.“ Aber es habe kein Schlüsselerlebnis gegeben. Es war eher Zufall.

Frühchen mit ab und
zu nur 300 Gramm

Als er anfing, Ende der 80er-Jahre, war es nicht immer leicht, an Stellen zu kommen. „Ich hatte das Glück, meine erste Stelle 1989 an der Haunerschen Kinderklinik in München antreten zu können. So war die Bahn vorgegeben.“

Tausende von Kindern hat er betreut. An viele könne er sich erinnern, sagt er, vor allem an Frühchen. Manchmal kommen die Babys schon nach sechs Monaten auf die Welt, es sind die allerkleinsten seiner Patienten. „300, 350 Gramm wiegen solche Frühchen“, sagt Uhlig. „Da muss man auch die Pfleger bewundern.“ Denn, so sagt es der scheidende Chefarzt, die Betreuung von Neugeborenen bedeute noch mehr Teamarbeit zwischen Pflege und Ärzten. „Das beschäftigt einen schon. Aber wenn die später vorbeikommen, wenn die vier, fünf oder sieben Jahre alt sind, dann ist das für mich, fürs gesamte Team, ein Highlight.“

Ein Arzt mit
kindlichem Gemüt

Er hat sich überhaupt stets auf seine Patienten gefreut. Manchmal kommen auch ältere Geschwister mit, sagt er. Vielleicht wegen der Gummibärchen, die es bei ihm gibt. Nur eins. „Nicht, weil ich geizig bin“, sagt er. Vielmehr soll die Süßigkeit etwas Besonderes bleiben.

Von seinem Team um Romed verabschiedete er sich mit einer kleinen Ansprache. Er zitierte zum Schluss den Maler Henri Matisse. „Man darf nicht verlernen, die Welt mit den Augen eines Kindes zu sehen.“ Der Satz überrascht, zumindest aus dem Munde eines scheidenden Chefarztes, eines Vorgesetzten und Veteranen in seinem Beruf.

Uhlig erklärt, wie er‘s meint: „dass man sich die Neugier und Unvoreingenommenheit bewahrt. Kinder äußern klar ihre Meinung und erwarten diese Offenheit auch vom Kinderarzt.“

Eine Oase für
gestresste Eltern

Ebenso wie die Eltern, die er überhaupt stets einbezieht. Und zwar beide, nicht nur die Mutter. Mutter und Kind allein, das sei nicht mehr zeitgemäß. „Da möchte ich mich auch nochmals beim OVB und seinen Lesern bedanken, für die Weihnachtsspendenaktion 2023“, sagt Uhlig. Es gab damals Geld für eine Eltern-Oase, Räumlichkeiten im Anschluss an die Kinderintensivstation, wo Eltern übernachten können. Denn, so weiß Uhlig: „Es bedeutet Stress auch für die Eltern, wenn man zum Beispiel ein Frühchen für Wochen oder Monate in der Klinik lassen muss. Wir denken an beide Eltern und das Kind.“

„In Würde zu altern ist ein Aspekt, mit dem man sich früh beschäftigen sollte“, sagt Uhlig. Was Romed betrifft, hat er sich in den Ruhestand verabschiedet. Aus dem Beruf zieht er sich nicht ganz zurück. Die Asthmasprechstunde betreut er beispielsweise weiter. Aber er will kürzertreten, mehr privaten Interessen nachgehen. Dem Malen etwa.

Vielleicht noch mal
im Ausland helfen

Vielleicht geht er auch wieder ins Ausland. In China und in Kambodscha war er bereits, er half dort unter anderem, Ärzte fortzubilden.

„Erfahrung und Wissen weiterzugeben, das ist mir ein Anliegen, gerade in Ländern, die nicht das Glück haben, einen derart hohen Standard im Gesundheitswesen zu haben.“ Deutschland sei da viel besser, als manchmal gesagt werde. „Wenn man über den Tellerrand hinausschauen kann, wird man feststellen, dass das Gesundheitswesen bei uns qualitativ gut ist.“

Vielleicht engagiert er sich auch weiter bei der Bayerischen Landesärztekammer. Er hat jedenfalls die Wahl. „Ich mag mein Alter“, sagt er. Es gebe keinen Druck mehr, sich beweisen zu müssen, ein schöner Zustand sei das. Er freue sich über jedes Jahr, das er älter werde.

„Meine Falten, die habe ich mir mühsam genug erworben“, sagt Uhlig. „Meine Lachfalten mag ich natürlich am liebsten.“

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