Das zweite Leben des Josef Maurer

von Redaktion

Seit fast 20 Jahren lebt Josef Maurer (26) aus Nußdorf schon mit einem Spenderherz. Der Transplantierte war noch ein Kind, als er ein neues Herz brauchte. Welche Odyssee der 26-Jährige hinter sich hat und warum sein Leben heute gar nicht so anders ist als ein „normales“.

Nußdorf – Josef Maurer ist ein freundlicher Mann, der viel lächelt und das Leben mit Humor nimmt. Und das, obwohl der heute 26-Jährige einiges erlebt und bereits als Kind viel durchgemacht hat. Der Nußdorfer bekam am 13. Juli 2005 eine Diagnose, die sein Leben veränderte.

„Ursprünglich sind wir damals wegen eines Wespenstichs zum Kinderarzt gefahren“, erinnert sich Maurer. Allerdings sei er davor schon einige Tage nicht im Kindergarten gewesen. „Ich fühlte mich schlapp, hatte Probleme mit Übelkeit und Schwindel.“ Bei der Untersuchung stellte der Kinderarzt fest, dass Maurers Herz sich nicht gut anhörte. Nach einem Ultraschall schickte ihn der Arzt ins Krankenhaus zum Kinderkardiologen.

Zu spät für
Behandlung mit Medikamenten

„Der hat dann schon die Diagnose ‚dilatative Kardiomyopathie‘ gestellt. Mein Herz war viel zu groß“, erzählt Maurer. Mit dieser Diagnose begann für das damalige Kindergartenkind eine Odyssee. „Im Klinikum München-Großhadern wurde ich stationär aufgenommen“, sagt Maurer. Einige Wochen habe man noch versucht, die Krankheit mit Medikamenten zu behandeln. „Aber es war zu spät.“ Und für die Ärzte war klar: Der kleine Junge braucht ein neues Herz. „Mein Herz konnte irgendwann weniger als 40 Prozent von dem leisten, was ein normales Herz leistet“, erklärt der Nußdorfer. Er musste ins künstliche Koma verlegt werden, überlebte nur dank eines Kunstherzes, das sein Herz beim Pumpen unterstützte. Allerdings können durch das Kunstherz Blutgerinnsel entstehen, die ins Gehirn gelangen und dort wiederum einen Schlaganfall verursachen können.

Es war der 21. Oktober 2005, als eine Krankenschwester bemerkte, dass Maurers linke Seite kalt wurde. „In meinem Körper haben sich tatsächlich solche Gerinnsel gebildet. Ein paar davon haben es sich in meiner linken Gehirnhälfte gemütlich gemacht“, erzählt der heute 26-Jährige und schmunzelt. Hätte die Krankenschwester das nicht bemerkt, wäre er nach diesem Schlaganfall querschnittsgelähmt gewesen.

Doch auch so stand es schlecht um den Jungen. „Die Ärzte haben überlegt, ob sie mich sterben lassen“, sagt Maurer. Sie entschieden sich dagegen und wenige Tage später kam dann die erlösende Nachricht: Es gab ein passendes Herz für den Jungen. Am 26. Oktober 2005 wurde es erfolgreich transplantiert. „Alte Pumpe raus, neue Pumpe rein, neue Pumpe läuft‘, sagte der Arzt damals am Telefon zu meinem Vater“, erzählt Maurer.

Nach der Transplantation musste er sich durchbeißen und vieles neu lernen. „Gehen, sprechen, essen, sitzen“, zählt er auf. An die Zeit auf der Kinderkardiologie-Station im Klinikum Großhadern erinnert er sich gerne. „Das können sich die Wenigsten vorstellen, aber es war schön. Es ist eine zweite Heimat für mich geworden“, erklärt Maurer.

Sein Leben unterscheidet sich heute wenig von dem anderer, wie er selbst sagt. „Ich habe einen Job, bin in der Metallverarbeitung tätig“, erzählt er. Bei der Stiftung ICP München, einer Einrichtung für Menschen mit Handicap, habe er seine Ausbildung gemacht. Denn seit dem Schlaganfall hat Maurer zusätzlich Probleme mit seinem Arm und seinem Fuß. Auch sein Rücken ist nicht ganz gerade. „Hier und da zwickt es“, sagt er und lächelt.

Die Jobsuche gestaltete sich für ihn allerdings anfangs schwierig. „Ich hätte zu einer Zeitarbeitsfirma gehen können. Ein ehemaliger Kollege hatte damit aber schon schlechte Erfahrungen gemacht“, erzählt Maurer.

