Kiefersfelden – Bei den Ritterschauspielen Kiefersfelden klappern nicht nur die Schwerter, es rascheln auch die Gewänder. Denn bei den meisten Rittergeschichten geht es, wie im richtigen Leben, um die Liebe und um den Kampf um eine schöne Dame aus gehobenen Kreisen, und die, so weiß man es, brauchen ständig etwas Schönes zum Anziehen. Im neuesten Stück „Ulrika oder Die Entscheidung um Mitternacht“ braucht die Hauptprotagonistin sage und schreibe vier Gewänder, bis sie schließlich von ihrem verhassten Gemahl ins Jenseits befördert wird. Vier Gewänder quasi für die vier Männer, die hinter ihr her sind, doch der erste, der Raubritter Wildhart, fällt bereits im ersten Akt im brutalen Kampf gegen seinen Nebenbuhler und spielt später keine Rolle mehr.
Unermüdliche
Damen
Damit alle standesgemäß gekleidet sind, vom Räuber bis zur Edeldame, gibt es bei den Ritterspielen zwei „Gewand-Frauen“, zwei unermüdliche Damen, ohne die die Kieferer Ritter und ihre Herzensdamen nackt dastehen würden. Was auch fast einmal passiert wäre, erzählt Eva Schasching, die sich seit 30 Jahren um Ritterkostüme und raschelnde Gewänder kümmert. „Mei, da ist einer der edlen Ritter auf die Schleppe der Dame getreten, der Rock war nur mit einem Druckknopf am Oberteil befestig, da stand die Arme in der Unterwäsche auf der Bühne.“ Seitdem wird darauf geachtet, dass das Oberteil gut am Rock befestigt ist oder das Kleid einteilig ist. Die Kleider und Rittergewänder, von der Hose bis zum Wams, nähen die beiden Gewandfrauen, oder „Gwandhexen“, wie sie liebevoll genannt werden, alle selbst. Die Zweite im Bunde ist Magdalena Kaffl, die seit vier Jahren Evi Schasching unterstützt. „Allein hätte ich es einfach nicht mehr geschafft“, so Evi Schasching.
Beide sind keine gelernten Schneiderinnen, aber was sie da in Heimarbeit mit Nähmaschine, Nadel und Faden auf die Bühne zaubern, hält jedem Vergleich stand. Das Nähen haben sich beide im Zusammenhang mit den Ritterspielen angeeignet. Die Kostüme und Gewänder werden reich verziert mit Perlen und Borten, Rüschen und Applikationen und passgenau genäht. „Manchmal nehmen wir schon etwas, was da ist, das wird dann entsprechend geändert.“ Doch oft sei eine Änderung aufwendiger als neu zu nähen. Magdalenas Lieblingsstück ist das blaue Kleid von Ulrika, das sie ganz am Anfang trägt, es ist aus himmelblauem weichfließendem Baumwollsatin mit Perlenborten und zahlreichen Verzierungen. „Wenn man weiß, was gespielt wird und wer die Rolle spielt, habe ich freie Hand und überlege mir, was zur Rolle und der Darstellerin passt, und ich finde, die blutjunge Ulrika schaut einfach blendend aus in dem himmelblauen Kleid.“
Beide Gewandfrauen sind den Ritterspielen von Kind an verbunden. „Für uns Kinder waren die Ritterspiele das Highlight des Jahres“, erzählt die 78-jährige Evi Schasching. „Wir waren bei jeder Vorstellung vor Ort und meistens hat uns jemand umsonst hineingelassen. Wir bewunderten die edlen Damen und ihre schönen Kleider und hofften, irgendwann auch so ein Kleid tragen zu dürfen.“ Der Wunsch wurde ihr erfüllt. Bereits im Kindesalter durfte sie als „Brautdirndl“ auf der Bühne stehen und einmal sogar in eine Hauptrolle in einem raschelnden Kleid spielen. Für Magdalena Kaffl hat sich dieser Mädchentraum nicht erfüllt. Auf der Bühne zu stehen, wäre eh nichts für sie gewesen. Jetzt, da sie mittendrin ist, könne sie es sich durchaus vorstellen. Auch für die 30-jährige zweifache Mutter sind die Ritterspiele ein fester Bestandteil im Jahresablauf. „Mama und Papa, mein Onkel waren immer schon dabei und ich habe als Kind viele Stunden hinter der Bühne verbracht, da kenne ich mich aus.“ Ihr Bruder ist der Bühnenmeister und sie hat sofort zugestimmt, als sie um die Mithilfe bei den Kostümen gebeten wurde. Ihre zwei Buben nimmt sie oft mit, und bestimmt werden sie irgendwann auf der Bühne stehen, als Ritter, Räuber oder vielleicht sogar Henker.
Da die Stücke im Vergleich zu früher drastisch verkürzt wurden, muss es beim Umziehen oft schnell gehen, aber da haben die beiden mittlerweile eine perfekt eingespielte Routine. Danach wird wieder alles ordentlich auf Bügel gehängt, damit es auch bei der nächsten Vorstellung reibungslos läuft.
In der Spielordnung steht es schwarz auf weiß: „Jeder Mitwirkende ist für sein Kostüm haftbar. Nach jedem Spiel ist es an dem hier bestimmten Platz ordentlich abzulegen. „Bei den Damen klappt das hervorragend“, lachen die beiden „Gwandhexen“, „aber die Herren Ritter nehmen es da nicht so genau, die schmeißen ihr Zeug einfach irgendwohin und bei der nächsten Vorstellung ist es dann nicht an seinem Ort.“ Schließlich besteht ihr Kostüm aus Perücke, Hut, Hose, Wams und vielleicht noch einem Umhang. Da könne es dann schon mal passieren, dass einer die falsche Perücke nimmt, weil er seine eigene nicht findet. „Da könnte ich fuchsteufelswild werden“, sagt Evi Schasching.
Nach der Spielzeit wird alles in einen separaten Raum in der Schule gebracht, wo circa 200 Kostüme aufbewahrt werden.
Und jedes Jahr kommen neue dazu. Bei der Auswahl der Stoffe und dem Design der Kostüme haben die beiden Damen freie Wahl. „Besonders Möbelstoffe eignen sich gut, die sind schwerer und fallen schön.“ Einmal gab es einen Mottenbefall, fast nicht zu verhindern, bei Pelz und Wolle. „Es hat mir im Herzen wehgetan, was wir alles wegschmeißen mussten.“
Denkt man mit 78 Jahren nicht schön langsam ans Aufhören? „Natürlich“, lacht Evi Schasching. „Aber es würde mir auch was fehlen, die Stimmung hinter der Bühne, die Gemeinschaft.“ Das trifft auch für ihre junge Kollegin zu. „Wenn man das Ritterspiel-Gen hat, kann man sich nicht entziehen.“
Kein Leben
ohne Theater
Bis 80 werde sie auf alle Fälle durchhalten, so Evi Schasching, mit Magdalena habe sie eine ideale Nachfolgerin. Aber in Wirklichkeit könne sie sich einen Sommer ohne Theater nicht vorstellen und wahrscheinlich werde sie weitermachen, solange sie gesund ist.