Deshalb entschied er sich dagegen und telefonierte stattdessen mehrere Betriebe durch, fragte nach, ob sie Menschen mit Behinderung einstellen. „Über mehrere Ecken und Nachfragen habe ich dann eine Firma gefunden“, sagt er. Seit mittlerweile vier Jahren arbeitet er dort in Teilzeit.

„Ich würde gerne mehr arbeiten“, betont Maurer. Körperlich sei das aber einfach nicht drin. „Und wenn es nicht geht, geht es nicht.“ Dass er dennoch ein sehr aktiver Mensch ist, zeigen seine Hobbys. „Ich bin in zwei Musikgruppen, spiele Zugposaune“, erzählt Maurer. Zudem fahre er gerne mit dem Rad und gehe in die Berge – wenn auch selten. „Manchmal koche ich auch für das ganze Haus“, sagt Maurer.

Er lebt in einer Wohnung bei Nußdorf. Die Nachbarn, die über und unter ihm wohnen, sind Teil seiner großen Familie. Und die ist ihm sehr wichtig. So verbringt Maurer etwa viel Zeit mit seinen Cousins. „Sie sind wie Brüder für mich“, betont er. Der 26-Jährige hat auch eine Schwester. „Sie hat es in der Zeit, in der ich im Krankenhaus war, echt nicht leicht gehabt“, erzählt er. Seine Eltern seien ständig bei ihm gewesen, seine Schwester deshalb bei den Großeltern aufgewachsen.

Maurers Spenderherz wird dieses Jahr im Oktober 20 Jahre alt. „Diesen Herzgeburtstag feiere ich jedes Jahr“, erzählt der Nußdorfer. Er sagt, dass man als Herztransplantierter mit einer Lebenserwartung zwischen zehn und 20 Jahren rechnen kann.

„Ein Freund lebt aber schon 30 Jahre mit einem Spenderherz“, betont er. Seiner Meinung nach kommt es immer darauf an, wie man mit dem Herz umgeht. „Ich kann jetzt nicht einfach losrennen, ich muss mich langsam steigern“, betont er.

Auch Arztbesuche stehen bei ihm regelmäßig auf dem Plan. Alle vier bis sechs Wochen Blutabnahme beim Hausarzt, damit die Medikamente richtig eingestellt werden können. Alle vier bis sechs Monate Routine-Untersuchung mit Ultraschall und EKG. Alle zwei Jahre muss er für einen stationären Aufenthalt in die Klinik nach München.

Die Angehörigen des Organspenders, dessen Herz Maurer nun in seiner Brust trägt, hat er allerdings nie kennengelernt. „Es ist schwierig, an die Familie heranzukommen“, sagt Maurer. Er könnte einen Brief an Eurotransplant schreiben, die Organisation, die Spenderorgane zuteilt. Diese würde den Brief an die Angehörigen weitergeben, die dann entscheiden können, ob sie antworten wollen.

„Ich mache mir schon Gedanken darüber, wie es der Familie geht“, betont Maurer. Vor allem eines beschäftigt ihn: „Der Spender oder die Spenderin muss in etwa so alt gewesen sein wie ich damals.“ Vermutlich handelt es sich bei den Angehörigen also wohl um Eltern, die ihr Kind verloren haben.

Organspende:
„Entscheidung ist so wichtig“

Dass sie sich für die Organspende entschieden haben, hat Maurer das Leben gerettet. „Diese Entscheidung ist so wichtig“, betont der Transplantierte. So gehe es beim Ausfüllen eines Organspendeausweises vor allem darum, überhaupt eine Entscheidung zu treffen. „Man kann auch nein ankreuzen“, sagt Maurer. Schwierig werde es vor allem dann, wenn Angehörige plötzlich diese Entscheidung treffen müssen – ohne zu wissen, was die verstorbene Person gewollt hätte.

Durch die Krankheit, den Schlaganfall und die Herztransplantation hat sich in Maurers Leben viel geändert. „Mein Körper wird das Herz nie akzeptieren“, betont er.

Das Immunsystem muss immer unterdrückt werden. Bis zu sieben Tabletten nimmt Maurer deshalb jeden Tag. „Es heißt also wortwörtlich: iss oder stirb“, sagt er und lacht. Seinen Humor hat er in all den Jahren nicht verloren. „Der gehört in meinem Leben auf jeden Fall dazu.“

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